Es war 11:00 Uhr. Ich musste noch sechs Stunden warten, bis Dr. Klaus Schubert mit der Präsentation seines Buches begann. Ich war als Journalistin eingeladen, bei dieser Veranstaltung eines großartigen Romans zu sprechen, der von einem sehr bekannten Autor aus der Schweiz geschrieben wurde. Der Roman hieß „Die Straßen“.
Es war erst zwei Tage her, dass ich das Buch zu Ende gelesen hatte. In diesem Roman ging es um einen jungen Mann aus Äthiopien. Nach vielen Leiden hatte er es bis nach Italien geschafft, wo er sich integrieren und in wenigen Jahren eine Ausbildung machen würde.
Das Unglück sollte sich jedoch später für diesen jungen Mann noch vertiefen, als er sich in eine Serbin verliebte.
Ich möchte mich nicht weiter mit dem Inhalt dieses Romans aufhalten, sondern an den Höhepunkt des Abends anknüpfen.
Nach der Buchvorstellung wurde ein Cocktail organisiert. Dies war eine Gelegenheit, dass wir Gäste uns untereinander kennenlernten. An diesem Abend traf ich auch zwei Freunde aus meiner Generation, Timo und Markus. Beide hatten sich auf Thoraxchirurgie spezialisiert.
Während wir uns unterhielten, kam ein Herr auf mich zu. An seiner linken Seite wurde er von einer Dame begleitet, die etwa Mitte 30 war. Sie grüßten mich, und der Herr stellte sich als Dr. Jeger vor, während sie sich als Dalina vorstellte. Dalina – diesen Namen hatte ich noch nie gehört. Ihre Augen waren tief, und ihr Gesicht machte den Eindruck einer traurig wirkenden Dame.
Nachdem wir über den Roman „Die Straßen“ gesprochen hatten, sagte der Herr mit sanfter Stimme: „Wir brauchen Ihre Hilfe, ich möchte mit Ihnen zusammenarbeiten.“
„Bitte, unterbrach sie die Dame, Dalina, ungeduldig.“
Ich war neugierig und konnte nicht ablehnen. Wir vereinbarten, uns im Restaurant „Blinde Kuh“ in Basel zu treffen.
In jener Nacht konnte ich nicht schlafen. Das Treffen sollte in drei Tagen stattfinden. Es kam mir vor, als wäre ich in einem Film. Ich wusste nicht, welche Zusammenarbeit mich erwartete.
In meinem Kopf war noch immer der junge Mann aus Äthiopien. Menschen Schicksale, dachte ich bei mir. Wie gut es uns hier in der Schweiz geht.
Während ich über die Schicksale und das Leid nachdachte, vergingen zwei Tage.
Wir hatten uns verabredet, um zum Mittagessen um 12:00 Uhr zu treffen. Ich bereitete mich vor, nahm meine Tasche und ein Notizbuch, in dem ich meine Aufzeichnungen führte. Von meinem Zuhause bis zum Restaurant „Blinde Kuh“ waren es nur zehn Minuten mit dem Auto.
Ich kam fünf Minuten zu früh an. Es dauerte nicht lange, da kamen Dr. Jeger und Dalina. Nach den Begrüßungsgesten gingen wir ins Restaurant. Es war düster, nur ein kleines Neonlicht in einer Ecke erleuchtete den Raum. Es war still. Ich dachte bei mir: Die Welt kann die Blinden nicht verstehen.
Der Kellner zeigte uns den Tisch, an dem wir Platz nehmen sollten. Ich setzte mich, Dalina setzte sich neben mich, während Dr. Jeger uns gegenüber Platz nahm.
Nachdem wir unsere Gläser gehoben hatten, begann Dr. Jeger zu erklären, warum sie mich treffen wollten: „Ich bin seit vierzig Jahren Dr. in der psychiatrischen Klinik. Mein Ziel war es, Patienten zu heilen, indem ich ihre Bedürfnisse für die Zukunft verstand.“ „Dalina ist meine Patientin. Sie wird Ihnen selbst von ihren Wünschen erzählen“, fügte er hinzu. Dann wandte er sich an Dalina: „Dalina, bist du sicher, dass du sprechen möchtest?“ „Ja“, sagte Dalina. „Ich möchte sprechen, aber nur mit der Journalistin Brita.“
Ich war verblüfft.