Hände
Text
von Alex
Was ist schon Liebe? Kein Plan. Aber ich hab ihn wieder zugedeckt, wenn sein Schlafsack runter gerutscht ist. Wir haben unser Bier geteilt, und seine Küsse haben gut geschmeckt. Wir konnten uns nur zu selten wirklich tief in die Augen sehen. Ich hab’s von Anfang an gespürt. Dieses Zögern in seinen Händen. Auch wenn er selten was gesagt hat. Besonders, wenn er nichts gesagt hat.
Ich hab mir Filme geschoben.
Richtige Psycho-Filme.
Lag nachts da und stellte mir vor, wie er lieber bei ’nem anderen liegt. Bei jemandem, bei dem alles einfacher ist. Jemand, bei dem er nicht überlegen muss, ob er was falsch macht. Ich hab ihn angeschrien. Oft. Zu oft. Betrunken. Tagelang. Hab Worte gesagt, die ich nie zurückholen kann. Seine Kohle geklaut und allein versoffen.
Ich hab ihm gesagt, ich würde ihn hassen, und ich meinte vor allem mich selbst damit. Diesen scheiß Körper. Die Dysphorie. Dass ich mich nicht genug fühlte. Meine scheiß Emotionen. Meine verdammten Traumata. Ich dachte, wenn ich laut genug werde, wenn ich hässlich genug bin, dann geht er. Dann hab ich Kontrolle über den Moment, in dem es kaputtgeht. Lieber der Arsch sein, als das Mädchen, das heult. Lieber scheiße, als schwach.
Also hab ich ihn geschlagen. „Verpiss dich“, hab ich gesagt.
„Du willst mich eh nicht anfassen.“ Und ich dachte: Sag was. Schrei zurück. Schlag mich. Tu irgendwas. Aber er saß nur da.
Mit diesen Augen, die nicht mal wütend waren, nur müde.
Irgendwann ist er gegangen und ich hab ihn vermisst. Dann fand ich ihn. Ich stand da einfach. Unsere Blicke trafen sich. Kurz dachte ich, er steht einfach auf und geht. Aber er tat’s nicht. "Ich glaub, ich lieb dich, aber ich kann das nicht“, sagte ich. Kam mir dumm vor dabei. Er zuckte mit den Schultern. „Du hast gesagt, ich komm nicht klar auf dich. Du hattest recht. Aber wenn ich ehrlich bin, komm ich auf gar nichts klar. “ Ich setzte mich neben ihn.
„Ich hab dich gesucht", flüsterte ich, konnte es selbst nicht ganz begreifen „Mich suchen immer alle", antwortete er. Er lachte. Trocken. "Ich weiß, man!" Das hatte er mir nicht zum ersten Mal erzählt. Er war so Einer, der weg lief, wenn's zu viel wurde.
Wir saßen da bis es dunkel wurde.
Die Leute gingen vorbei, schauten kurz, dann weg. „Sag mal“, fing er irgendwann an, „warum hast du mir das Geld geklaut?“ Keine Wut in der Stimme. Kein Vorwurf. Ich zog an der Kippe, die er mir gegeben hatte.
„Weil ich nicht wusste, wie ich dir sonst wehtun soll. Ich wollte, dass du weg gehst. Weil ich Angst hab. Vor Gefühlen und so. “ Er nickte. Ganz langsam.
„Ich dachte, du willst lieber ’nen normalen Typen“, sagte ich.
„So einen, bei dem du nicht nachdenken musst, wie du ihn ansprichst. Der nie geweint hat, wenn er sich ausgezogen hat."
„Ich war überfordert“, murmelte er und schloss kurz die Augen. "Ich muss jetzt los", sagte er, und breitete die Arme für eine Umarmung aus. Keine romantische Geste. Aber vielleicht sowas wie Zuneigung.