KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 17. Juni 2011, 10:39
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Mein Schultheater

254. Kolumne

Ein paar Worte zu einigen meiner Schülertheaterinszenierungen:

LYSISTRATE von Aristophanes
Interview mit Mr Aubrey Beardsley
Mr Beardsley, Sie zeichneten die weltberühmten pornographischen Bilder zur „Lysistrate“ des aristophanes. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Beardsley: Well, Sie wissen, ich bin Homo, besser gesagt: homophil. Nun, mich begeisterte die Utopie meines Freundes Aristophanes: Die Frauen zwingen ihre Männer zum frieden. Ich halte es für absurd, daß die Männer ihre Potenz im Krieg verschleudern, anstatt ihre Frauen zu lieben – und dazu brauchen sie doch Frieden...
Mr Beardsley, ist das denn überhaupt realistisch?
Beardsley: Nun ja, ich weiß, daß meine geistig-moralische Wende mit der des Herrn Kohl nicht ganz übereinstimmt... letztlich aber wird sie siegen. Denn die Männer lieben die Frauen mehr als den Krieg.
Mr Beardsley, machen Sie damit Wahlpropaganda für die SPD?
Beardsley: Ach was, ich bin gegen alle Impotenz. Wissen Sie, alle Potenz liegt beim Volk selbst - das hat Aristophanes sagen wollen.
Mr Beardsley, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
1985



SPIEL'S NOCHMAL, SAM von Woody Allen
Die Theater-AG des St. Michael-Gymnasiums in Bad Münstereifel spielt am Pfingstsonntag um 11 Uhr Woody Allens erstes Theaterstück im Theater des Kabaretts Breschke und Schuch am Wettiner Platz 10. Es ist ein Gastspiel der Schüler aus der 10. Klasse, die schon einige Theatererfahrung haben: In der 8. Klasse spielten sie Texte von Jandl und Queneau, die sie für die Bühne einrichteten, und in der 9. Klasse führten sie IONESCOs absurdes Stück „Die kahle Sängerin“ auf.

In Woody Allens Komödie geht es darum, wie ein schüchterner junger Mann, (Sebastian Breitbach als Allan), dem seine Frau (Sandra Kotters) kurz nach der Heirat davongelaufen ist, sein Glück wiederfindet – und es ist so, als ob er überhaupt zum ersten Mal nach der Liebe sucht. Das hat auch Ähnlichkeit mit den Problemen Jugendlicher, die in der Liebe ihre ersten Schritte machen.
Der Held des Stückes verliebt sich ausgerechnet in die Frau (Annika Baron als Linda) seines besten Freundes (Jonas Borsch) – aber zum Schluss gibt er sie ihm wieder zurück, wie Humphrey Bogart in dem Film CASABLANCA. Bogart (Thomas Heidt) tritt in den Traumszenen der „romantischen Komödie“ als Ratgeber des unerfahrenen Helden auf, in anderen Traumszenen stellt sich Allan seine Liebeserfolge mit schönen Mädchen (Saskia Franzen, Esther Iglesias, Katrin Neu) vor...

Die 10 jungen Schauspieler spielten das Stück a tempo und mit viel Licht- und Ton-Effekten (Martin Glas) bereits vor heimischem Publikum. In Dresden treten sie zum zweiten Mal auf. 1999 waren sie mit der "Kahlen Sängerin" von Ionesco am Gymnasium Dresden-Cotta erfolgreich. [text]


Zur Premiere der Theater-AG 10B am Samstag, 27.5.2000:

Play it again ist ein Frühwerk von Woody Allen. Er schrieb das Stück 1968 für eine Broadwayaufführung, in der er selbst die Hauptrolle spielte. Erst später entstand nach dem Stück der Film gleichen Titels.
Stück und Film haben eine Menge miteinander zu tun. Play it again - Spiel’s nochmal, Sam, sagt in einer zentralen Szene des Films Casablanca Ingrid Bergman zum Pianisten. Woody Allen hat sich nicht nur diesen Satz als Stücktitel ausgeborgt. Der New Yorker Filmkomiker bedient sich auch der Kultfigur, zu der der Schauspieler Bogart gerade auch durch seine Rolle in Casablanca geworden ist, und parodiert die Dreiecksgeschichte von Casablanca ziemlich unverhohlen.
Seine Hauptfigur ist ein Filmkritiker, Allan Felix, der alles darum gäbe, wenn er im Leben so cool und clever wäre wie Bogart im Film, und der in entscheidenden Szenen des Stücks sogar Zwiesprache hält mit seinem Idol. Dem Kritiker ist die Frau davon-gelaufen. Nun versuchen die Freunde Dick und Linda Christie, Allan mit neuen Mädchen zusammenzubringen, erfolglos, versteht sich. Im zweiten Teil des Stücks tut Allan das Nächstliegende: Er verliebt sich in Linda, wird wiedergeliebt und verbringt, während der Ehemann Dick auf Geschäftsreise ist, eine Nacht mit ihr. Am nächsten Morgen aber erstattet Allan dem Freund die Frau so großmütig zurück, wie es sein Idol Bogart mit Ingrid Bergman in Casablanca vorgemacht hat.

Die 10 Schüler der Theater-AG aus der 10B des St.Michael-Gymnasiums brachten am Samstag Abend eine wohltuend leichte und spielerische Inszenierung auf die Bühne. Die Schüler hatten seit September 1999 mit ihrem Deutschlehrer Ulrich Bergmann jeden Dienstag und in den Osterferien geprobt.
Die Premiere gelang sicher. Die „romantische Komödie“ (so nennt Woody Allen sein Melodrama) fand mit Recht viel Beifall: Das Ensemble spielte so genau und tempera-mentvoll, dass Schwung und Tempo, Slapstick, Witz und ironisch gebrochene Romantik-Stimmung erzeugt wurden, was das auf deutschen Bühnen viel zu selten aufgeführte Stück richtig frisch erscheinen ließ.
Schon die Bühne mit dem dominierenden Sofa, dem über der Bar hängenden Spiegel links, Dalí und van Gogh hinten, dem Schreibtisch mit Telefon, Plattenspieler und einer Plastik von Franz Kline rechts, wirkte mit ihrem kleinen Chaos einladend. Die vielen Traumszenen waren durch farblich unterschiedliche Licht-Gestaltung auf die imaginär erscheinenden Personen genau abgestimmt. Die Musik untermalte manche Szenen, zum Teil gehört die Musik selbst zum Stück: Jazz- und Barmusik, und natürlich „Time goes by“, der berühmte Song des Pianisten aus Casablanca. Martin Glass am Pult besorgte das light and sound design sehr wirkungsvoll.
Die beiden Stars im jungen Ensemble waren, naturgemäß, Sebastian Breitbach als Allan, der erstaunlich ernst, sensibel, sanft humorvoll, besonders mit Stimme und Mimik sehr facettenreich auftrat und einen subtilen, gewinnenden Looser vorstellte; und Annika Baron, die eine sehr lebendige, charmante und doch eigenwillige, energische und zugleich sehr zärtliche Linda spielte. Jonas Borsch imponierte mit seinem komischen Talent als Allans Freund Dick, er spielte einen neurotisch gezeichneten Geschäftsmann, der keine Zeit hat und sich selbst verliert. Thomas Heidt war als Bogart ideal besetzt, er spielte das Coole, das Männliche schön heraus. Genauso stimmig erschien Sandra Kotters als Nancy - sie spielte überzeugend die zickige Exfrau Allans. Ganz hervorragend die Mädchen, die Allan zugespielt werden: Am beeindruckendsten vielleicht Saskia Franzen als Mädchen in drei verschiedenen Versionen: katholisch verklemmt, als swinging Girlie in der Disco und als intellektuelle Selbstmörderin - das war gekonnt. Katrin Neu beeindruckte als imaginierte Sharon im Négligé und als wirkliche Sharon, die komisch sehr stark auftrat - in dieser Szene gelang das dialogische Pingpong-Spiel der Akteure besonders gut. Mit Esther Iglesias, zunächst als Vanessa, dann als Barbara, endet das Stück schön pointiert. Alles in allem ein vergnüglicher Theaterabend, eine runde Sache.
Die Truppe wird am Pfingst-Sonntag ihr Stück auch in Dresden aufführen, und zwar im Theater des Kabaretts Breschke und Schuch. Sie kann sich dort sehen lassen.
27.5.2000


TOD - ein Stück von Woody Allen - eine tragische Komödie über

ANGST UND SCHRECKEN - UND DIE UNFÄHIGKEIT ZU VERTRAUEN

60 Minuten lang wird wortwörtlich und hintergründig zugleich unser Sicherheits-Wahnsinn aufs Korn genommen - das Stück entstand lange vor dem 11.9.2001, aber es hat damit zu tun. In geradezu kafkaesken Szenen wird unsere Angst vor dem Mörder unter uns gezeigt...

Kleinmann schläft. Mitten in der Nacht wird er aus dem Schlaf gerissen: Die Bürgerwache will ihn an der Jagd auf einen Massenmörder beteiligen. Kleinmann, der lieber bei seiner Geliebten bleiben will, muss mit. Er kennt seinen Auftrag nicht. Er erkennt: Keiner kennt seinen Auftrag - und der Mörder mordet weiter. Kleinmann trifft eine Nutte, eine Ärztin, die vor seinen Augen stirbt. Die Bürgerwache spaltet sich, die verfeindeten Gruppen kämpfen gegeneinander. Bald wird Kleinmann für den Mörder gehalten... Er hat noch einmal Glück... Schließlich trifft er auf eine seltsame Gestalt...


Klasse 9C spielt TOD von Woody Allen

Kleinmann ist der Antiheld dieses Einakters, in dem Woody Allen die kleinbürgerlichen Sicherheitsbedürfnisse in einer Welt von Mördern attackiert. Kleinmann will seine Ruhe haben. Aber die Bürgerwache auf der Suche nach dem Massenmörder holt ihn nachts aus dem Bett und will seine Mitarbeit. Die Jagd nach dem Mörder ist subtil ausgedacht: Jeder kennt nur seinen eigenen Auftrag, keiner kennt den ganzen Plan. Kleinmann hat überhaupt keinen Auftrag, jetzt steht er mitten in der Nacht allein auf der Straße - auf der Suche nach seinem Auftrag. Er trifft seine Ärztin, die verrät ihm nichts, dann begegnet er einer Prostituierten, die kann ihm auch nicht helfen, plötzlich fällt die Ärztin sterbend vor seine Füße, aber sie weiß auch nichts. Endlich kommt die Bürgerwache - aber die ist auf einmal in zwei feindliche Lager gespalten. Sie jagen immer noch den Massenmörder. Der Verdacht fällt schließlich auf Kleinmann: Er sei der Mörder. In letzter Sekunde kann er seinen Hals aus der Schlinge ziehen... Aber nun kommt die schlimmstmögliche Wendung: Im Dunkel der Nacht stößt Kleinmann auf die Irre ... und sie besiegelt sein Schicksal.

Der Einakter, eine tragisch-ironische Komödie mit kafkaesken Zügen, entlarvt rationalistischen Übereifer und Irrationalität in einer gesellschaftlichen Atmosphäre voller Angst vor Verbrechen (oder Terrorismus) mitten unter uns - keiner will oder kann dem anderen mehr vertrauen. Das Zusammenleben scheitert.

[60 Minuten Spielzeit für 25 Spieler]



SCHROTT ON von Klasse 8B
Wir haben alle Szenen - einzeln und in Gruppen - selber geschrieben.

Zum Stück:
Thema der Szenen sind die Beziehungen der Menschen untereinander, beim Einzelnen und in der Gruppe, im Privaten und Politischen:
1: Zurück und Hin (Kinder kriegen, Heiraten und Kinder kriegen), 2: Birgitt zu dritt (TV-Narzissmus), 3: Das Testament (eine tödliche Familienszene),
4: Der Turm (Selbstmörder und Gaffer), 5: Achtung (Untreue),
6: Ladentür schwingt auf, Bewegungsmelder schrillt (Lästern, Klatsch und Tratsch), 7: Schlag zu! (Erziehungsschwierigkeiten), 8: Café-Krieg (Gewalt im Alltag),
9: Tante Erna (ein krimineller Plan platzt), 10: Das Parfüm des Mannes (der eklige Bruder, die Schwesternzicke und der pseudoliberale Vater), 11: Laute(r) Leute
(ein Chaos-Team im TV-Studio), 12: Frieden (Utopie einer Idylle)

About Schrott On
Als Elisabeth, ich glaube sie war die erste die danach fragte, in einer Deutsch-Stunde anregte, wir sollten Theater spielen, war ich erfreut und entsetzt. Erfreut, weil es ein gutes Zeichen von Neugier und Interessse am Spielen und Lust auf Selbstdarstellung ist, wenn eine Klasse das tun will. Entsetzt, weil ich noch nie mit einer so jungen Klasse Theater machte.
Ich ließ mich überreden. Intelligenz gibt nach. Ich ließ mich auf ein Abenteuer ein. Denn es ist ein Abenteuer: Wenn wir scheitern und abstürzen, ist der Frust groß. Selbst wenn man aus dem Scheitern auch lernen kann, aber so wollte ich nicht lernen.
Das Problem war ja auch: Was für ein Stück sollen wir nehmen? Ich ging einige Texte durch, aber entweder waren zu wenige Rollen vorhanden oder das Stück war einfach zu schwer oder uninteressant für junge Leute im Alter von 13-14, sowohl thematisch als auch rein technisch. Es sollten alle Schüler eine Bühnenrolle oder eine Aufgabe erhalten, und zwar möglichst ausgewogen.
Felicitas gab mir „Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder, ein bühnentechnisch leichtes Stück, aber zu schwer, eher eine Aufgabe für einen Literaturkurs, der ein ganzes Jahr Zeit hat mit dem Stück und den Rollen fertig zu werden. Dann fiel mir „Die tote Tante“ von Curt Goetz in die Hand, in dem mein Sohn, als er in dem Alter war, eine kleine Rolle spielte. Aber diese Klamotte kam mir dann doch etwas zu derb und verstaubt vor, und dafür war die 8B zu intelligent.

Es gab nur eine Möglichkeit, dachte ich: Die Schüler schreiben das Stück selber. Dann treffen sie automatisch ihre Stoffe, dachte ich, und ich war neugierig, ob das überhaupt klappt, ob sich das öffentlich aufführen ließe. Ich hatte zwei gute Gründe, diese Risiken einzugehen: Erstens hatten viele Schüler schon oft sehr gelungene literarische Texte verfasst, der Ideenreichtum und das Formulierungsvermögen waren also gegeben. Zweitens: Auf der Bühne wirken die Texte ganz anders, der Körper spielt mit, Mimik, Gestik, die choreographischen Bewegungen des Ensembles, Licht und Requisiten... Außerdem vertraute ich auf meine Gabe, die Szenentexte beim Proben auf der Bühne zu veredeln. Aber ich wusste nie wirklich, ob das auch gelang.

Es war nicht falsch, als Thema für die Schreibgruppen „Beziehungen“ vorzuschlagen. Noch besser war es, dass wir immer wieder, oft lange und mühsam, im Plenum diskutierten, wie wir das Ganze gestalten: Einzelthemen, Struktur der Szenenfolge, Teilensembles und Ensemblestücke. Ich ließ nicht immer demokratisch entscheiden. Das geht in der Kunst nicht, da muss der erfahrenere Verstand manchmal führen - aber ich ließ mich andererseits auch führen oder sogar verführen zu Ideen, auf die ich nicht gekommen wäre. Das waren oft zähe, zermürbende, auch langweilige Phasen, aber sie waren notwendig und haben sich gelohnt. Mich hat der ganze Prozess immer mehr ermutigt meinen Anteil an Führung zu reduzieren. Schon als die ersten Szenen in spontan gebildeten Gruppen geschrieben wurden, war mir klar, dass nichts mehr schiefging.

Viele gute Einzelideen wurden in der Klasse bei Planungen und Proben geäußert und ausführlich besprochen. Ich behielt mir aber meist die letzte Entscheidung vor, damit der Arbeitsprozess nicht labil wurde. Es gab auch eine kurze Phase, wo ich spürte: Jetzt dauert das alles zu lange. Das wurde deutlich, als bei den Probenwiederholungen die Ergebnisse nicht besser wurden. An der Stelle wusste ich: Hier hilft nur ein gewisser Termindruck. Das kenne ich auch von den älteren Schülern, und das funktionierte hier auch.

Richtig erleichtert war ich, als Jennifer den Titel des Stücks, leicht ironisch, modern und wohlklingend, fand: SCHROTT ON!
Am schönsten fand ich, dass ich fast immer nur kleine Anstöße geben musste. Hier kam mir die Intelligenz und der Ideenreichtum der Klasse entgegen. Diese Klasse passt eben zu mir! Klar, das muss nicht mit jeder anderen Klasse so gut gehen, das weiß ich.
Auch die Technik der allmählichen Veredelung der Szenen ging auf. Die Idee, einzelne Schüler mit dem Schreiben der drei Ensembleszenen zu beauftragen, wurde auch gut umgesetzt - wie hätte die ganze Klasse als Autor handeln sollen, oder wäre das auch einmal zu versuchen?
Am Schluss wurde die Entwicklung der zwölf Szenen zu einem Stück immer mehr zum Selbstläufer, weil sich die Ideen und Anstrengungen aller einzelnen offenbar synergetisch verdichteten.

Alles in allem: War das Schrott, was am Ende herauskam? Nein. Vielleicht Edelschrott, und zwar Recycling auf allerhöchstem Niveau, das mindestens! [29.4.2003]



DIE KAHLE SÄNGERIN von Ionesco
Hinter der absurd erscheinenden Scheinhandlung der „Kahlen Sängerin“, die nie auftritt, steckt de Kritik an der Hohlheit, Leere und Einsamkeit der Menschen in einer deformierten Gesellschaft, begleitet von der Sinnlosigkeit einer falschen Sprache, die am Ende des Stücks zerfällt.

Das Stück dauert ungefähr eine Stunde – es wird eingeleitet von der „Begrüßung“, einem anderen absurden Text Ionescos.

Die Schüler, die vor zwei Jahren das Stück SCHROTT ON schrieben und aufführten, inszenieren nun auch die KAHLE SÄNGERIN selbst.
Alle 26 Schüler und Schülerinnen der Klasse 10 B, die das Stück seit Januar mit ihrem Deutschlehrer Ulrich Bergmann proben, spielen teilweise mehrere Rollen.
Wir führen das Stück auch als Gastspiel an unserer Partnerschule in Dresden auf.



KUNST von Yasmina Réza
Die Freundschaft drei junger Frauen gerät ins Wanken, als sich Sandrine auf einmal ein Kunstwerk für 200 000 Francs kauft - ein halbes Vermögen für ein total weißes Ölbild...! Marie versteht das nicht - was ist los mit Sandrine? Und was sagt Yve dazu? Sie findet das Bild schön, weil Marie es nicht schön findet. Marie ist entsetzt, aber erst einmal isoliert. Und so geht das Spiel weiter, bis auf einmal Yve allein dasteht. Aber zum Schluss findet Sandrine eine Lösung für den Bilderstreit um die Freundschaft zu retten.
Eine hintergründige Komödie über das Verhältnis von Kunst und Leben, den unbezahlbaren Wert der Freundschaft und - Lebenskunst.



KING KONGS TÖCHTER von Theresia Walser
Berta, Carla und Meggie, drei Altenheimpflegerinnen, motzen ihren Beruf auf: Aus lauter Frust an ihrer Arbeit inszenieren sie einen schönen Tod für die Alten: „Der Tod ist ein Termin. Und wir sind die Chefdisponentinnen.“ Sie lieben nur sich selbst und warten auf den Mann, der sie befreit. Aber der Erlöser weiblicher Sehnsucht kommt nicht. Bis der scharfe Rolfi auftaucht. Aber der kann die schlimme Not nur etwas lindern und kommt schnell ums Leben im Käfig der alten Drachen, die von Szene zu Szene ihren Kopf verlieren.
Die greise Welt ist ein groteskes Spiegelbild der jungen, dem Autismus und Egoismus der Alten steht der Narzissmus und die Einsamkeit der jungen Frauen gegenüber: King Kongs Töchter opfern die Alten ihrer Frustration, sie nennen das Sterbehilfe. Aber diese gesellschaftliche Euthanasie ist nur ein Bild unseres Alltags: Die Kinder fressen ihre Generation auf, die sie erzeugte.
Theresia Walsers Altenheimgroteske ist eine komische Tragödie über die Dialektik des Opferns: King Kong ist das Prinzip unserer Gesellschaft, sie ist der Drache, der Leviathan. Wir füttern diesen Drachen, wir opfern unseren Nächsten, bis wir selber drankommen. Wir, die Kinder King Kongs, fressen uns selber auf.



IMPROVISATIONSTHEATER von Klasse 10c
Im Dickicht der Städte
An einem Sommertag schlenderten Sören und Torsten in der Stadt am Rhein durch die Remigiusstraße. Die beiden jungen Männer kamen vom Markt in das sanfte Brodeln der Fußgängerströme, Kühlmaschinen und Luftumwälzungsanlagen, die Schreie der Obst und Gemüse feilbietenden Bauern aus dem Vorgebirge und der Eifel wurden immer leiser,. Aus den Kellerschächten der Geschäfte und Restaurants stieg faulige Luft. Zerfetzte Stimmen und Parfums schwebten an den Köpfen vorbei, die Augen trafen schlanke Frauenkörper in kurzen engen Röcken oder Hosen. Hellbraune Haut in der Mittagssonne, die heiß in die Schlucht fiel. Die Männer sprachen aus, was sie beim Anblick der Frauen fühlten, und griffen mit ihren Augen rücksichtslos zu. Sie fielen dabei kaum auf, und die schönen Körper spürten nichts von der Begierde, die im Dröhnen der Straße spielerisch blieb. Sie ließen bald von diesem Spiel ab, das ihnen mit der Zeit langweilig geworden war, und unterhielten sich lebhaft über einen anderen Gegenstand. Torsten sagte etwas, Sören verstand ihn nicht. Er drehte seinen Kopf, und Sören fasste Torsten am Arm. Torsten drehte den Kopf zu Sören, packte seinen Arm und schob ihn weg. Sie blieben stehen und sahen sich an. „Was soll das?“, sagte Torsten laut, während die Passanten an ihnen vorbeiströmten, und stieß Sören mit beiden Händen an den Schultern zurück, sodass dieser strauchelte. Sören schrie auf: „Eh! Hastu sie noch alle?“ Eine Frau blieb stehen. Sören stieß Torsten die Fäuste hart gegen die Brust, Torsten kam ins Stolpern, Sören stieß noch einmal zu, und als Torsten zu Boden ging, gab ihm Sören mit der flachen Hand einen Schlag ins Gesicht. „Arschloch!“, schrie Torsten. Die Frau stellte sich mit erhobenen Händen vor ihn und sagte barsch: „Schluss jetzt!“ Sören packte die Frau am Arm und zerrte sie zur Seite, die Frau stemmte sich fest gegen ihn und schrie, während ihre Tasche zu Boden fiel, laut auf. Scherben klirrten. Da waren die Streitenden schon umringt von anderen Passanten. Das lief alles nicht nach Plan. Ein ziemlich starker Mann nahm Sören von hinten in den Griff. Torsten, der inzwischen aufgesprungen war, trat dem Mann, der Sören festhielt, von hinten die Beine weg, während er mit den Armen seine Schultern umfasste und nach hinten riss, sodass er stürzte. Sören kam frei und rannte weg. Torsten boxte sich durch zwei Frauen, schlug wild um sich, als ihm noch jemand den Weg versperrte, und haute ab.

Isabel genoss das, wenn sie bis zum Äußersten ging. Als sie in einem Bistro spielten, in der Isabel ihre Handtasche auspackte, Ruth und Verena zeigte und den Inhalt in bizarren Erzählungen veranschaulichte, ging sie fast zu weit. Sie holte ihren Spiegel raus, besah sich und dachte laut darüber nach, wie die Männer ihren Lidschatten finden. Jetzt packte Ruth aus. Sie zog ihr Nagelstudio aus der Tasche und fabulierte derart pervers über Hände und Füße, dass die Gespräche an den Nachbartischen verstummten. Dann Verena. Die drei Mädchen gefielen sich. Sie stellten ihre Parfums auf den Tisch, zeigten sich ihre Kreditkarten, Schmuckstücke, Süßigkeiten und Präser, spielten mit ihren Handys herum, gingen einige Adressen durch und erzählten sich groß ihre kleinen Alltagsabenteuer. Die Leute an den anderen Tischen wunderten oder amüsierten sich, aber das war Isabel zu wenig. Sie holte die Handschellen aus der Tasche. „Damit fessle ich ihn!“, sagte sie. „Zeig mal her!“, sagte Ruth, „die sind ja richtig schwer!“ „Fessle mich!“, sagte Isabel. Ruth dachte natürlich, die hat nen Schlüssel. Da war das Schloss schon zu. Als Verena dann mit den Fingern nach dem Kellner schnipste und um Hilfe bat, musste Max, der an einem Nebentisch mit der laufenden Videokamera auf dem Knie die Szene filmte, laut auflachen. Niemand merkte was. Der Kellner rief tatsächlich mit dem Handy einen Freund herbei, der sich mit so einem Schloss auskannte.



CURRYWURST MIT POMMES von Frank Pinkus und Nick Walsh
ist ein komödiantischer Szenenbogen in zwei Teilen. Alle möglichen und unmöglichen Typen kommen vom Autobahn-Parkplatz zur „Hansi-Bar“, in der Penelope (genannt „Penny“), eine moderne Schwester des Diogenes in der Tonne, sich mit Launen, Sorgen und Beziehungen der Menschen auseinandersetzt.
Herbert, ein Penner, liebt Penny. Bauarbeiter trinken ihr Bierchen. Skurrile Familien ziehen vorbei, Fußballfans, verführte und enttäuschte Blondinen, frustrierte Lehrerinnen, Schwule, verkrachte Pärchen, Japanerinnen, stumme Agenten, pinkelnde Motorradfahrer, Schauspieler und jede Menge schrille Kinder... Crazy, ziemlich crazy das alles - aber so kommt die Wirklichkeit nun mal daher, wenn sie auf der Bühne vorbeispaziert.
Im zweiten Teil biegen sich die Szenen zurück zum ersten... da trifft der Zuschauer alte Bekannte wieder... Alles endet dann in einer wunderbaren Utopie - die ganze Bühne fängt zu singen an ---------------- : Freiheit! Frei-ha-ha-ha-ha-heit!

Alle 27 Schüler und Schülerinnen der Klasse 8B, die das Stück seit Januar mit ihrem Klassenlehrer Ulrich Bergmann proben, spielen teilweise mehrere Rollen.



UNSERE KLEINE STADT von Thornton Wilder
„Unsere kleine Stadt“, 1938 in Princeton uraufgeführt, hat in Amerika Theatergeschichte geschrieben: Wilder bedient sich einiger Mittel des epischen Theaters von Bert Brecht - durch die drei Akte führt ein Spielleiter, auf Requisiten wird bewusst fast ganz verzichtet, die meisten Requisiten werden nur mit Worten und Gestik imaginiert.
Das Stück zeigt den Alltag in einer kleinen Stadt: Familienleben, Kindererziehung, Schule, Geburt, Liebe, Heirat, Ehe, Tod in ausschnitthaften Episoden. Die handelnden Personen haben zwar eine berufliche Funktion und eine familiäre Rolle, aber sie sind fest eingebunden in eine enge bürgerliche Welt. Wilder sagt im Vorwort seines Stücks, es habe bei aller Durchschnittlichkeit und Begrenztheit von Szene und Handlung die leidenschaftliche Suche nach dem Sinn des Lebens zum Thema. Ein Junge und ein Mädchen verlieben sich (1. Akt: 1901) und heiraten (2. Akt: 1904), Emily stirbt (3. Akt: 1913) und darf für einen einzigen Tag, ihren zwölften Geburtstag, zurück ins Leben - freiwillig kehrt sie zu den Toten zurück. Sie hat erkannt, dass sie und die Ihren zwar zufrieden und glücklich, aber blind gelebt haben und sich der Einmaligkeit ihrer Existenz nie bewusst geworden sind. Auf ihre Frage: „Begreifen die Menschen jemals das Leben, während sie's leben - jeden, jeden Augenblick?“, antwortet der Spielleiter: „Nein“, und fügt nach einer Pause hinzu: „Die Heiligen und die Dichter vielleicht - bis zu einem gewissen Grade.“

Die Schönheit der Perfektion
Klasse 10B des St. Michael-Gymnasiums Bad Münstereifel inszeniert
„Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder

26.5.2006 - Nach einer nicht gerade berauschenden Premiere mit vielen Patzern und Texthängern, die den ersten Akt fast total in den Sand setzten, steigerte sich die 10B, von ihrem Lehrer liebevoll und zugleich kritisch als „Ensemble der verpeilten Talente“ bezeichnet, zu einer nicht mehr für möglich gehaltenen Leistung. Bergmann: „Die Premiere lief so gut wie eine sehr schwache Generalprobe. Na ja. Immerhin. Ich hatte Schlimmeres erwartet. Die letzte Durchlaufprobe war ja die reinste Katastrophe. Immer wieder fehlten in den Proben die Schauspieler, weil sie ihre Berufstätigkeit primär sahen. Die Schule ist zweitrangig geworden. Meine Schüler arbeiten hauptsächlich für Geld. Isso!“ Die Souffleusen leisteten Schwerstarbeit. Das änderte sich dann, jetzt sind sie fast arbeitslos.

In der zweiten Aufführung am Freitag zeigten die Schüler, dass das so nicht stimmt. Die zweite Aufführung war die Geburt des Idealismus oder so. Jetzt klappte alles. Alles. Fast alles. Also eigentlich klappte alles. Bergmann war begeistert: „Ja. So habe ich mir das Stück vorgestellt“, sagte er.

Wir geben im Folgenden wieder, was Bergmann unserem Reporter sagte, der während der Aufführung neben ihm saß, die Äußerungen stimmen nicht wörtlich und sind nicht immer in der richtigen Reihenfolge geordnet:

Erster Akt

„Der Hahn!“, sagt B., „ich höre den Hahnschrei! Die Technikerinnen haben’s geschafft. Gut. Ah, da ist Anne. Sie spricht gut. Schön laut. Selbstbewusst. Mann, bin ich froh, dass die zur rechten Zeit wieder gesund wurde. Gut, wie sie da auftritt. So eine zierliche Person. Aber sehr präsent. Die hält den ganzen Ersten Akt zusammen. Schön ihr mimischer Kommentar – ich liebe diese Stelle, wo Mrs. Gibbs mit Myrtl Bohnen rupft, da mimt Anne richtig intelligent rein. – Exakte Beleuchtungs-Wechsel. Das gefällt mir. Heute klappt alles. Vor zwei Jahren, als wir CURRYWURST MIT POMMES spielten, war Jamila total verpeilt, aber jetzt haut ja alles hin! Und Katharina kriegt auch alles auf die Reihe. In der Premiere vor zwei Tagen fehlte das Buch mit allen Zahlen für die Beleuchtung, aber jetzt ist alles auf seinem Platz und die beiden arbeiten mit einer erstaunlichen Ruhe, fast möchte ich sagen Routine.
Jetzt tritt Kyra auf. Wahnsinn! Wie die spielt! Sie ist voll in die Rolle reingekrochen! Ich bin begeistert. Sie hat ihre Rolle voll ausgestaltet. Klare Sprache. Mimik absolut passend. Alle Sätze richtig intoniert. Manchmal sieht man da schon, wie Kyra in dreißig Jahren sein wird. Sie hat sich mit ihrer Rolle wirklich auseinandergesetzt.
Dr. Gibbs. Was für eine Steigerung. Florian spielt auf einmal tatsächlich den Ehemann seiner Frau in Wilder’s Stück. Sie führt, sie relativiert ihn, sie macht das gut. Aber er hält mit. Gute Szene.
Jan spielt ernst. Das macht er gut.
Da! Nelly. Die Anwesenheit ihres Clans stört sie überhaupt nicht. Sie spielt völlig unverkrollt. Hält voll drauf. Nelly war vielleicht die erste, die über ihre Rolle nachdachte und sie dann voll ausspielte. Eine energische Mutter. Huch, da lächelt sie verbotenerweise über sich selbst. Vorbei… Das pantomimische Spiel! Sehr abwechslungsreich!
Da kommt Laura, endlich zieht sie ihre dumme Kuh voll energisch auf die Bühne – von einem gigantischen Muh begleitet, das so nur Caro herausbringt. Da steht die Kuh. Dr. Gibbs fasst mit allzu zärtlicher Hand nach ihr, greift aber irgendwie über die Kuh ins Leere… Naja, er hat keine Erfahrungen mit Kühen. Ich wüsste zu gern, was Florian nebenberuflich so macht, vielleicht hat die Handbewegung damit zu tun.
Da läuft Paul zum Frühstück in die Stube! Idealbesetzung! Schön sitzt er da auf seinem Stuhl in der Familie – auch als Toter, wo er mit ernster Mine dreinblickt – da sieht er dann viel älter aus.
Rebecca – so ein süßes Biest! Petra spielt diese leicht hysteroide Rolle perfekt, bis ins Kleinste durchdacht, immer wieder ärgert sie ihren größeren Bruder mit Händen und Füßen. Sie hätte eine gute Emily sein können, denke ich.
Emily! Da kommt Maija. Schöne, mädchenhafte Haltung! Noch nicht ganz verlernt. Steckt vielleicht in jeder Frau drin, diese naive Tour, mit der sie uns Männer bezirzen. Die 10B hat ja bekanntermaßen eine ganze Reihe hübscher und ausdrucksstarker Mädchen. Bin froh, dass wir so eine Emily-Palette bieten können. Sie sind auch alle vier gut verteilt auf die drei Akte. Felicitas gefiel mir bei der Premiere auch sehr gut. Obwohl sie fast nie geprobt hatte. Aber das Zusammenspiel mit David stimmte. Maija ist aber heute überraschend süß. Hat sich in den Proben zurückgehalten. Aber jetzt ist der Schmelz da, den ich mir wünschte. Wunderbare Zöpfchen. Die haben was.
Oh, Simon als Mr. Webb, ßeimen sprrricht den Äkzent gerrrade rrrichtig, nicht zu stark und nicht zu wenig, ich wurde in der Pause sogar gefragt, ob er Deutscher ist. Ein sehr präsenter Mr. Webb! Groß und sehr väterlich. Voller Humor. Starke Stimme. Tritt groß auf. Perfekt.
Jetzt baut sich der Chor auf – monatelang das größte Sorgenkind unseres Theaterprojekts. Aber schon bei der Generalprobe zeigte sich, dass der Chor das Potential hatte, zu einem Schmuckstück unserer Inszenierung zu werden. Und so ist es nun auch! Jetzt, wo der Chor das Lied richtig schön singen kann, macht auch der Einfall, zu Beginn ganz schräg zu singen, Sinn. Ich freue mich schon auf die nächste Aufführung, wenn dann der Chor wieder singt. Tom dirigiert endlich – und die Leiter davor mit George und Emily macht sich auch gut. Sehr gut gefallen mir die schnellen und fließenden Szenenwechsel. Davids „Pssst!“ kam wunderbar und es entstand eine authentische Verliebtheits-Atmosphäre. Überhaupt sind die Leiter-Szenen sehr stimmungsvoll. Warren – Graf Trenz steht die Uniform richtig gut, sie hält ihn gut zusammen! – fügt sich gut ins Spiel ein und ich bin nun zufrieden mit ihm.

Zweiter Akt

Corinna und Natascha setzen die Idee des doppelten Spielleiters überzeugend um. Corinna fällt fast vom Tisch, so sehr setzt die Rivalin ihr zu. Jetzt wird beim Umeinandergehen die Idee des circulus vitiosus versinnlicht. Sie sprechen beide keck, etwas forsch und frech. Thornton Wilder hätte seine Freude an unseren vier Spielleitern gehabt! Auch theoretisch ist das stimmig!
Veronika gibt eine ernstere Mrs. Webb als Nelly, sie wirkt jetzt echter als in den Proben, auch die sanfte Herzlichkeit wird nun spürbar, die ich mir immer wünschte. Gutes stilles Spiel. Nur die Zeitung gefällt mir nicht, da war das pantomimische Halten einer imaginären Zeitung besser und stückgemäßer.
Serena-Carolenes kurzer Auftritt hat Schwung. Das Muh der Kuh müsste an der Stelle ein anderer übernehmen. Ich finde, wenn die Kuh kommt, muss immer ein Muh mitkommen.

Jetzt die Szene Mrs. und Mr. Gibbs. Das läuft gut. Kyra bietet hier sprachliche und gestische Kabinettstückchen, Florian hält gut mit und hat auch seine starken Stellen in dieser Szene – zum Beispiel wenn er ins Toast beißt.
Simon und David agieren grandios in der Szene ganz unter Männern, während Spielleiterin Natascha im Hintergrund gähnend ßeimens Ratschläge kommentiert, ein trefflicher Einfall – es ist erstaunlich, wie so junge Leute das vorwegnehmen können, was sie vielleicht nur mit anderen Worten selber mal sagen werden. Vielleicht hat der ein oder andere heute doch erkannt, wie sehr dieses Stück ihn selbst in archetypischen Situationen spiegelt, und wie das alles in uns angelegt erscheint. Wir verstehen die Liebe ja auch schon, bevor wir sie wirklich erfahren, die Trennung vor der Trennung, den Tod vor dem Tod. Das ist eine geheimnisvolle Idee dieses Stücks…
Die Szene vor und in der Eisdiele gehört zu den stimmungsvollsten des Stücks, finde ich. Wir sehen eine wunderbare Emily, erst in ihrer mädchenhaften Frische bei der Verabschiedung von den Freundinnen, dann im Gespräch, wo sie George kritisiert und gekonnt in Weinen ausbricht (bitte noch drei Sekunden länger schmollen!), schließlich schmilzt sie dahin mit schmachtenden Blicken, als George ihr seine unbedingte Liebe erklärt. Ob David voll schnallt, was George da sagt? Egal, er macht das gut, der Junge strahlt gut, hat enorm viel Charme, wenn er dabei unbefangen bleibt. Ich wünschte mir die Unterhaltung beim Eisessen allerdings etwas langsamer gespielt, damit die Atmosphäre der Ewigkeitsliebe noch dichter wird.
Auch ein Bravourstück ist Corinnas Auftritt als Platt sprechende Bedienung in der Eisdiele (eigentlich Drugstore).

Die Hochzeit bietet eine Reihe hübscher slapstickartiger Events: Die drei Buben treten gewaltig auf. Und können variieren! (Johannes: „Du Stecher!“). Sehr gut gefallen mir die symmetrisch angelegten Unterhaltungen: George mit Kyra die hier ein weiteres Mal brilliert! Auch ihr Weinen ist perfekt gespielt. Hier könnte David, der seine Rolle im Ganzen hyper performiert, noch etwas ernsthafter spielen. Simon wirkt als betreuender Vater sehr stark im Spotlight der Vereinigungsszene.
Die Hochzeit! Eva (tolles outfit!). Katharina März als Mrs. Soames bietet Komödiantisches vom Feinstes – sie zeigt, wie man aus einer kleinen Rolle etwas Tolles machen kann. Das zeigt auch Sandra, wenn sie dem Hochzeitspaar ein Beinchen stellt und die Rosenblüten verächtlich auf und hinter das Paar wirft.
Dann der Kuss – wunderbar! Aber Natascha darf nicht so schnell durch das Paar schreiten, bitte warten! Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig… Dann erst.

Dritter Akt

Die Musik in der Übergangspause zum dritten Akt ist fein gewählt: „Ruska“ von APOCALYPTICA passt ideal zum Stück. Überhaupt gefällt mir die sparsam eingesetzte Musik. (Allerdings leicht störend in der Stille des Friedhofs ein elektronischer Handy-Gesang – aus dem Jenseits?) Die Bühnenwirkung mit den auf den Stühlen ganz in Weiß sitzenden Toten ist optimal (m. E. bringt die Nebelmaschine nicht so viel und könnte von mir aus auch fehlen). Die Toten sind in kurzer Zeit ausgezeichnet geschminkt. Das allmähliche Auftreten der Toten, das von Zuschauern der Premiere gelobt wurde, finde ich besser (auch dramentheoretisch angemessener).
In dieser stillen Szene stören hin und wieder Geräusche und Unterhaltungen im Kellerflur. Schön dagegen der an der Tür ins Freie nach innen sich wölbende wehende schwarze Vorhang! (Nicht ganz so schön sieht eine dort auf dem Boden liegende leere Plastikflasche aus.)
Eva und Aude spielen mit schönem Ernst. Aude, unser Gast aus der Bretagne, spricht gut ihre Rolle als Jolina Stoddard. Eine Französin mit einem akzentfreien H!
Die Trauergemeinde tritt gut auf – ich sähe nur gern ein paar schwarze Schirme mehr.
Marie ist eine wunderbar ruhige und intensiv auftretende Emily, sie strahlt Ernst aus, sie spielt alles sehr genau, artikuliert die Worte in einem weiten Spektrum – von leiser Trauer bis hin zur pathetischen Gebärde. Herausragend. Wenn sie dem Grab entsteigt, entsteht eine großartige Stimmung – noch ein Weiß kommt hinzu, Weiß ist in manchen Kulturen die Farbe des Todes, bei uns sie ist die Farbe des Festes, der Reinheit. Marie trägt, wie schon Kristina ein tolles Brautkleid. Die Toten schauen gut in unsere Welt hinein, sie sprechen in neutraler Stimmungslage. Tom hat hier seinen besten Part. Noch einmal räsonniert der Pessimist und wird von Kyra zurechtgewiesen.
Last, not least: Lukas. Ich bin beeindruckt von seinem Spiel als Spielleiter im dritten Akt. Das ist eine souveräne Leistung. Die Stimmlage, die zwischen einem gewissen Pathos der Lebensbejahung, gleichzeitig einer vollkommenen Distanz und einer leichten Melancholie hin und her schweben muss, trifft Lukas voll. Mit gemessenen Schritten misst er noch einmal den ganzen Raum des Theaters, der Welt, aus. Toll.
Alles in allem: Eine der besten Schüler-Aufführungen, die ich erlebte.




Ein paar Daten:
Das Stück dauert mit der knapp 15-minütigen Pause nach dem ersten Akt und der kurzen Umbau- und Schmink-Pause nach dem zweiten Akt – jeder Akt dauert ungefähr eine halbe Stunde – insgesamt 110 Minuten. Das ist absolut abendfüllend.
Einnahmen: Zur Premiere 315 € (der Theaterkeller war brechend voll, Herr Neft hätte da nicht kommen dürfen; bei der 2. Aufführung 300 € (hier waren die regulären Plätze fast alle besetzt).

Wir führen das Stück anlässlich der 3. Euskirchener Schul-Kultur-Tage und als Gastspiel an unserer Partnerschule in Dresden auf.



HYSTERIKON von Ingrid Lausund
- eine parabolische Farce, die gnadenlos Persönlichkeitsdefizite unserer Gesellschaft offen legt, an erster Stelle Beziehungsschwierigkeiten: Die schon abgestumpfte Ehe, eine Frau erlaubt ihrem Mann den Seitensprung, den er für sein hormonelles Gleichgewicht braucht… Die ‚Liebe’ ist käuflich in einer Welt, die wie ein Supermarkt funktioniert, in dem Geld alles regiert, in dem wir uns als Konsumenten unseres eigenen Lebens im schlimmsten Fall kannibalisch verkaufen, wo wir alles kompensieren, was uns fehlt, wo wir uns auch in unserer ganzen Erbärmlichkeit entdecken und verlieren. Der junge Mann versteht es nicht, auf andere zuzugehen, er hat Angst vor Frauen. Die junge schwarze Frau kann sich nicht entscheiden, welchen Joghurt sie nimmt, in welcher Realität sie ihre schablonierten Träume umsetzt. Alles ist ihr peinlich, sie kommt aus sich nicht heraus und erstickt an ihrer Leere. Die Frau in der Tiefkühltruhe ist das Frischfleisch – für die Sinnlichkeitsbedürfnisse, die nur mechanisch befriedigt werden.
Die Frau hat die Wahl zwischen Kältetod und Aufgefressenwerden. Alle scheitern, die Frau in Gucci an ihrer Oberflächlichkeit oder in ihrer dummen Ehe. Der Mann, der Schwefelsäure kauft, an der Ungerechtigkeit des Lebens. Das Mädchen mit den Heiligenbildern daran, dass es keine Anerkennung findet.
Der alte Mann scheitert mit seinem ganzen Leben, er hat alles falsch gemacht, alles verpasst. –
Über allem steht der Filialleiter, der Kassierer des Schicksals, der zynische Ausbeuter schwacher Individuen, die ihr eigenes Leben nicht verstehen. Er kommentiert und lenkt mit dem Warenangebot alle Lebens-Kunden, die am Ende selbst zur Ware werden oder zur notwendigen Kulisse in der Supermarktwelt… Es gibt kein Happy-End für die Schwachen. Sie sind nur das Brennholz für das Feuer des Kapitals. Am Ende schließt der göttliche Kassierer den Supermarkt – ob er morgen und übermorgen oder in 100 Jahren immer wieder aufmacht, das ist die Frage. Der gesellschaftlich organisierte Mensch hebt sich als Sinn gebende Kraft auf, er überwindet sich nicht und findet nicht zur Synthese einer wirklich humanen Welt. [Juni 2008]



NACHTASYL von Maxim Gorki
Die Szenen aus der Tiefe der Seele, der persönlichen und sozialen Not zeigen, wie Menschen nicht fertig werden mit ihrer Lage. Einige von ihnen überleben als Kriminelle, andere wieder sublimieren ihr Scheitern, indem sie sich belügen und in der Vergangenheit oder anderen Welten träumen… Eifersucht, Untreue, Schuldgefühle, Lethargie, Betrug und Selbstbetrug herrschen unter den Nachtasylanten, die der Vermieter Kostylew als „lauter überflüssige verkrachte Existenzen“ bezeichnet. In dieser Atmosphäre entsteht Gewalt unter den Ohnmächtigen. Die Entleerung von menschlicher Qualität ist Thema des Stückes: Jeder versucht, trotz der Situation, in der er ist, seinen Anspruch als Mensch zu erhalten. Alle versuchen, sich zu artikulieren und zu überleben. Aber sie scheitern, stagnieren, kommen nicht weiter, leben nur noch, um zu sterben. Die von ihrem Mann verprügelte Anna verendet kaum beachtet von ihren Mitbewohnern, der Schauspieler erhängt sich…

„Die Lüge ist die Religion der Sklaven und der Mächtigen. Die Wahrheit ist der Gott des freien Menschen!“, sagt Gorki. Der seltsame Pilger Luka träumt vom Land der Gerechten nach dem Tod und tröstet die Gescheiterten im „Nachtasyl“ mit dem Glauben an den Menschen und die Wahrheit. Kleschtsch schreit heraus: „Was für eine Wahrheit? Wo ist die Wahrheit. Keine Arbeit, das ist die Wahrheit! Krepieren muss man, das ist deine Wahrheit!“ Es werden Versprechungen gemacht, dass soziale Fragen gelöst werden, und genau das Gegenteil tritt ein. Im Stück wird natürlich auch gefragt, ob es gut ist, mit so einer Art Lügentherapie umzugehen, um Menschen irgendeine Hoffnung zu geben. Gorki war strikt dagegen. Daher haben wir die Rolle des Luka so gestaltet, dass er nicht als Lumpen-Messias missverstanden wird. Die über 100 Jahre alte Übersetzung wurde revidiert.

Das Stück ist aktuell, immer mehr Menschen fallen aus dem sozialen Netz. Geschrieben wurde es 1902 vor dem Hintergrund einer großen sozialen Utopie - heute leben wir in einer Zeit nach dem Scheitern sozialer Utopien…



ANDORRA von Max Frisch
Stück in 12 Bildern von Max Frisch / inszeniert vom Philosophiekurs der Jahrgangsstufe 10 des St. Michael-Gymnasiums Bad Münstereifel im Theaterkeller

Die Idee, „Andorra“ aufzuführen, entstand im Philosophie-Unterricht bei der Behandlung eines Textes von Max Frisch: „Du sollst dir kein Bildnis machen.“ Ich erzählte dann von einer Aufführung des Brecht-Ensembles in Berlin – und fast alle Schüler des Kurses wollten dieses Stück in unserem Theaterkeller aufführen – das Fach heißt immerhin Praktische Philosophie...

Die 23 Schüler aus den drei 10er Klassen übernahmen Rollen und inszenierten mit meiner Unterstützung das Stück. Dabei konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: Die Personen und den zunächst unmerklichen und langsamen Prozess ihrer Entfaltung zu einem Faschismus und Rassismus im Alltag. In den 12 Bildern zeigt sich die wachsende inhumane Gruppendynamik, die seelische und geistige Vergewaltigung und Ausgrenzung Andris, die sich auch auf Barblin, seine Geliebte, ausweitet, andererseits aber auch die Selbstvergewaltigung der ‚andorranischen’ Bürger in den Selbstrechtfertigungen vor den Schranken eines imaginären Gerichts – das ist die Theaterrampe, vor der auch das Publikum indirekt hinterfragt wird.

Die Aufführung hat eine Pause nach dem 7. Bild und dauert etwa 2 Stunden.



MEINE SCHULTHEATER-INSZENIERUNGEN 1984-2010:

Die Physiker 1984 (Friedrich Dürrenmatt)
Mechernich (Literaturkurs) Aula des Gymnasiums 5.4. und 6.5.

Die Gewehre der Frau Carrar 1985 (Bertolt Brecht)
Mechernich (Literatur-AG) Aula des Gymnasiums 1. und 3.2.

Lysistrate 1985 (Aristophanes)
Mechernich (Literaturkurs) Aula des Gymnasiums 28.4.

Die Glückauf-Oper 1985 (Ulrich Bergmann / René Rolle)
Mechernich (Ensemble aus der 12 und 13, Ehemalige, Band, Schulchor und Kinderchor Enzen),
Aula des Gymnasiums 5.6.

Die Physiker 1998 (Friedrich Dürrenmatt)
Bad Münstereifel (Klasse 10C) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 30.1., 31.1., 1.2.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 1.5.

Die kahle Sängerin 1999 (Eugène Ionesco)
Bad Münstereifel (Klasse 9B) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 5. - 8.2.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 30.4.

Leonce und Lena 1999 (Georg Büchner)
Bad Münstereifel (Theater-AG 11) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 16. - 19.4.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 22.5.

Spiel’s nochmal, Sam 2000 (Woody Allen)
Bad Münstereifel (Theater-AG 10B) Theaterkeller des St.Michael-Gymnasiums 27. - 29.5.
Gastspiel im Dresdner Kabarett „Breschke & Schuch“ 11.6. [11 Uhr]
375-Jahr-Feier des St. Michael-Gymnasiums Theaterkeller 1. und 3.9.

Kunst 2001 (Yasmina Reza)
Bad Münstereifel (Theater-AG 11) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 25., 27., 28.5.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 9.6.
1. Euskirchener Schul-Kultur-Tage Stadttheater Euskirchen 21.6.

Tod 2002 (Woody Allen)
Bad Münstereifel (Klasse 9C) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums
8.12.2001 [Probe am Tag der offenen Tür]
Premiere 28.4. und 2.5., 5.5., 8.5.
Gastspiel im Gymnasiums Dresden-Cotta 22.5.
2. Euskirchener Schul-Kultur-Tage (3. Preis) Stadttheater Euskirchen 20.6.

Kunst [Neuinszenierung] 2002 (Yasmina Reza)
Bad Münstereifel (ehem. Theater-AG 11, jetzt Klasse 13)
Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 30.10., 3.11.
Gastspiel in Mechernich Aula des Gymnasiums Am Turm 31.10.


Schrott On 2003 (von und mit Klasse 8B) Bad Münstereifel
Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 28.3., 2.4., 6.4.

King Kongs Töchter 2003 (Theresia Walser)
Bad Münstereifel (Klasse 10C) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 22.5., 23.5., 28.5., 1.6.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 6.6.

Zivilcourage 2003 Straßentheater der 10c in Bonn 16. - 17.7.
Videovorführungen im Physiklehrsaal des St.Michael-Gymnasiums im Rahmen der Projektwoche 18.7.

Currywurst mit Pommes 2004 (Frank Pinkus und Nick Walsh)
Bad Münstereifel (Klasse 8B) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 7., 12., 15.5.
3. Euskirchener Schul-Kultur-Tage (1. Preis) Stadttheater Euskirchen 4.6.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 11.6.

Die kahle Sängerin 2005 (Eugène Ionesco)
Bad Münstereifel (Klasse 10B) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 18., 22., 25.5.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 2.6.

Unsere kleine Stadt 2006 (Thornton Wilder)
Bad Münstereifel (Klasse 10B) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 24., 26., 28., 31.5.
Gastspiel im Gymnasium Dresden-Cotta 6.6.

Viertel nach acht 2007 (20:15-21.15) - Kampf gegen den Pro7-Blockbuster.
Improvisationstheater der 10ac im Theaterkeller des St.-Michael-Gymnasiums 18.9.2007

Hysterikon 2008 (Ingrid Lausund)
Bad Münstereifel (Klasse 10C) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 3., 6., 9., 15.6.

Nachtasyl 2009 (Maxim Gorki)
Bad Münstereifel (Klasse 10A) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 25., 27.5., 4., 7.6.

Andorra 2010 (Max Frisch)
Bad Münstereifel (Klasse 10ABC) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 19., 22., 25., 28.4.

Die kahle Sängerin 2010 (Eugène Ionesco)
Bad Münstereifel (Klasse 8A) Theaterkeller des St. Michael-Gymnasiums 28.6., 1.7., 5.7.,9.7.

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