KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 02. Januar 2021, 17:16
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Mein kv - 5. Jovan (augsburg)

748. Kolumne

5. Jovan Jovanovic alias augsburg

Über keinen bei kv habe ich so oft und so viel geschrieben wie über Jovan Jovanovic, *4.4.1949 in Jugoslawien, heimatloser Künstler in Augsburg, als ich ihn kennenlernte. Er ist einer der eigenartigsten Lyriker in Deutschland. Seine Texte, die nicht in jedem Fall eindeutig der Lyrik zuzurechnen sind, leben sehr stark vom Monolog eines Sprechers, das im leidenschaftlichen Dialogspiel mit der Sprache steht: „i hab denker als beruf angegeben und tätigkeit als gedankenbeobachter-“, sagt Jovan, „(und übrigens MEIN TITEL BIN I!“

Ich traf Jovan im Mai 2006 in Artern, wo der manchmal zu tiefer Melancholie neigende Mann vital und temperamentvoll in einer Lesung mit anderen Autoren der Internet-Community www.keinverlag.de auftrat. Der 57-Jährige ist ein unfassliches Energiebündel, und wirkt in seinem gestisch wilden Auftreten und seinen durchdringenden Augen-Blicken eher wie ein Mann in mittleren Jahren, manchmal auch fast jugendlich. Er ist auch in sich selbst derart lebendig, dass er weder das vollendet, was er spricht, noch das, was er schreibt – und so ist es auch im Dialog mit ihm.
Später telefonierte ich oft mit ihm über seine Texte, die er manisch schreibt, im Internet veröffentlicht, dann wieder verwirft, ändert, kürzt, aufteilt, neu schreibt. Ich traf Jovan mit seiner Lebensfreundin Ute Illig Ende 2006 in Köln, wo ich beide im Brauhaus „Früh“ zum Abendessen einlud. Wieder ging es hauptsächlich um das ernste Spiel mit der Sprache, um die Suche nach Heimat im geistigen Raum. Eigenartig, Jovan ist in der deutschen Sprache nicht wirklich zu Hause, er ist nicht mit unserer Sprache aufgewachsen, er ist stark geprägt von der Grammatik und dem Geist der serbischen Sprache, die er auch in seinen deutschen Texten nie ganz verlässt – aber er geht virtuos mit dieser Heimatlosigkeit um.

Sein Spiel in und mit der (deutschen) Sprache scheint ernst und heiter zugleich. Jovan weiß genau, dass die Unvollkommenheiten, die grammatischen und stilistischen Fehler (gemessen am Normativen) einen eigenen Charme entwickeln, eine eigene Atmosphäre, einen Witz, der durch das Abweichen von der Sprachnorm entsteht, automatisch, und doch nicht ungewollt: Jovans Verfahren ist eine halb bewusste, halb unbewusste Verfremdung, die durch Sprache zwangsläufig immer entsteht, wenn wir Wirklichkeit abzubilden versuchen.

Jovans indirekte Didaktik seiner Lyrik, dem Dekonstruktivismus nicht unähnlich, arbeitet geradezu waghalsig mit Implikaturen in seltener Verdichtung. Zu der komplexen Mixtur von Implikaturen (spezielle Fälle dessen, dass ein Sprecher oder das lyrische Ich, etwas anderes meint als er formuliert) und Ellipsen (absichtliche und unabsichtliche Auslassungen) kommt noch eine oft wechselhafte und indifferente Metaphorik hinzu. Die Gedichte klingen oft wie gestotterte Bilder und schizophrene Dialoge in sich selbst. Es ist unklar, inwieweit diese philosophischen Sprechversuche bewusst sind und welche Intention sie tragen oder verfolgen.

Der in der deutschen Sprache beheimatete Leser liest Jovans Gedichte rekonstruierend, das heißt, er stellt einen Sinn her, der einer normalen Sprachform entspräche – dies gilt ja für das Lesen von Dichtung generell. Jovans Texte können auch als musikalische Tautologien aufgefasst werden, anders formuliert: Als absolute Musik, und zwar sowohl auf der lautlichen wie auf der semantischen Ebene (was es – allerdings in ganz anderer Art – schon im Dadaismus gab).

Im Folgenden Beispiele, die deutlich über Jovans durchschnittlicher Verständlichkeit liegen, also nicht absolute Wortmusik sind, sondern Sprachverliebtheit zeigen, die nach meiner Auffassung mit Jovans Narzissmus in eins fällt. Dieser Narzissmus entspringt Jovans Heimatlosigkeit und seinem nicht eben leichten Wesen. Er liebt vermutlich andere Menschen entweder zu sehr – und dann schießt seine Liebe durch sie hindurch oder an ihnen vorbei – oder zu wenig, weil er sich selbst suchen muss und nur im Spiel mit der Sprache findet. Jovans Sprach-Spiele sind eskapistische Handlungen, um überhaupt leben zu können. Er ist darin unsicher wie ein Kind, das immer wieder sein Spiel zerstört oder verliert.

Zunächst ein Brief als Gedicht oder ein Gedicht als Brief am 12.1.2006 (Ausschnitt):

uli hallo gutmorgen guten tag!

... ja gestern hab i schon um zehn uhr geschlafen
und ja was wollte i zuerst
ja... HAB I DEINE AUTORENSEITE GESEHEN!
ja mit blau meistens und in mitte rot (grossere buchst. und hervor...
wie sagt man das auf deutsch?

i hab mich gestern eingetr. fürs 13. mai (kv im artern)..

ja was... aso! wie sieht es bei mir so aus das i wahrscheinl. werde ein paar tage nix schreiben aber dafür werd i bei mir im textabteilung etwas ordnen
ja das heisst
schmeiss i viell. noch was raus und dann verarbeiten solche texte was du und i auch... als nötig findest
und des wird für mich nicht schwer weil hast es echt treffend und präzis durch deine komment. ... HEY, VIELEN DANK!

und grund warum i schreibe dir dies email
ja- hab i zur ute das... ob sie will dir schreiben
und hat ja gesagt- gern!
und sie kommt auf zwei tage (samstag/sonntag) hier und ...
[...]
ja zuerst wollten wir nach berlin i wollte eigentl. mehr im richtung köln weil kunstfreundl. ist dort und ... berlin find i für mich zu hart ( bin i 56!)

ja wann wir schaffen wo anders umziehe ( ja mind. ein paarhundert kilomm entfernt
von...)
ja wollte i schon zum cantalurp sagen das mir etwas über köln erz. und ja sie ist wahrscheinl. im köln

ja bratmiez hat mir gesagt das i nach dresden. ja sie zieht sich um mit ihre fam. bald nach dresden
ICH WEISS ES ECHT NICHT!
ABER I MUSS SCHON BALD WAS UNTERNEHMEN ...! SONST...

ja Uli war i jetzt echt so
hab i schon hier ja einiges...

ja und noch ja
hab i von cantalurp gelesen zuletzt geschr. gedicht von sie und mir gedicht hat gefallen! schöne gedicht ...und auch wenn nicht m. art ist so..
ok. hör i jetzt auf

und wünsche dir schönen tag
herzlichst,
jovan


Und nun eine der schönsten neuen Verwortungen Jovans:

***
weiter (des was i unter weltbezug

nochmal bin i nie satt dies thema thema weil thema ist ja weil welt die welt welche nur durch lichtstrahlen i empfange und auch keine aufgabe hab empfangenes licht reflektieren sondern mich drin nur glücklich baden und ab und zu hey hey ist dann mein weltbezug draussen minimal entgangen künstl produziert unglück brauch i echt nicht deshalb unreal und deshalb weil einbildung sei was draussen mir drin ist mit erst erblickendes welt aus zoge
***

Das ist Jovan, der Dichter, Jovan, der Sozialamtsgeschichtenschreiber und Philosoph und Maler mit Worten, Träumer an beiden Ufern des Flusses Lethe ...
und ich schrieb ihm:

Lieber Jovan,
Übersetzen ist hinübertragen, interpretieren, nachdichten, und das geht nie ohne Veränderung. Interpretieren ist übersetzen, übertragen, das verfälscht immer. Aber es entsteht etwas Neues, das muss nicht schlechter sein als der Text, den ich hinüber trug in eine andere Sphäre. Zwischen deinem Text, Jovan, und meiner Deutung liegt Lethe, der Fluss, am anderen Ufer rufe ich dir zu: Jetzt gibt es dich doppelt, Jovan, jetzt habe ich dich gefressen, du steckst in mir, und du schaust aus mir heraus, dein jugoslawischer Jupiterkopf und deine Zunge, jetzt reden wir beide simultan, das gibt ein Kauderwelsch. Weißt du, Jovan, jetzt bin ich dein Paralleluniversum, komm, schwimm durch den Lethefluss, sauf aber nicht zuviel von diesem virtuellen Slibowitz und schlaf nicht ein im Orkus unserer Verständigung. Heh, holla, ihr lahmen Wellen, peitscht sanfter den Bug meines Kahns und fließt milder um meine Lecks herum, damit ich nicht absaufe, bevor ich das andere Ufer erreiche! - Hö? - I setz di jetz über, Jova, dein Charon bin i jetz. - Ja supper, alles vitta! - He, Jovan, red jetzt nix! - Why no? - Ha, du spuckst mir mein Dinar ins Lethe! - Alles vitta! - Ha, supper! - Hier, i geb dir meine Buchstab:

Im Forum oder unter einem Text von Jovan gab es einmal eine Diskussion Lucy E. Dation über Jovan Jovanovic. Das war im Januar 2008. Es geht um die Lyrik von Jovan Jovanovic, die ich gelobt hatte. Der kleine Schlagabtausch zwischen mir und Lucy entzündete sich an dem nachstehenden Text. Die Leser können den Wechselgesang der beiden Kommentatoren als eine andere Form der Interpretation verstehen. Aber nun medias in res:

ja hats schon länger gedauert bis i mir flügeln.. UND JETZ ENDLICH FLIEG I ! ..ja falls nötig is

ja seit schon lange zeit flieg i sehr oft
auch wenn i auf meine flügeln
irgendwie vergesse

..ABER WAS SOLL MAN MACHEN!
JA WENN SOLCHEN ZEITEN

..JA IMMER FÜR FLUG BEREIT! SONST WIRD MAN SELBER ARSCHLOCH ODER SPIESSER ODER NUR ALS LEICHE

..JA SUPER! JA JETZ GEHEN WIR WEITER!

mit flügeln fliegt man besser
..und mit werbungsslogan ja usf


Bergmann: Das [Jovans Text] ist wieder ein wunderbares realmetaphorisches Selbstgespräch.

Lucy.E.Dation: Bitte, Bergmann, lass mich nicht dumm sterben: Zeige mir die Metaphern auf, erläutere sie mir und versuche wenigstens, mir das in deinen Augen „Wunderbare“ daran nahe zu bringen. ... Ich sehe darin nichts als die radebrechende Mitteilung, dass das lyrIch sich von Arschlöchern umzingelt fühlt und lieber die Fliege machen will, als selbst ein Arschloch zu werden. Wirklich sehr beeindruckend und so gar nicht weinerlich und selbstgerecht. Deine Urteile, lieber Bergmann, sind mir - bei allem Respekt - doch eher suspekt, deine Arroganz in nichts anderem als Überheblichkeit begründet.
Erkläre ich jeden Haufen zur Kunst, erscheinen meine eigenen Ausscheidungen um so glänzender. Das Einzige, was ich fürchten muss, ist Könnerschaft, also diskreditiere ich die schnell zur zwangsneurotischen Spießerschaft und habe dann ja auch die Mediokren und die Nichtskönner auf meiner Seite. So wird man aber lediglich zur Hure der Anspruchslosigkeit und außerdem ist das eine Generation zu alt. Nichts für ungut, wir leben in zwei Welten, es sei denn, ich erkennte nicht, dass ihr beiden hier lediglich die ganz große Verarsche durchzieht. Aber selbst wenn, dann ist die Nummer nicht witzig genug.

[...]

Bergmann: Mir gefallen solche Texte von Jovan, die man als Leser selber sozusagen konstituieren muss. Eigentlich gilt das für jedes Gedicht ohnehin.
Auch die Angst vor der Verspießung ist ja ironisches Spiel.
Jovan baut eine Atmosphäre auf, die mich zum (erkennenden) Lachen bringt. Jovan zitiert Alltagssprache, zitiert auch deine Generation, die oft deshalb so lächerlich wirkt, weil sie so gern verspießert und sich dann fragt: Oh, bin ich jetzt tatsäch-? Und dann alles tut, um der längst inhalierten Verspießerung wieder zu entgehen: Man trennt sich, man hat schon mit Ende 20 zwei Midlife-Krisen hinter sich, man studiert BWL bis zum Kotzen und bringt nichts zustande außer einer widerlichen Proskynese im Dienst des Kapitalismus, den man ja als Droge für den eigenen Hedonismus der allerbilligsten Art braucht. Viele wirken wie loriotische Abziehbildchen von grotesker Anpassung an alles und jede Idiotie unserer Zeit. Postmodernismus ist nur die Dufterinnerung an die heutige Mentalität, sich selbst anzubieten wie Wühlware im Kinderschlussverkauf.
Demgegenüber wirken Jovans Gedichte wie in unsere Zeit übersetzte franziskanische Gesänge.

Lucy.E.Dation: Hallo Bergmann, dir gefallen Gedichte, die du selbst verfassen musst? Warum überrascht mich das jetzt nicht? Ist nicht alles, was nach Scharlatanerie stinkt, idealerweise mit „ironischem Spiel“ bemäntelt, um die Haut zu retten? Obwohl, zum Lachen bringt Jovan mich auch, nur eben nicht, weil es witzig wäre, sondern eben lächerlich. Alltagssprache? Nach welcher Dosis? Noch einmal: Meine Generation? Spießertum? Unterwürfige Diener des Kapitalismus nur um die eigene Lust zu stillen? Anpassung an alles und jede Idiotie unsrerer Zeit, vielleicht also auch „Huren der Anspruchslosigkeit“, so wie ich dich schmähte? Und dem steht nun Jovan gegenüber, der Idiot als Vorsänger und die postmodernistischen Nutten antworten im Refrain?
Chapeau, Bergmann, mit Worten hast du fein geklingelt, nur leider sagen sie mir nichts. Und das ist es für mich, ein wahres Nichts, das eben jeder Halbgebildete locker zu Alles stilisieren kann, solange man nur willens ist, das Publikum zum Künstler zu machen, also jene allseits befahrbaren Grabbeltischfotzen aus den 1-Euro-Läden, die zwar von Kerouac noch nie etwas gehört haben, aber von seiner verbilligten Volksausgabe besungen werden. Ich möchte dir daher zurufen: Beat it, Bergmann, also rein generationsmäßig, u no.
Durchgezogene Grüße
Lucy

Bergmann: Fein geantwortet, Lucius, das will ich dir lassen! So eine Schreibe gefällt mir, da ist Seele drin, da wird mal Engagement spürbar, da wächst du weit heraus aus allen Generationen. Mir gefällt dein Schlusswort.
Und nun lies trotzdem noch meine beiden Texte über Jovan Jovanovic, der ein kleiner Scharlatan nur im Sinne einer Prise Salz ist, so wie die allermeisten Künstler sich würzen. Er schreibt mal richtig gute Texte, mal weniger gute, oft kopiert er sich auch unvorteilhaft selbst. Ich ermuntere dich, Ducy Lotion: Versuche, Jovan - und überhaupt belletristische Literatur - mit meinen Augen zu lesen, dann verstehst du mehr und du lebst ganz bestimmt auch besser, weil dir die Welt, gesehen durch meine Augen, besser gefällt. Aber auch dann, wenn du das nicht tust, weil du nicht willst oder nicht kannst, Lucy the Hype: Hdgdl! cu

Jetzt, wo ich über ein Jahrzehnt später diesen polemischen Schlagabtausch lese, sehe ich, dass mich meine Lust am Streiten zu Worten und Urteilen verführte, die ich bereue, zumal das zur Diskussion stehende Gedicht es nicht wirklich verdiente, weil Jovan ja viel bessere schrieb. Ich bleibe allerdings bei meiner Anerkennung für Jovans lyrischen Stil. Zu seinem 57. Geburtstag am 4.4.2006 schrieb ich ihm (hier leicht bearbeitet und gekürzt):

1. „i hab denker als beruf angegeben und tätigkeit als gedankenbeobachter -
Erzählung zum Thema Abendstimmung von augsburg.de“
Dieser Gedicht-Titel ist subtil: Jovan Jovanovic’ Pseudonym augsburg.de bedeutet vielerlei: Sanfte Selbstironie – ich lebe in Augsburg, Deutschland, ich nenne mich Augsburg, aber ich bin nicht Augsburg. Ich wende mein Pseudonym gegen die große Mehrheit, die dem Durchschnitt huldigt, der Normalität, der Norm, der Norm einer grau angezogenen beschlipsten Kultur des Mediokren. Ich wende meinen Namen, ich wende meine Worte gegen das kleinäugige Augsburg – Augsburg ist überall in Deutschland, Augsburg ist KV.

2. Er beherrscht seinen lyrischen Stil, obwohl und weil er grammatische Defizite in seine Gedichte integriert, teils sprachlich bewusst, teils ästhetisch bewusst für Klang und Bedeutungs-Verfremdung. Die Gedichte sind teils gattungsoffen, sie sind dialogische Szenen, innere Monologe, Erzählungen, Reflexion, stammelndes Suchen nach Worten für die Unbeschreibbarkeit des Seins, Beschreibung, Protokoll, Bericht, Zitat, wörtliche Rede, – und manchmal wird das alles collagiert. Immer weisen die Texte eine klare Struktur auf, Rückbezüge, Gegensätze, Achsensymmetrie oder (offene und verdeckte) Strophengliederung.

3. „weil bleibt mir sonst nichts übrig als gedanken beobachten und zwar nonstop ohne pause weil müsste i während pause was tun.“
Das lyrische Ich, das überwiegend mit dem Autor identisch ist, befreit sich in den ernst-satirischen Versen vom Druck des Sozialamts und anderen Nöten des Lebens:
„es fängt denken an und mich zieht ein und i werde selber eine gedanke.“
Die Lyrik ist dialektisch: Sie formuliert auch das Gegenteil des eben Gedachten, sie simuliert einen anderen Zustand, der im Angesicht des Geschriebenen real empfunden wird oder der Entwurf eines ersehnten Glückszustands ist:
„aber einmal hab i auf einmal alle gedanken gestoppt und ganz ruhig beobachtet die völlig harmlose denk-bausteine und dabei ich fühlte mich plötzlich befreit und wohl.“

4. Der satirische Charakter, der nie ideologisch-belehrend die falschen Dinge der Welt angreift, sondern sie durch das Zitieren in einer völlig neuen Sprache verfremdet und dadurch bewusst (und lächerlich) macht, hat den Gestus des Komischen, der ins Tragische umkippt, wenn der Leser die existentielle Schicht der Texte erkennt.

7. Es gibt Stellen, die schwer oder gar nicht verständlich sind – hier verliert der monologische Dialog des Autors mit sich selbst die Verbindung zum Leser, aber der kann solche Stellen interpolieren, und wenn er sie nicht versteht, ist es auch nicht schlimm: Die kryptischen Verse sind dann lesbar als reine Musik. Ohnehin ist Dichtung immer auch Musik, Klang und Rhythmus, Takt und Spiel mit den Melodien der Gefühle – Jovan schreibt vielstimmige Gedankenfugen in den tragikomischen Kosmos einer fremder werdenden Welt, er schreibt virtuose Versuche, eine Sprache zu finden und zu erfinden, mit der unser Leben beschreibbarer wird, einen Ton, aus dem heraus die trotzdem gelebte Utopie, das Ja zum Leben, auch diesseits oder jenseits des Schreibens erträglicher wird.
Das ist ein großartiger Ton, den Jovan Jovanovic hier in die virtuelle Subszene der Literatur einklickt! Deine Sprache lese ich gern! Da erfahre ich Neues! Du erlügst kein falsches Leben, sondern du erfindest Texte, aus denen Erkenntnisse sprechen! Du schreibst frisch und innovierst mein Lesen.

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