Distelmaier-Haas, Doris:

Lichtkiesel

Lyrik. Illustrationen


Eine Rezension von  Bergmann
veröffentlicht am 10.09.08

Licht ist nicht leicht

Der aufwendige Band ist sehr schön gedruckt und illustriert. Besonders die Bilder auf den Seiten 31, 35, 44, 83, 89, 111 (um nur Beispiele zu nennen) gefallen mir.
Gedichte, die leicht scheinen, aber Tiefe gewinnen im Geheimnis der Naturdinge und Farben und auch hier und da Schatten werfen, spiegeln alles in allem eine Welt, in der das lyrische Ich sich wohl fühlt, in der die Autorin gern leben und lieben kann, in der sie sich trotz mancher Rätsel geborgen fühlt. Der Band zeigt Harmonie mit der Welt, insbesondere mit der Natur – und die Autorin greift ja auch die klassischen Elemente auf, fügt den Äther hinzu als alles umfassende Hülle; zuletzt steht der Einklang des lyrischen Ichs:

„ich … reihe mich ein | in den lauf der wasser | der bäume der tiere der menschen | erlöst in den strömen des lebens“

Mir gefällt gleich zu Beginn das PROLOG-Gedicht: „ aus | dem weissen himmel | bin ich gefallen | …“ (S. 11) Die Lyrikerin beginnt den Band (heimlich) schon mit dem Äther – das ist ihre Hülle, ihre Heimat, die sie hat oder die sie sich im Lauf ihres Lebens erworben hat. Ich denke hier ähnlich wie sie. Ich habe das Leben, mein Leben, immer geliebt, selbst die Härte, die ich in meiner mittleren Jugend erfuhr oder letztes Jahr, als meine Frau starb, hat mir diesen Einklang mit dem Leben nicht nehmen können. Auch wenn ich ander(e)s schreibe als sie, so gehe ich von dem Gedanken aus, dass ich meinem Leben einen Sinn geben kann und dass sich mein Handeln in dieser Welt – als Vater, als Lehrer und als Schriftsteller – sinnvoll niederschlägt.

Im Nachwort schreibt Doris D. vieles, dem ich grundsätzlich zustimme. Allerdings ist der Tenor mir etwas zu skeptisch gegen die Moderne – eigentlich verteidigt sie nur das Konventionelle ihrer eigenen Gedichte, und das hätte ohne diesen sanften Seitenhieb (Scharlatane …) auch funktioniert.

Immer dann, wenn in den Gedichten die Farben schwarz oder grau (als Dunkles oder Gefahr oder Geheimnis) auftauchen, gefallen sie mir. Sehr schön auch das Gedicht „ich kenne ein märchen | da weint einer steine |…“ (S. 23).

Mir gefällt auch die Anhäufung von Steinen in den Versen! Die Steine sind etwas Hartes, Festes, Gewordenes, auch Schönes. Etwa in „PARIS“ (S. 43), wo selige Kindheit erinnert wird – Rilke leicht anspielend…
Wunderbar und rätselhaft: „wunsch“ (S. 51), „aus dem sommernden busch“ (S. 54). Schönheit wird nicht als Idylle beschworen, sondern in ihrer Wildheit und Eigengesetzlichkeit gesehen, der das lyrische Ich teilnehmend gegenüber steht.
„auf der strasse“ (S. 61) zeigt – wiederholt – optische Kraft, sogar Gewalt, und fast berauscht erlebe ich als Leser das Leben in der „rikschafahrt“ (S. 97). Seltsam und geheimnisvoll dagegen ist die etwas verschlüsselte Mitteilung „für Felix“ in dem Gedicht „am rande“ (S. 123), das mir wieder besonders zusagt.

Ab und zu bedient sich die Autorin – ganz leicht – einiger Ideen der konkreten Poesie, da wo sie bewusst mit Naivität spielt. So schwebt eine Vielzahl der Gedichte, darunter auch halbe und volle Liebesgedichte, tanzend dahin, wie Licht, das spielerisch Schatten wirft – Lichtkiesel eben.

Ulrich Bergmann
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