Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 20. Oktober 2016, 15:56
(bisher 3.911x aufgerufen)

Über "Findet Dorie" und "Frantz"

von  Dieter_Rotmund


Endstation Familie
Über Finding Dory, deutscher Titel Findet Dorie, USA 2016

Erst 13 Jahren nach dem Kassenerfolg von Finding Nemo erscheint eine Fortsetzung - Das ist schon eine kleine Überraschung - normalerweise werden in der Multiplex-Mainstreamkinobranche die Kühe effektiver gemolken; will sagen: Man riskiert kein Vergessen, sondern schiebt nach 2 bis 3 Jahren nach. Außerdem bedeuten Fortsetzungen ein kleineres finanzielles Risiko, deswegen gibt es im Multiplex-Mainstreamkino ja so viele davon.
In Finding Dory wird die populärste Nebenfigur von Finding Nemo aufgegriffen (eben jene titelgebende Dory/Dorie) und für sie eine eigene Geschichte gestrickt. Es ist wieder eine Suche (auch das keine Überraschung) und wieder begeben sich die Protagonisten auf eine harmlos-gefährliche Reise. Also infantil-gefährlich und für den aufmerksamen Beobacher viel eher harmlos, da das wirkliche Leben in diesen Filmen nichts zu suchen hat.
Auffällig ist: Der Zug hin zur Familie als quasi eschatologisches Endziel. Als wäre Familie an sich ein unbedingt ausnahmslos ausschließlich komplett glücklicher Endzustand, den es unbedingt zu erreichen gilt, koste es was es wolle, ungefragt, niemals zur Diskussion gestellt. Das ist Credo und Mantra des Films zugleich. Dies gilt natürlich auch für die Protagonistin, die ein selbstbestimmtes und selbstbewußtes Leben führt und dieses in Finding Dory wie selbstverständlich aufs Spiel setzt, um eine Art Phantom zu jagen. Die anderen Figuren sind ebenfalls derart pathologisch auf Familie fixiert, dass diese Entscheidung natürlich nicht hinterfragt wird. Einzige kleine Ausnahme ist der Tintenfisch Hank, der uns den einzigen ehrlichen Moment des Films beschert (in den anderen Momenten wird man als Zuschauer nicht ernst genommen): Er kommentiert nämlich Dories Ziel folgendermaßen:
"Hank: It seems like a lot of trouble to find some more fish. If I had short term memory loss, I would just swim off into the blue and forget everything.
Dory: I don’t wanna do that. I want my family.
Hank: I mean, kid, I don’t wanna anyone to worry about. You are lucky. No Memories, no problems."
Ja, einfach ins Blaue fahren, bar jeder belastenden Erinnerung. Ist das nicht das wahre Glück?
Fazit: Finding Dory ist belanglose Mainstream-Dutzendware, die man wirklich nicht gesehen haben muss. Wer Glück hat, ist von schlichtem Gemüt und kann sich dann wenigstens ein wenig unterhalten fühlen. Mehr ist nicht drin.

Endstation Schmerz
Über Frantz von Francois Ozon, Frankreich/Deutschland 2016

Man ist sofort in der Geschichte drin, nach kürzester Zeit, man interessiert sich für alle Figuren und man will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Das ist schon mal ein prima Einstieg.
Die Ausgangssituation: Im Frühjahr 1919 kommt ein junger Franzose in eine deutsche Kleinstadt, um das Grab eines gefallenen deutschen Soldaten zu besuchen, mit dem er vor dem Krieg in Paris befreundet war. Er findet Anschluss an die Eltern und die Verlobte des Toten.
An dieser ersten Stellung der Figuren wird sich im Laufe des Films noch vieles ändern; Frantz ist ein packendes Drama mit vielen Wendungen und zweigeteiltem Charakter: 50% Deutschland und 50% Frankreich. Das gilt nicht nur für die Handlung, sondern für viele Elemente des Films. Die Kombination ist sehr gelungen. Der Stoff ist übrigens von Kult-Regisseur Ernst Lubitsch (1892-1947) und da ist vielleicht das einzige Mini-Manko von Frantz zu erkennen: Diese Wendung des Films am Schluss hin zum melancholischem Epilog gelingt Ozon nicht ganz, das konnten die alten Meister besser. Aber das ist nur ein minimaler Wermutstropfen eines ansonsten durch und durch gelungenen Films.
Fazit: Tolles deutsch-französisches Meisterwerk.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(20.10.16)
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Dieter Wal (58)
(20.10.16)
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Dieter Wal (58)
(20.10.16)
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 Dieter_Rotmund (23.10.16)
Lieber Dieter,

ich kenne diese Herangehensweise, dass ein Film eine pädogogisch wertvolle Botschaft haben muss, aus nicht wenigen Filmgesprächen von Festivals, teile diese Methode aber nicht. Ich bin da mehr Cineast, bei mir steht das Werk in Wechselwirkung mit dem Rezipient im Vordergrund; ein Rezipient, der ernst genommen werden will und muss.
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