Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Der Fall Harvey Weinstein
von Dieter_Rotmund
Im sog. linearen Fernsehen* auf dem Sender 3Sat lief kürzlich eine ausführliche Doku über den (ehemaligen) Filmproduzenten Harvey Weinstein (Unantastbar - Der Fall Harvey Weinstein, GB 2019). Ich konnte es kaum ertragen, dieses Defilee (macht)missbrauchter Menschen - es ist halt eine sehr gut gemachte Dokumentation. Konsequenz aus dem Verhalten des Produzenten: Weinstein ist nun ein verurteilter Sexualstraftäter, Filme produziert er keine mehr.
Anderer, ähnlicher Fall: Der Schauspieler Kevin Spacey. Die Konsequenz aus seinem unrühmlichen Verhalten: Die Filme, in denen er Personen verkörpert, werden im Fernsehen kaum mehr gezeigt. Jüngere Filme mit seiner Mitwirkung wurden nicht veröffentlicht oder bereits fertig gestellte Szenen wurden mit anderen Schauspielern neu gedreht. Spacey ist in der Filmwelt nun eine persona non grata - ähnlich wie Weinstein.
Es gibt aber auch viele Filme, an denen Weinstein sehr maßgeblich beteiligt war: Scary Movie, oder der immer wieder von Comic-Fans so hochgelobte Sin City, oder bei der Firma Miramax die Weinstein-Werke Shakespeare in Love, den Kinderfilm Paddington und der Tarantino-Streifen Django Unchained. Diese Filme werden uneingeschränkt gezeigt. Frage: Wieso gilt für Spacey ein strenger Bann seiner Werke und seiner Mitwirkung, für Weinstein jedoch nicht? Nur wegen der Sichtbarkeit oder eben Nicht-Sichtbarkeit des Beschuldigten?
Andere Frage, die man in diesem Kontext stellen muss: Sollte man Werke und Autor nicht trennen (können)? Ehrt man einen Sexualstraftäter Weinstein, wenn man sich erneut Shakespeare in Love ansieht?
Beispiel: So sehr der Nationalsozialismus auch verachtenswert ist, ich würde gerne Triumph des Willens (1935) im Kino sehen - bitte begleitet natürlich vor Ort durch einen wissenschaftlichen Kommentar. Ist das ein so abwegiger Wunsch? Bin ich damit ein Neo-Nazi? Welche Filme würdet ihr trotz allem gesellschaftlichen Gegenwinds gerne sehen?
Außerdem im Kino gesehen:
Lamb (Island/Polen/Schweden 2021). Erst nach gefühlt 20 Minuten sagt jemand etwas. Herrlich.
The other side of the river (Deutschland/Finnland 2021). Starkes Thema, leider hat dieser Dokumentarfilm massive handwerkliche Schwächen.
The Road (USA 2009). Kitschiges Ende, aber visuell ganz starker Film, der das Thema Hoffnungslosigkeit streckenweise brillant umsetzt. Sci-Fi-Dystopie mit Viggo Mortensen und Charlize Theron, und Robert Duval hätte ich in diesem Obdachlosenlook kaum wiedererkannt... Schön war, dass es danach im Kinosaal ein gutes Filmgespräch mit einem Filmwissenschaftler gab.
*das gerade auf Twitch.tv eine Renaissance erlebt, allerdings ... aber das ist ein anderes Thema