Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Außerdem im Kino gesehen - Folge 12: Der Jugendfilm
von Dieter_Rotmund
Sie sind gerne in Gruppen unterwegs, unsere Jugendlichen. Manchmal gehen sie auch in Gruppen ins Kino und manchmal ist dies nicht nur ein Akt des Vorglühens mit Alkohol und Lachgas, um danach zu späterer Stunde in einen Club zu gehen (was sie im Kino gesehen haben, scheint ihnen dabei egal zu sein), sondern es ist quasi der Hauptakt des Abends: Der Kinobesuch. Für manche dieser Gruppen von Jugendlichen, so ist meine Beobachtung. Sie sehen den Film und reflektieren ihn auf ihre adoleszente Weise, sie imitieren die Figuren, albern herum und machen im weiteren Verlauf des Abend Anspielungen.
Es gibt zwei Arten von Jugendfilmen: Die eine Art, die auf das Zielpublikum Jugendliche zugeschnitten ist. Und die andere Kategorie, die eher zufällig ein Jugendfilm, also ein Film wird, der Jugendliche erfolgreich anspricht. Ein Beispiel für die sehr straight kommerzielle Art ist das deutsche Fuck ju Göthe - Franchise, während The Rocky Horror Picture Show (1975) oder Donnie Darko (2001) sich eher unerwartet für die jeweilige jugendliche Generation als attraktiv erwiesen.
Doch was ist das, ein Jugendfilm? Was macht ihn aus? Die Zeiten, in denen Jugendfilme entstanden, die einen gewissen lehrreich-pädagogischen Anspruch haben mussten, sind dankenswerterweise vorbei. Ein erfolgreicher Jugendfilm muss vor allem Figuren haben, die Identifikationspotential aufweisen. Also Figuren, die die jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauer direkt ansprechen: Ja, so oder so ähnlich will ich auch sein, geht dann in den Köpfen vor. Die Handlung muss dabei Non-Konformität enthalten, weil sich Jugendliche per se immer in ein gesellschaftliches Korsett (Schule, Ausbildung) eingeschlossen und eingeengt fühlen. Das möchte ich gar nicht irgendwie verhöhnen, bei mir war es mehr oder weniger nicht anders. Und dann war man so 14, 15 oder 16 Jahre alt und hat einen Film gesehen, vor dem war man begeistert, da hatte man das Gefühl, die Figuren sind echt und aus dem (eigenen) Leben gegriffen. Der Film verstand einem. Jugendfilm ist keine Ära, kein wirkliches Genre, jede Generation hat ihre eigenen Jugendfilme. Und diese Generationen neigen dazu, diese Filme zu verklären (sie mitunter Kultfilme zu nennen). Das ist menschlich verständlich, denn sie verbinden ein gewisses, positives Lebensgefühl damit. Ähnlich wie bei Popsongs. So wie ein Freund von mir, in den 1990ern jung, der Dr. Albans It's my life immer wieder ganz toll findet. Inzwischen altersweiser geworden, hat er aber auch erkannt: Das ist eigentlich nur nettes, im Grunde belangloses Gedudel, keine große Kunst. Aber er hört es trotzdem weiterhin gerne, weil es eben das positive Lebensgefühl von damals hervorruft.
An einem verregneten Sonntagabend sah ich kürzlich im Kino nun auch einen sog. Jugendfilm, auch aus den 1990ern. Der Kurator, ein Israeli, hatte ihn umständlich besorgt und sogar die Dialoge übersetzt und einfügen lassen, weil es von diesem Film weder eine untertitelte, noch eine deutsche Synchronfassung gab. Der Film war 1996 unter den Jugendlichen in Israel ein großer Hit, aber doch zu israelisch, um ihn für deutsche Verleiher interessant zu machen. Er, der Film heißt Saint Clara, hat alles, was einen erfolgreichen Jugendfilm ausmacht: Eine Jugendgruppe, Revolte, in Kleidung ausgedrückter Nonkonformismus, Action, Sex (als voyeuristisches Schattenspiel), erste zarte Liebesbande und doofe Erwachsene. Allerdings fand ich die reichlich überzeichneten Figuren nicht wirklich überzeugend, und so hat mich der ganze Film nicht wirklich mitgenommen. Warum aber auch? Ich bin nicht in den 1990er in Israel aufgewachsen. Manche Side-Kicks und Neben-Witzeleien schienen mir auch als aufgesetzt und allzu albern-beliebig. Irgendwie nicht durchdacht, ohne Fundament. Also etwas, was Jugendliche als neu und erfrischend empfinden.
Aber es war dennoch ein schöner Kinoabend. Die Vorführung war sehr exklusiv und mit Liebe zum Detail vorbereitet. Übrigens findet zum Schluss ein Pärchen im Kino während des Films zueinander - was kann es schöneres geben?
Der Jugendfilm bleibt ein Phänomen, solange es Jugendliche gibt, die ins Kino gehen. Manche dieser Filme bleiben sehenswert, andere nicht. Letztere sind auch auf jeden Fall interessante Zeitdokumente, die uns einen Einblick geben, was Jugendliche damals gefühlt haben mögen. Es geht ums Gefühl, in Zahlen und Fakten lässt sich der Jugendfilm kaum fassen.