Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Sonntag, 19. November 2017, 12:38
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Auf einem Filmfestival, schon wieder

von  Dieter_Rotmund


Mit Filmfestivals ist das so eine Sache: Wem ich davon erzähle, reagiert meist mit Ooh! und Ach! und will geflissentlich mehr erfahren von der Welt, in der nicht nur höchst exklusiv Filme gezeigt werden, sondern man die Macher auch höchstpersönlich zu Gesicht bekommt und Fragen stellen darf. Viele Menschen zählen Filme gucken und Kino zu ihren Lieblingsbeschäftigungen und zeigen sich interessiert, was das denn für ein Filmfestival sei, von dem sie übrigens noch nie gehört hätten (trotz starker Präsenz in der Presse, Print- wie Online, nebenbei gesagt).
Dann erzähle ich vom diesem Filmfestival, das ich gerade besuche oder vorhaben zu besuchen (im Schnitt kann man etwa pro 50.000 Einwohner je Stadtgröße mit einem Festival pro Jahr rechnen, rein statistisch gesehen, also bleibt bloß dem weltentrückten Uckermarker ein Filmfestival verwehrt, weil das nächste zu weit entfernt ist) und so ensteht in den Köpfen der Zuhörenden ein erster Eindruck.
Natürlich haben viele Filmfestivals irgendwie ein Thema oder ein Leitmotiv, klassisch sind internationale Neuerscheinungen (z.B. Berlinale), Genrebindungen (z.B. Fantasy Filmfest) oder Formatvorgaben (z.B. das Kurzfilmfestival in Oberhausen). Diese Informationen werden von meinem Zuhörenden weiterhin geflissentlich aufgenommen und verarbeitet.
Diese spezifischen Informationen führen dann zu den ersten Ausflüchten, warum man gerade dieses eine Festival meiden müsste: Man sehe grundsätzlich keine deutschen Filme (sic!) , hasse Untertitel oder man bekomme bei 3D-Filmen Kopfschmerzen (offenbar nur auf Filmfestivals, niemals im normalen Multiplex-Mainstreamprgramm), dies nur als Beispiele, die Aufzählung läßt sich beliebig verlängern.
Doch wenn auch diese Klippen umschifft sind, wartet weiteres Ungemach auf mich, wenn ich mich für die Kunstform Kinofilm stark mache: Nach dem ersten gezeigten Interesse mangelt es plötzlich an der konkreten Umsetzung: Plötzlich ist alles andere wichtiger als eine schöner Filmfestivalbesuch oder an jenem Termin passe es zufällig gerade nicht, ansonsten aber jederzeit. Auf Alternativangebote im Termin wird dann meistens gar nicht mehr geantwortet oder so spät reagiert, dass man behaupten kann, für diesen Zeitpunkt schon etwas anderes geplant zu haben. Frustrierend sind dabei oft die genannten Gründe für den Verzicht auf ein grandioses Fimfestival: Tischdeckchen kaufen (den ganzen Tag?), Kaffeetrinken mit anderen Kindergarten-Muttis (ebenfalls den ganzen Tag) oder der Geburtstag des Großvaters drei Tage später (sic, so mir kürzlich erklärt). Wahlweise wird auf meine Filmfestivalbesuchsvorschlag überhaupt nicht reagiert und bei späteren Treffen der Erhalt eben jener Mail einfach verneint.
In Internetforen, wo man sich meistens nicht persönlich kennt, ist der Ton rauher: Ob man denn keine richtigen Probleme habe , ob man zuviel Geld habe oder auch die bräsige Entgegnung für sowas habe ich im Moment überhaupt keine Zeit, was höchst unhöfliche Antworten sind, denn sie sagen aus: Ich bin ein viel besserer Mensch als Du, Du nichtsnutziger, widerlicher Filmfestivalbesucher, der Du mich mit deinen freundschaflich-netten Vorschlägen nervst, auf ein Filmfestival zu gehen, was für ein Affront!
Nun denn, dann gehe ich oft (wenn auch nicht immer) allein auf das Filmfestival. Es ist ja nicht so, dass auf diesen Festivals keine Zuschauer sind, im Gegenteil, vor allem die Abendvorstellungen sind oft bis auf den letzten Platz besetzt. Nur eben nicht von den Menschen, die ich davon zu überzeugen versuche.
Just auf dem im Moment von mir besuchten Filmfestival gesehen, sehr exklusiv, wenn man bedenkt, dass die Filme quasi zu gut sind, um in deutschen Kinos zu laufen und voraussichtlich bestenfalls ein einziger Sender diese Werke einmal nach 23 Uhr versendet :
When You Least Expect It, estnisch-isländische Koproduktion von 2017. Tolles heiter-melancholisches Drama um erwachsene Themen. Klasse gemacht.
See you in Texas, Italien 2017
Schöne, langsame erzählte Geschichte um eine junges Pärchen, das in Norditalien Landwirtschaft betreibt, aber auch noch Träume hat.
und
Origami, Kanada 2017
Eine Art Psychothriller mit Sciene-Fiction-Element, könnte man sagen. Kommt zunächst recht konventionell daher, wird dann aber schnell sehr spannend.
The Swan, Island/Estland/Deutschland 2017
Vielleicht etwas zuviel schwermütige Geschichtenerzählerei aus dem Off, aber dennoch gerne gesehen.
Redhead, Iran 2017
Meiner Meinung nach funktioniert diese Kombination aus Emir-Kustuurica-Zirkus (vgl. Schwarze Katze, weißer Kater aus dem Jahre 1995) und einem grundsätzlichen Wilder-Westen-Thema nicht. MIr hätte besser gefallen, man wäre ganz bei letzterem geblieben. Hauptfigur allerdings sehr überzeugend, das Highlight des Films, obwohl sie nur wenig Dialogzeilen hat.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

toltten_plag (42)
(16.11.17)
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toltten_plag (42) meinte dazu am 16.11.17:
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Graeculus (69) antwortete darauf am 16.11.17:
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 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 16.11.17:
Nun, es entsteht hier der Eindruck, man müsse bei einem Filmfestival unbedingt mindestens drei Filme am Tag und hintereinander gucken. Das ist natürlich nicht so.
Ich habe Verständnis dafür, wenn die Preise hier und da abschrecken. Da hilft: Ins Programm gucken und diesen einen Film, den man sehen will und der ins Budget passt, gezielt auswählen und hingehen.
Mir persönlich geht auf den Wecker, dass viele Menschen so offen und kulturbeflissen tun, diese aber auf kaum eine Kulturveranstaltung gehen, ja regelrecht fremdeln damit. Und dann noch diese saublöde Voruteil, Kultur sei anstrengend, da müsse man sich reinkinien etc.
Sog, Lippenbekenntnisse hört man oft und richtig, richtig frustierend ist, habe ich kürzlich mitbekommen, dass für viele Familien mit kleinen Kindern an samstäglichen Regentagen der IKEA-Besuch auf dem Programm steht. Ich finde das armselig. Dann lieber überhaupt keine Kinder zeugen und die Samstage besser verbringen. Keine Mensch(heit) braucht Kinder, wenn wir ehrlich sind. In diesem Zusammenhang empfehle ich den grandiosen Children Of Men von 2006.
toltten_plag (42) äußerte darauf am 16.11.17:
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 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 19.11.17:
Habe nun noch die letzten beiden Filme ergänzt, die ich gestern und vorgestern sah.

Davon hat See you in Texasden "Grand Newcomer Award" gewonnen und Origami die "Empfehlung der Kinobetreiber für einen Film aus dem Wettbewerb, welcher in den deutschen Kinos veröffentlicht werden sollte", was keine Überraschung ist. Es gab auch noch andere Preise, aber diese Preisträgerfilme habe ich nicht gesehen.
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