Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 03. November 2021, 16:07
(bisher 109x aufgerufen)

Kino kann überall sein

von  Dieter_Rotmund


Kino kann überall sein. Ein LED-Fernsehgerät mit übergroßer Bildschirmdiagonale macht noch lange kein Kino. Entscheidend ist, so meine ich, dass sich im Grunde wildfremde Menschen treffen, um in einem leicht zeremoniellen Rahmen einen Film anschauen. So war ich in den letzten Wochen zwei Mal auf einer Veranstaltung des "Festivals der Generationen" (festival-generationen.de). Dort werden sorgfältig ausgewählte Filme gezeigt, die sich mit Generationenkonflikten, finalen Lebenszielen und dem Älterwerden auseinandersetzen. Der Eintritt ist frei und fast der gesamte Südwesten, von der Pfalz über Frankfurt bis in die Stuttgarter Gegend, beteiligt sich daran. Es geht dabei um zwei Dinge, nämlich um das Gemeinschaftserlebnis Filmgucken und hinterher zu einem Gespräch zusammenzukommen. Das Gespräch ist keine Pflicht, überhaupt ist das Festival recht zwanglos organisiert. Nur wenige Termine finden in "echten" Kinos statt, Leinwände und Projektionstechnik sind oft eher ein wenig improvisiert. Für mich war es die spannende Möglichkeit, einmal Kino in einem anderen äußeren Rahmen zu erleben. Der erste Termin, den ich wahrnahm, war in der Schulmensa in einem kleinen Ort im Odenwald, der zweite war in einem ehemaligen Thermalbad, jetzt ein Saal, der überwiegend für religiöse Rituale (sog. "Gottesdienste") benutzt wird. Die gezeigten Werke waren das eine Mal die schweizerische Komödie Die Herbstzeitlosen (2007) und das andere Mal der deutsche Dokumentarfilm Über Grenzen (2019).
Die Herbstzeitlosen ist zwar ein etwas betulicher, dennoch in sich runder Film. Leider wurden die in schweizerdeutsch gesprochenen Szenen sehr schlecht synchronisiert. Es geht im Mikrokosmos eines schweizerischen Dorfes in der Jetztzeit darum, welchen Ziele für alte Menschen noch als gesellschaftlich tragbar gelten. Daraus rührt natürlich der handlungsantreibende Grundkonflikt (der auch problemlos den ganzen Dilm trägt) von Die Herbstzeitlosen. Was Martha Kost (Stephanie Glaser) als quasi letztes Lebensziel plant, stößt auf Widerstände.
Über Grenzen ist ein erfrischend konventionell gemachter Dokumentarfilm über eine rüstige hessische Rentnerin, die auf einem Leichtmotorrad (so sagte man früher) eine über dreimonatige Tour zum hintersten Winkel Südosteuropas (nun ja, es ist schon ein wenig umstritten, ob Usebekistan zu Europa zählt, aber anyway) und darüber hinaus in den Iran macht. Die Dokumentarfilmer von Über Grenzen sind etwas zu sehr in ihre Filmdrohne verliebt, stattdessen hätte man vielleicht eher ein paar ordentliche Interviews machen können (nicht so zwischen Tür und Angel)? Dennoch: Daumen hoch für dieses Werk, dass auch die Gesellschaftskritik der Protagonistin nicht ausspart (Kopftuch!) - und angenehm ist auch, dass es nicht gleich um die Rettung der Welt geht, wie in derzeit vielen Dokumentarfilmen im Kino.
Außerdem war ich noch in konventionellen Lichtspieltheatern. In Es ist nur eine Phase, Hase (D 2021), der wie ein im Grunde gelungenes Drama wirkt, der man mit dem Baseballschläger zur Komödie geprügelt hat. Christiane Paul spielt Christoph Maria Herbst übrigens an die Wand, finde ich. Muss man nicht unbedingt gesehen haben.
The French Dispatch (USA/D 2021). Wes Anderson-Film mit der ihm üblichen Starbesetzung: Brody, Swinton, Seydoux, Wilson, Murray, um nur einige zu nennen . Etwa 5 hintereinander erzählte Geschichten, die nur eben über diese Zeitung, The French Dispatch, lose verbunden sind. Dadurch wird man mit keiner Figur so richtig warm und es wirkt insgesamt etwas steril. Aber das ist nur ein kleines Manko, The French Dispatch ist visuell hervorragend umgesetzt, hier ein klares "Muss man gesehen haben" dazu, denn erzählen kann man so ein Werk nicht. Übrigens mit einem feinen Sprachspiel Englisch/Französisch. Sich eine deutsch synchronisierte Fassung anzusehen, verdirbt den Film vollends. Ich empfehle OmU.
Die Verschwundene, orig. Seules les bêtes, Frankreich/Deutschland 2021. Toller Thriller, der nur in ausgewählten Kinos kommt. Ein Film wie eine Zwiebel: Was sich tatsächlich um die titelgebende Verschwundene abgespielt hat, wird scheibchenweise enthüllt, ultraspannend und beklemmend!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram