Tinte und Feder

Brief zum Thema Liebeserklärung

von  Sylvia

Es heißt, die Sonne sticht extrem, bevor ein Gewitter herannaht.
Friedas Kopf wird von einem riesigen Basthut geschützt, der mit bunten Papierblumen geschmückt ist. Verschiedene Pappbuchstaben formen den Schriftzug  *ABI1989*.
Die Haut ihrer Hände und Arme ist stark gerötet. Frieda starrt auf ihre verbrannte, zittrige, rechte Hand, die hilflos einen Kugelschreiber hält. Das kurze Metallkettchen am Stift klirrt leise an der Hülle. Es erinnert sie an Glocken. Glockentöne, hell und fröhlich.
Der leichte Rosenduft, der in ihre Nase steigt, weckt sie aus ihrer Gedankenstarre. Sie muss schreiben, sie muss, weil es ihr wichtig erscheint. Soviel, das sich in ihr staut, möchte sie auf einem Briefbogen verbannen.
Zwei Stunden sitzt sie vor dem Bogen mit einem Wasserzeichen. Wasserzeichen im wahrsten Sinne des Wortes, ein Segelboot mit geblähten Segeln. Das Boot hat es gut, da es seinen Ballast abwarf. Es wirkt beruhigend, fast friedlich. Das ist ihr Boot. Frieda kann es vor sich sehen, der Hafen, Priel, Tide. Sie spürt die frische Brise, wobei einige Tropfen der Gischt ihr Gesicht treffen. Die Möwen hört sie schreien, die Wellen klatschen und das Salz des Windes riechen. Frieda erkennt, sie darf den Briefbogen nicht durch einen Kugelschreiber verunstalten. Das wäre zu lieblos. Vor zwanzig Jahren schrieb sie liebend gerne mit Feder und Scriptol. „Wann hörte das auf und warum?“, fragt sie sich, doch es ist ihr entfallen.
Eiligst betritt sie ihr Schlafzimmer. Unterm Bett liegt ihr Schatzkästchen, das sie öffnet und lange den Inhalt betrachtet, bis sie sich ihre damaligen Schreibutensilien schnappt.
Die Schmerzen in ihren Armen spürt sie nicht. Sie öffnet die Scriptolflasche. Die Tinte ist hart und unbrauchbar.
„Mist, ausgerechnet jetzt. Es ist wichtig, den Brief zu schreiben.“
Spalten: 1
Nochmals wühlt sie durchs Schatzkästchen und findet eine unbenutzte Flasche. Vorsichtig tunkt sie die Feder in die Tinte. Der vertraute Geruch steigt ihr in die Nase. Sie atmet ihre Erinnerungen ein, wie eine Erstickende. Ihr wird leichter zumute. Kurz senken sich ihre langen Wimpern. Ihre Hand ist ruhig, als sie die Feder aufs Papier setzt. Das kratzende Geräusch verursacht ihr eine wohlige Gänsehaut.

Ich wollt euch so viel schreiben, meine Kleinen,
doch es ist nicht mehr wichtig. Ihr seid in mir und ich in euch.
Ich hinterlasse euch ein Segelboot, dort könnt ihr mich immer winken sehen.
Mein letzter Wunsch:
Seid glücklich, ich sehe und höre euch gerne lachen.

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Kommentare zu diesem Text

steyk. (55)
(04.09.09)
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 Sylvia meinte dazu am 05.09.09:
Danke dir Stefan....
ein Thema, das man gerne mal wegschiebt....

Hab ein schönes WE
LG Sylvia
elvis1951 (59)
(04.09.09)
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 Sylvia antwortete darauf am 05.09.09:
Huhu Klaus,

schreib über deine Schreiberinnerungen...ich finde es spannend...lächel...
Allein schon der Tisch mit eingebautem Tintenfass....herrlich

Liebe WE Grüße von Sylvia

Ach, und danke für deinen erheiternden Kom...
Lena (58)
(05.09.09)
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 Sylvia schrieb daraufhin am 05.09.09:
Toller Kom, lütte arja....aber bis deine Lieder und Reden und sowas vorgeführt werden, vergehen noch 40 jahre...mindestens...grins

drück zurück...lustig, reimt sich
sylvia
Lena (58) äußerte darauf am 06.09.09:
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 Sylvia ergänzte dazu am 06.09.09:
..ich bestell schon mal die Rampe.....lach...damit auch alles klappt auf dem move..
Lena (58) meinte dazu am 06.09.09:
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 Sylvia meinte dazu am 07.09.09:
...neee bloß keene hörgeräte....die wippen dann im ohr....
let's rock....grins
Dieter Wal (58)
(10.09.09)
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 Sylvia meinte dazu am 10.09.09:
Nein Dieter...lä...kein suizid....die Protagonistin weiß, dass sie demnächst an ihrer krankheit stirbt..und möcht ihren Kindern was hinterlassen....die Autorin erfreut sich bester Gesundheit....

LG Sylvia
(Antwort korrigiert am 10.09.2009)

 Lala (20.04.10)
Hallo Sylvia,

ich stolperte beim ersten Lesen hierüber:

Sie öffnet ihre Scriptolflasche. Die Tinte ist hart und unbrauchbar. „Jetzt nicht, es ist wichtig, dass ich jetzt den Brief schreibe.“ Sie durchsucht nochmals ihr Schatzkästchen und findet eine Flasche, die noch unbenutzt war.

Wie heißt der Text? Tinte und Feder. Warum beschreibt man einen vergeblichen Versuch des LIs seine Feder in ein ausgetrocknetes Scriptolfläschchen zu tunken? Weil illustriert werden soll, dass kein Saft mehr im LI ist? Mag sein, ich tendiere aber dazu, in der Feder eine Spritze und in der Tinte ein Medikament oder eine Droge zu sehen. Aber auf jeden Fall etwas, was nicht mehr wirkt, bzw. findet die Spritze, die Feder keine Ader, Tinte mehr und die lindernde Wirkung für die Briefschreiberin ist auch bei nahe Null.

Das Bild mit Tinte und Feder finde ich gut. Verblüffend und gut. Aber mir fehlt das Hadern des LIs - oder überlese ich es? Das LI schließt so friedfertig ab und setzt eine letzte Botschaft von der Insel der Unrettbaren quasi per Flaschenpost ab. Was fehlt mir? Vielleicht sowas wie: Mein Gott, warum hast Du moich verlassen. Aber Frauen, das LI mehme ich als Mutter wahr, sind schon immer stärker im Nehmen gewesen.

Gruß

Lala

 Sylvia meinte dazu am 20.04.10:
Huhu Lala,

die festgewordene Tinte, sicher hätte man darauf verzichten können, aber mir erschien es wichtig. Die Frau stirbt, sie hat kleine Kinder und hat Angst. Sie will ihren Kindern etwas bleibendes vermachen, etwas von ihrerm ureigenem. Und dabei stößt sie auf das hart gewordene Tintenfass. Ein Auslöser dafür, was sie früher gemacht hatte, was sie noch machen wollte und was tatsächlich verwirklicht wurde. Diese abschweifenden Gedanken kann sie sich nicht leisten. Die Kids sind wichtig und gleichzeitig trauert sie über ihr eigenes versagen, nicht vollendet zu haben, nicht weiter ihren hobbys nachgegangen zu sein usw. Ein Zeichen dafür, dass sie ihr restliches Leben und ihr Hardern nicht offensichtlich zur Schau stellen möchte.

Das getrocknete Tintenfass ist sinnbildlich ihr zurückstellen der eigenen Bedürfnisse, Hobbys und sonstigem zugunsten ihrer Kinder.

Du hast aufmerksam gelesen, danke

Lieben Gruß
Sylvia

 Lala meinte dazu am 21.04.10:
Hallo Sylvia,

da ritt mich doch der Gaul meiner Fantasie, als ich an ein Drogistenspritzbesteck bei Tinte und Feder denken musste. Trotzdem gefällt mir dieses Bild nach wie vor. Das eingetrocknete Fass, ließ mich an die Schwierigkeit mancher armen Teufel denken eine Ader zu finden, so durchstochen wie sie sind.

Aber es wäre ja auch langweilig, wenn wir alle Texte und Bilder identisch verstehen würden.

Gruß

Lala

 Sylvia meinte dazu am 21.04.10:
Stimmt...aber ich kann dir KARIERTGESTREIFTE SONNENBLUMEN empfehlen...da bekam ich Tinte und Feder nicht unter....dennoch denke ich auch das wäre lesenswert...

Danke dir
Lieben Gruß
Sylvia
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