Offener Brief eines erschrockenen Vaters

Gedicht zum Thema Allzu Menschliches

von  ViktorVanHynthersin

Ich bin furchtbar entsetzt und verunsichert
und das schon seit geraumer Zeit.
Auch bin ich mir nicht im Klaren darüber,
wie ich es den Kindern erklären soll.

Natürlich waren wir gegen den Kommerz,
wollten mit den Konventionen brechen,
haben es jedes Jahr aufs Neue verflucht
und uns doch wieder darauf eingelassen.

Das der Trubel jedes Mal früher beginnt,
der Verpackungswahnsinn Blühten treibt,
die Umsatzkurven senkrecht steigen,
war so klar, wie die Schlangen an den Kassen.

Nicht steigerungsfähig, dachte ich bislang,
doch ich wurde eines Besseren belehrt.
Nicht nur, dass uns die Industrie neppt,
nein, jetzt persifliert sie uns auch noch.

Wo sind die schreiend-bunten Märkte,
die mit Watte und Flitter geschmückt
vom Walde her uns alle Jahre wieder
Augen, Ohren und Mägen verderben?

Stattdessen finden wir überall Nester,
mit Nougat-, Krokant- und Marzipaneiern
und umverpackte Weihnachtsmänner
in plüschiger Osterhasen-Alu-Tracht.

Ober haben sie in den letzten Wochen
Lebkuchen oder Plätzchen gesehen?
Wo gibt es noch Weihnachtsbäume?
Und wie sage ich es den Kindern?

03.04.2010

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