Eine Weihnachtsgeschichte

Szene zum Thema Fantasie(n)

von  Mac

Als zögen Violinen über das Land,
Als ginge Musik gar niemals zur Neige -

Sag, wie oft hat jemand seine Schlaf-statt verlassen, mit dem Gesicht des Entsetzens,
um den Glauben zu verlieren; wie oft hat einer sich über der Ohnmacht den Krieg erklärt;
wie oft er sich dem Leben abgesagt und

sag, wie oft hat einer sich umgesehen um endgültig blind zu werden? -


Die Kerzen flackern als würden sie ihn schon sehnsüchtig erwarten. Gebannt schaue ich aus dem Fenster. Die Wettervorhersage brachte es eben in den Nachrichten. Heute Abend soll es soweit sein. Der erste Schnee. Und das ausgerechnet zu Heiligabend.
Was interessieren mich Geschenke oder Festtagsmenues. Mit dem Schnee wollte ich Bescherung feiern. Wollte die tanzenden Schneeflocken bewundern bis ich selbst zum Schnee würde. Pas de deux mit Sisi, meiner Lieblingsschneeflocke.
Angestrengt starrten meine etwas kurzsichtige Augen in die Dunkelheit, bis mich ein leises Lachen ablenkte.Oberhalb meiner Stirn klebte die erste Schneeflocke am Fenster. Kichernd rannte sie anschließend, langsam schneller werdend, das Fenster hinunter. Ihre Schwestern tanzten, Zahlreicher geworden, dem Boden meines Gartens entgegen, verbanden sich dort einander umschlingend zu einem weißen, strahlenden Parkett.


Stell dir vor,
stell einer sich vor: Im Niedergang des Schneekorns reißt einer die Augen auf wie er dort sitzt
im Tumult der Geschichte um die Welt anzuschauen; sieht der Welt zu, und sein Land wird
mild und weit und groß wie Kunstfiguren.


Es war soweit. Mein Pullover fiel als erstes zu Boden, die Schuhe flogen in die Ecke. Nackt öffnete ich die Tür und betrat das Tanzparkett. Durch meine Fußsohlen vernahm ich ein millionenfaches „Jaaaaahhh.“ Die feurige Energie der Flocken strömte durch meinen Körper und ließ ihn aufglühen.Ein unendlich stimmiges Wispern: „Sie kommt!“, verband sich mit meinem Aufstöhnen.
Langsam fiel mein Kopf in den Nacken. Ich schaute hoch und sah, leuchtend wie ein Diamant schwebte sie auf mich zu; Sisi, die Kaiserin aller Schneeflocken. Aus ihrem kristallinen Herzen flossen Kaskaden von regenbogenfarbigen Lichtern, welche die Umgebung erhellten. Gleichzeitig fühlte ich mich durch die Kraft ihrer Schwestern schwerelos, stieß mich vom Boden ab und gelangte auf die gleiche Höhe. Der Reigen begann. Ja. Ich. Franzel. Tanzte mit Sisi, meiner Schneeflockenkaiserin. Ein sanftes Auf- und Abgleiten, ein sich Abwenden und Zurückkehren. Im Schutze aller Schneeflocken tanzten wir bis uns die Erde umfing.


Stell einer sich vor:
wer hätte die Welt begriffen, hätte er nicht den tiefsten Ton Musik gehört, hätte er nicht den weitesten Raum einer Landschaft gespürt; - beim leisen Flug der Flocke den Arm ums Leben zu
legen für den Sanftmut eines Winters.


Mit einem letzten „Ich liebe Dich“ wirbelte Sisi auf meine Lippen , so dass ich sie behutsam mit meiner Zungenspitze streicheln konnte, sie in meinen Mund nahm, kostete, und sie danach mit all meiner Zärtlichkeit trank. Ihre Energien tobten wie ein entfesselter Vulkan durch meine Blutbahn. Ja, jetzt wusste ich. Ich würde den nächsten Sommer unversehrt überleben.


Stell einer sich vor!,
da sitzt ein Mensch, sitzt dort mit hochgeschlossenen Kragen, im Wind, mit Schal und Handschuh, mit Schneehauben im Schoß, mit ein bisschen Glück und zieht den Geigenbogen übers aufgegangene Land. -




Es ist endlich Weihnachten.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (12.12.16)
WUNDERbar!

Liebe Grüße und frohe Weihnachten ...
Llu ♥

 Mac meinte dazu am 13.12.16:
danke Llu, :). dir auch eine frohe weihnacht! lg mac
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