Der Anachoret

Kurzgeschichte zum Thema Isolation

von  Pingui

Der Mann saß auf dem bereits abgesessenen Stuhl. Kerzenschein erhellte den abgedunkelten Raum, während die Nacht eine gewisse kühle Brise mit sich brachte, Tintenfässer lagen überall im Raum verteilt und das Werk der Worte, an welchem der Mann arbeitete, lag vor ihm auf dem, völlig mit Tinte verschmiertem, Schreibtisch.
Heute wollte er sein Werk vollenden und schon bald sollte es präsentiert werden.
Der Autor vollendete soeben seinen letzten Satz: "Auch die Unschuldigen trifft das Schicksal"....

Schicksal...das war es wohl auch, dass er nach der Vollendung vor Ermüdung den Kopf fallen ließ und auf den tintierten Seiten einschlief. Auch der Regen, der stetig lauter wurde konnte ihn nicht mehr aufwecken. Der Freigeist seiner Dinge unterlag dem völligen Tiefschlaf.
Der Mann hatte sich nie etwas zu schulden kommen lassen, wie sollte er es auch? Er hockte ja ständig in seinem Raum der Bestätigung. Durch sein Schreiben und zeitgleiches Nachdenken erhielt der Autor die Lösungen für all seine Gedankenzüge. Die Bilder, die er sich von Gott gemacht hatte, verfeinerte er jeden Tag mehr und mehr.
-
Der kritisch Denkende erlitt noch diese Nacht sein Schicksal, wie auch Jesus, der für seine Fehler und die Sünden aller Menschen sein Schicksal erlitt, so geschah es auch mit ihm. Auf völlig anderer Art, sei gesagt, Jesus opferte sich um Meinungsfreiheit zu erkämpfen und der kritisch Denkende zerstörte all diese göttlichen Bilder, indem er sie auf schamlose Art und Weise herabsetzte.
All seine Werke brannten lichterloh aus, die Asche lag überall auf dem Fundament des ausgebrannten Hauses. In dem halbverbrannten Schreibtisch, der als einziges Element übrig blieb, fand man die Aufschrift "Auch die Unschuldigen trifft das Schicksal"
Die herrschende Idylle, die vom verbrannten Haus zum nahe gelegenen Weizenfeld strahlte, übertraf sich selbst.

~100 Jahre später war nichts mehr vom verbrannten Haus zu sehen, im Gegenteil: Durch den Brand entstand ein nahezu perfekter Boden. Der fruchtbare Boden besaß alle Nährstoffe und Mineralien, selbst Wasserzufluss hatte das Feld fast täglich, durch das Wasser, das in Form von Regen vom Himmel kam. Eigentlich perfekte Bedingungen für die Verarbeitung zu Brot....


Anmerkung von Pingui:

Normalerweise besitzt eine Kurzgeschichte keine lange Zeitspanne, jedoch sah ich den letzten Abschnitt in diesem Falle angebracht.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (25.06.11)
Der zunächst latente, dann offen gezeigte Christizismus schadet dem Text nicht nur sehr, es zerstört ihn.

(Christizismus = was der Islamismus für den Islam ist; ich hab's jetzt nicht extra nachgeschlagen, vielleicht nur ein mißglückter Neologismus von mir...)

 Pingui meinte dazu am 26.06.11:
Vielen Dank. Sehr guter Einwand, jedoch soll dieser christizismus in diesem fall ja gerade herausstechen und die se these von dir darstellen.
Verstehst du was ich meine?

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 05.09.19:
Nein.
Eisbäry (19)
(25.06.11)
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 Pingui schrieb daraufhin am 25.06.11:
Vielen Dank :)

 princess (26.06.11)
Lieber Benni,

also, "Anachoret" musste ich jetzt erst mal googeln... um festzustellen, dass du dir da ein ziemlich komplexes Thema vorgeknöpft hast. Auf jeden Fall eines, zu dem ich keine vorgefertigte Meinung mitbringe. Also bin ich erst mal neugierig.

Die ersten beiden Absätze deiner Geschichte finde ich gelungen. Flott und frisch geschrieben. Der dritte Absatz gefällt mir nicht so gut. Er liest sich für meinen Geschmack so, als wollest du unbedingt eine (christliche) Botschaft verkünden. Das empfinde ich als zu plump. Ich bin allerdings auch eine der schrecklichen Leserinnen, die Inhalte unbedingt selbst entdecken möchten.

Nach der Lektüre habe ich vor allem eines: Lust, mich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen. Und wer ist daran schuld? DU! ))

Liebe Grüße, Ira

 Pingui äußerte darauf am 26.06.11:
Erst einmal vielen Dank :)
Okay das stimmt schon er wirkt so als ob ich mit etwas überzeugen würden will, jedoch will ich zeigen das zu viel auch nicht gut ist. Hast du vielleicht eine idee wie ich es ändern könnte?
Liebe Grüße

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 26.06.11:
Ich verstehe das durchaus, aber hier ist das alte Sprichwort "Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet" wohl angebracht...

 princess meinte dazu am 26.06.11:
Mir hilft in solchen Situationen am ehesten Luft reinlassen (in Kopf und Text) und tüfteln. Hilfreich könnte ein Perspektivenwechsel sein mit zwei Fragen: Was genau möchte ich eigentlich sagen? Und: Wie sähe der Text aus, den ich selber lesen möchte? Für mich sind das jedenfalls gute Zugänge. Vielleicht magst du ja damit experimentieren.

 Pingui meinte dazu am 26.06.11:
Okay ihr beiden. Ich danke euch für die guten Ratschläge. Ich werde jetzt die nächsten Tage mal daran rumtüfteln und euch dann im Gästebuch darüber informieren
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