Alles_1_und_0

Text zum Thema Alltag

von  Leahnah

Dieses kleine Dreckding macht einfach nicht, was ich will. Schon wieder sind wichtige Termine im Nirwana der Byte verschwunden.
Also schnell bei Tina anrufen und die Termine und Daten für heute erhalten. Tina ist meine Perle, alle Termine und Wichtigkeiten sind bei ihr gespeichert. Wie noch vor 30 Jahren, als es nur wenige unhandlich große Computer gab.

Tina hat immer alles fein säuberlich auf Listen, Zettel, in Büchlein eingetragen und dadurch auch fest in ihrem Kopf, jederzeit abrufbar. Ja, sie ist eine Meisterin der guten alten Karteikarte!
Wenn ich mit meinen Terminvorgaben via Netz dazu komme, sehe ich innerlich ein Lächeln über ihr Gesicht huschen. Dann kommen bestimmt irgendwelche Anmerkungen, wie ich denn zur selben Zeit die Schulung in Berlin und das Meeting in Potsdam durchführen will.
Aber auch ein Lob, denn die Orte sind nicht so weit voneinander entfernt. Und das Blitzen in ihren Augen spüre ich auch bis hier her.

Ich bin wohl in ihrer Hand. Das auch absolut gern. Führt mir klar und deutlich meine Unfähigkeit vor Augen, mit diesem technischem Wahnsinn zusammen vorwärts zu gehen.

Wobei es mir ja auch einen Riesenspaß bereitet, mir immer die neuesten Geräte zeigen zu lassen. Danach liegen dann mindestens fünf Geräte mit unterschiedlichsten Besonderheiten vor mir und ich muss mich entscheiden.

Gar nicht so einfach, vorhin war es wieder soweit. Frisch aus den Messehallen kommend, übervoll mit den Eindrücken und jetzt auch eines der absoluten mobilen Bürohelferlein in meiner Hand. Klein, na ja, eher eine Größe, die noch vor gut 10 Jahren meine Kinder zu dem vernichtendem Urteil veranlasst hätte: “Was ist das denn, eine Telefonzelle?”.

Doch der Trend ging eben von immer kleiner und unscheinbarer werden zu denen mit den bedienungsfreundlicheren Berührungsfeld.
Gut sichtbar, alles in einem Gerät.
Wenn ich da an diese ersten Mobiltelefone denke, die waren noch mit Sendekästen und Telefonhörern ausgestattet. Erreichbarkeit war in manchen Gebieten nie zu bekommen, schwer waren sie auch. Aber wer etwas was auf sich hielt und eines dieser Monster mit sich herumschleppte – ja, der stellte etwas dar.

Und jetzt bin ich hier am Verzweifeln, dieses Multifunktionsbüro funktioniert so gar nicht, jedenfalls nicht auf das, was ich so dachte, damit tun zu können. Jetzt bleibt auch der Bildschirm, oder wie auch immer das jetzt heißt, schwarz. Nichts geht mehr. Also mein uralt Mobiltelefon (ja es ist schon älter als 6 Monate) wieder aktivieren und bei Tina anrufen.

Natürlich erzähle ich ihr alles von meiner neuen Errungenschaft.
Auch von den weiteren netten Ausstattungen, die ich für das Büro geordert habe.
Denn, wenn Tina auch immer noch mit Stift und Papier hantiert, sie ist einfach gnadenlos im Erfassen und Bereitstellen jeglicher Belange über das Netz, bis in den hintersten Winkel von Hintertupfingen.
Gegen diese Perle an Informationsverarbeitung kommt auch in einigen Jahren noch nichts Vergleichbares. Gut, dass sie mir schon vorher genau aufgelistet hat, was sie wofür haben will.
Natürlich auch gleich die genaue Bezeichnung und den Verhandlungspreis. Denn das ist dann meine absolute Stärke, diesen Grundpreis soweit zu meinem Vergnügen herunter zu handeln. Ich bin gefürchtet, denn dass ich so gar keine Ahnung von dem habe, was damit zu machen war, wissen meine Verhandlungspartner ja nicht.
Tinas Briefing war einfach unschlagbar. Wie schon vorher gesagt, gegen Tina kommt kaum jemand an.
Nun hatte ich ihr alles schön ausgebreitet und ihre einzige Frage:

“Und was funktioniert jetzt an deinem neuem Büro nicht”

Ich konnte die Begeisterungsfunken förmlich spüren.

Gibt es etwas, was sie nicht schon vorher weiß? Wohl nicht.

Also erzähle ich ihr von meinem Kampf mit den Tücken der Neuerwerbung.

Ein schallendes Gelächter drang an mein Ohr und die Frage:

“Hast du denn zuerst auch einmal den Akku geladen”.

© Leahnah

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