Helmut.

Text

von  nihil

Helmut war mir von Anfang an ein Rätsel.

Das sogenannte Buch mit den berühmt-berüchtigten sieben Siegeln.
Ich bezweifle, jemals eines dieser Siegel auch nur annähernd zerbrechen zu können; nicht mal einen Kratzer hat es bisher an Schaden genommen.
Zu gerne würde ich all diese Siegel zerstören, um endlich in ihm zu lesen, in sein Innerstes vorzudringen.
Erfahren, was ihn beschäftigt, ihn in seinem tiefsten Innern bewegt.
Doch eine innere Stimme gemahnt mich, nicht in ihn zu dringen, meine Neugierde zu zügeln.
Das Wissen, die Erfahrung, welche er verbirgt und hütet, sind nicht für meinen begrenzten Horizont bestimmt.
Ohnehin wäre ich nicht in der Lage, ihn jemals auch nur im Entferntesten zu verstehen.
Zu geheimnisvoll, exotisch oder gar außerweltlich mutet sein Wesen, ebenso sein Erfahrungsschatz an.

Vermutlich.

Vermutlich würde mich dieses -womöglich für mich ohnehin unnütze- Wissen nur irritieren, verstören.

Leider ist er ein sehr wortkarger Zeitgenosse.
Als wir vor nahezu drei Jahren zusammenkamen, war sein Schweigen oft eine beklemmende Last für mich - offengestanden ist es dies von Mal zu Mal immer noch.
Ein Schweigen, welches er nur bricht, wenn es um die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse geht. Oder er Belanglosigkeiten austauschen möchte, was jedoch äußerst selten der Fall ist.
Ansonsten - Schweigen.
Ignoranz.

Meistens geht er mir aus dem Weg.
Ich frage mich, warum er mich auserwählt hat und nun schon so lange Zeit an meiner Seite verweilt.
Bin ich seiner noch nicht überdrüssig?
Ist es Bequemlichkeit, welche ihn weiterhin an mich, die Umgebung bindet?

An gewissen Tagen erscheint er mir gar -ich weiß es nicht anders zu benennen- unpässlich.
Nein; er erscheint mir nicht nur unpässlich; in der Tat ist er oft -für mich aus unerfindlichen Gründen- gereizt, nahezu ungenießbar.
In solchen Momenten meide ich ihn mehr denn je, da er leider auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckt.
Doch der Schmerz und die Narben vergehen, verblassen; immer wieder aufs Neue.
Wie könnte ich ihm dies nachtragen?
Denn meine Liebe zu ihm ist unerschütterlich.
Ich bin ihm ergeben.
In gewissen Momenten vermute -oder hoffe- ich, er bereut seine Kontrollverluste - sofern er so etwas wie Reue zu empfinden imstande ist.
Doch je mehr ich darüber nachdenke, ist es nur eintönige Gleichgültigkeit, welche er allzuoft äußerst gelangweilt an den Tag legt.
Gleichgültigkeit.
Langeweile.
Ignoranz.
Egozentrik.

Jedoch könnte ich niemals einen Groll gegen ihn hegen.
Die Schönheit und Reinheit, die er verkörpert, lassen mich ein jedes Mal vergessen, was er mir kurz zuvor an Leid, Schmerz und Erniedrigungen zufügte.

Er hat ein -aus meiner Sicht, doch stille Wasser sind ja bekanntlich tief- schlichtes Gemüt.
Aber ich könnte mich nicht erdreisten, über ihn zu urteilen.
Ihn als Persönlichkeit zu bewerten oder gar zu entwerten.
Dies gliche annähernd Blasphemie.
Denn Helmut ist eine erhabene Lichtgestalt. Ein engelsgleiches Wesen.

Wohl täusche ich mich und unterschätze ihn zuweilen, da mein Charakter doch so viel schlichter ist als seine tiefsinnige Unergründlichkeit.

Oft erscheint mir sein Handeln boshaft; dies sind jedoch nur plumpe Begrifflichkeiten eines niederen Wesens.
Plump. Einfach. Boshaft.
Helmut weiß nichts anzufangen mit derlei wertenden Begriffen.
Helmut ist.

Und ich weiß immer noch nichts über sein Wesen, seine Gedanken, seinen Charakter, seine Seele - sofern es überhaupt so etwas wie Beseeltheit gibt.
Doch wenn dieses abstrakte, unbegreifliche Ding, was wir Menschenwürmer "Seele" zu nennen pflegen, existiert, so verfügt Helmut über die schönste und reinste aller Seelen, trotz aller Widersprüchlichkeiten.
Aber können nicht auch Engel grausam sein?

Aus seiner Verschlossenheit und seinen unkontrollierten Wut- und Gewaltausbrüchen schließe ich, dass auch er nur ein Opfer seiner bisherigen Lebensumstände ist.

So bin ich weiterhin geduldig und ertrage seine Demütigungen.
Es steht mir nicht zu, ihn zu erziehen und zu belehren, geschweige denn seine geheimnisvolle Persönlichkeit zu brechen, um ihm Dinge zu entlocken, welche nicht für mich bestimmt sind, solange ich in diesem verwelkenden Körper verweile, der Geworfenheit auf diesem Erdenrund ausgeliefert.

Also ertrage ich diese unerträglich liebreizende Person weiterhin, denn ich habe keine andere Wahl.

Er kann nun mal nicht heraus aus seinem Fell.

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Kommentare zu diesem Text

KeinB (34)
(01.05.14)
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 nihil meinte dazu am 01.05.14:
Bin wohl ein wenig eingerostet :) Hat mich auch sehr viel Überwindung gekostet, wieder etwas zu Papier zu bringen/einzustellen.
Noch mehr Überspitzung? Muß wohl noch ä bisserl üben. Danke für Dein Feedback!
Gruß, R.
janna (66)
(01.05.14)
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 nihil antwortete darauf am 01.05.14:
Hab Dank, janna. Freut mich, daß ich nach so langer Abstinenz wohl dennoch etwas -wenn auch wurmig- zustande bringe.
Beste Grüße, R.
(Antwort korrigiert am 03.05.2014)

 niemand (01.05.14)
Bis hin zur letzten Zeile, dachte ich beim Lesen: Hier hat eine weibliche Person gänzlich den Verstand verloren. Sich dermaßen behandeln zu lassen ließ mich auf eine totale und krankhafte
Abhängigkeit schließen, so daß ich der Protagonistin gerne:
Mensch, wach doch auf und demütige dich nicht selber! hätte zurufen wollen. Und dann diese letze Zeile: Päng! Katze - und das Ganze bekommt einen liebevollen satirischen Klang, von unten nach oben zurückgerollt. Das ist wirklich gekonnt geschrieben!
Mit herzlichen Grüßen, niemand
P.S. der Titel (männlicher Name) tut anfangs noch das Seinige

 nihil schrieb daraufhin am 01.05.14:
Dankefein. So war es auch gedacht - die augenscheinliche Hörigkeit einer Frau in Bezug auf einen Mann. (Anders herum: sind Menschen ihren Katzen in gewisser Hinsicht nicht immer hörig? Es liegt wohl in der Natur der Katze, sich ihren Menschen Untertan zu machen. Das g'hört so ;) Ist sicherlich keine neue Idee, eher ein alter Hut. Aber es erhellt mein Gemüt, daß mein erster Gehversuch positiven Anklang findet.
Beste Grüße, R.
(Antwort korrigiert am 01.05.2014)
Graeculus (69)
(01.05.14)
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 nihil äußerte darauf am 01.05.14:
Hallo Graeculus, als ich mein Geschreibsel einstellte, fielen mir gewisse Parallelen zu Deinem "Schnarchen" auf. War aber keine Absicht. Fein, daß mein Text so aufgefaßt wird, wie beabsichtigt. Beste Grüße, R.

 Dieter Wal (15.09.16)
Sehr gut geschrieben. Vielleicht im Titel einen kleinen Hinweis auf die Pointe unterschmuggeln?

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 27.12.19:
Nein, eben nicht gut geschrieben. Der Leser wird nicht abgeholt und es ist alles vorgekaut. Stilistisch ist der Text zu selbstverliebt in die verwendeten Begrifflichkeiten, die sog. Pointe hat das Niveau einer Kolumne in einer Frauenzeitschrift aus den 90ern.

Nichts für ungut!
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