Die Gesellschaftsmaschine | Mais.

Dinggedicht

von  Elén

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Da steht er nun, der Mensch mit den tausend Klingeltönen und trägt einen Maiskolben, der so groß ist wie zwei Hochhäuser in seiner Tüte, kommt vom Einkauf, heute wieder ohne Glück aber mit Visionen, dieser Bürger des Westens, wenn man ihn so bezeichnen darf, um ihn an dieser Stelle als Synonym für etwas einzusetzen, das so genau also nicht bezeichenbar ist, nicht fassbar ist, ja bei der augenscheinlich fortgeschrittenen Entfremdung, zugegeben, er schon etwas eigenartig anmutende Konturen zeichnet und den Eindruck erweckt, als dass etwas nicht ganz stimmt mit ihm, wenn man da nun wirklich die Augen ein wenig zusammenkneift, um sich für einen Eindruck zu bemühen. Nein nein, das ist sicher, mit Sicherheit geht da etwas vor sich, aber was, ja das wenn einer denn wüsste! Aber mit den Kolben hat es zu tun, das ahnen seit geraumer Zeit viele und die tuscheln bei vorgehaltener Hand. Denn da gab es früher einen weiteverbreiteten Glauben auf dieser Erde, dass alle wichtigen menschlichen Bedürfnisse befriedigt würde, wenn sich denn die Produktion noch verbessern, die Industrie noch ankurbeln, das Wirtschaftswachstum antreiben ließe, da in Amerika und da in Europa und da in Asien und in Afrika und dann hätten alle genügend zu essen und alle würden konsumieren und alle sich ihre Bedürfnisse verwirkliche können. Und da gab es früher einen weitverbreiteten Glauben, an den glauben nun nach zwei oder drei Jahrzehnten schon deutlich weniger und es kommt dazu, dass der Riesenmaiskolben, so hoch, so monströs, so kolossal, dass dieser Kolben dem einen oder anderen da schon Angst einjagt, mehr Angst als Glück, aber der Maiskolbenkonsument mit den tausend Klingeltönen, kann, obwohl er schon  an einer richtigen Maiskolbenphobie, an einer richtig richtig wirklich hundsgemein selbstzerstörerischen Maiskolbenpsychose, mit tatsächlich behandlungsbedürftigen  panikattackenartigen Schweißausbrüchen und Schüttelkrämpfen, nur schon beim Gedanken an Maiskolben, leidet, kann nicht mehr aufhören an Maiskolben zu denken, Maiskolben zu produzieren, Maiskolben in allen Büchern und Zeitschriften zu sehen. Überall etwas über Maiskolben zu lesen, obwohl er sich nun einen Anti-Maiskolben-Klingelton downgeloadet hat für einen Groschen und einmal wöchentlich zur, eigens für Maiskolbenaphobiker initiierte Klangschalenmeditationsgruppe geht.

Wenn man nun aus dem Maisfeld zurückkommt, so will man nicht leugnen, dass man hier in einer wirklcihen Kapitalgegend gelandet ist und wir ohne aufhebens uns ein Stück Heimat mitgebracht haben, zum Glück!, und so sind wir ohne aufhebens bereits da, wo wir hingehören und Heimat sind, nämlich in der kapitalistisch orientierten Wertegesellschaft, in den Produktstaaten, in der Funktionalgesellschaft, im Technologiezeitalter, im Zeitalter der unbegrenzten Möglichkeiten, im Zeitalter, das zum Inbegriff geworden ist für Konsum, für Wegwerf, für Produkt, für Produktmaschinen und für Konsummaschinen. Für Produktkonsumenten und für Konsumprodukte. Für Produktmenschen und  für Menschmaschinen an der Riestenbrust des Maiskolbens, an der Riesenbrust der Produktindustrie der Staaten und der Phantomstaaten, vom Markt überschwemmt, vom Markt angefixt und zu Ware verarbeitet im Maschinenraum über Nacht. Am Morgen hat der Produktmensch schlecht geträumt und er fühlt sich wie ein Maiskolben. Da geht er automatenhaft aus dem Haus, hinein in die Sozialmaschine, vorbei an den Abfallprodukten, die als Organzerfall bereits am frühen Morgen auf Parkbänken sitzen und Alkohol und Opiate, die synthetische Transzendenz, konsumieren und den Produktzerfall, den völligen Zerfall noch etwas hinauszuschieben versuchen, die Restatome noch etwas zusammenzuhalten versucht sind. Das wirkt menschlich, zugegeben oder unmenschlich. Die wirken wachsfigurenhaft, unwirklich, die da aussehen wie Maiskolnben oder Maismaschinen, so genau kann man das nicht erkennen, beim Einfall der Frühligssonne, die den leeren Organraum dieser entfremdeten Kreaturen auszuleuchten scheint. Um diese Zeit abreitet schon das Kapital nutzbringend weil selbst die Zeit einen Nutzen hat und getaktet ist nach der Institution des Mehrwertes. Ich muss arbeiten, um meine Wünsche zu befriedigen, denkt der Phobiker, dessen Tabletten nur den Wirkhöhepunkt erreicht haben und er das maishafte Gefühl endlich ein wenig gelindert hat und sich bewegen kann nach menschlicher Art. Er holt sich vom Kiosk das Morgenblatt, schlägt den Bündel auf und ist fasziniert und schockiert, dass das nördliche Asien seit drei Tagen einen Spalt hat. Jetzt muss etwas geändert werden. Das ist aus den Fugen geraten. Wir ändern das Gesetz, schlägt da der Gesundheitsminister mit der hochindustrialisierten Fönfrisur vor und bleibt dabei optimistisch.

Codiert und abgehalftert geht nun der Phobiker zum Eingang seiner Maisfabrik hinein und beglaubigt mit einem Fingerabdruck, dass er nach wie vor mehr vom Toten als vom Organischen angezogen wird und dass er nicht nur von berufswegen, sondern auch aus tiefster Überzeugung sich einsetzen werde, andere zu überzeugen von dem Glückskuchen aus Maismehl. Essen sie Gkück zum halben Preis, heißt der Werbeslogan, den er entworfen hat und den es nun in angenessener Schriftform in die Apparatur einzuscanen gilt. Wir machen Glücksorgane, wir machen rund um die Uhr Glücksmaschinen, wir steigern das Bruttosozialprodukt, wir sind das Produkt des Pruduktes und produzieren prozesslos. Wir produzieren lautlos und staublos Maiskolben für jedermann. Frisch, faserlos, finanzträchtig und ohne Konkurenz beherrschen wir den Markt, ja, sind wir der Markt und markieren die Schnittstellt zwischen Mensch und Natur, zwischen Menschenprodukt und Produktmenschen, zwischen Menschprodukt und Naturpodukt. Der Strichcode ist obligat und tarnt die Gesellschaft vor sich selbst. Die Reproduktion ist das Schattenbild, das über der Strahlenbehandlung seine Kontur verloren hat nicht mehr kennbar ist. Das ist der Sinn und Zweck, sagt der Werksleiter, der selbst auch schon so eine seltsame Oberflächenstruktur hat bei näherer Betrachtung, wie die suchtkranken, die entarteten Maiskolben im Park. Der Maisdirektor mit der Oberflächenstruktur liebt seinen Beruf und ist sozusagen groß gerworden im Maschinenraum. Er hat sich selbst verwirklicht. Schon an der Mutterbrust hat der 'Mais' gedacht und nicht Hirse oder Roggen, schon an der Mutterbrust fühlte er den pelzigen Geschmack im Mund und strebte auf wie das Korn aus der Erde gegen die Sonne. Die Liebe hat ihn durchdrungen und selig gemacht. Und vor lauter Intensität ist das für ihn täglich beinahe zum Schizophrenweerden. Es ist später Vormittag. Er klopft sich auf die Brust und es echot das Organ, das schon wieder leer ist und wartet auf die nächste Ladung Glück. Die Zeitmaschine gestaltet mit den neuesten Klingeltönen das Organ systematisch und stellt eine wesentliche Bezugskategorie dar. Zeit ist Zweck und das Produkt der Zeit eben Sinn und Zweck, ein hochwertiges Maisprodukt. Eine hochwertige Produktladung der Kategorie Strichcode A für den Direktor inclusive Mehrwert. Der Direktor ist sozusagen Wunschmaschine und Produktmaschine in einem und besitzt obendrein den Maschinenraum auch gleich noch mit dazu. Das ist fast nicht auszuhalten, das ist ja göttlich!, ruft er und ruft seinen phobischen Mitarbeiter, diese Jammergestalt mit den Jammerorganen, er solle kommen mit der Reklame und mit seinen ausgehölten Zentren im Leib, damit er ihn inspiriere und, damit ein weiteres Mal der göttliche Funke überspringe, zuerst von Mensch zu Mensch, dann von Raum zu Raum bis in die Welt hinaus, als dass sie hell werde und wachse und die Menschheit erhebe, dass sie aufstrebe wie das Korn aus der Erde gegen die Sonne. So wünschen wir Glück!



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Kommentare zu diesem Text

Caty (71)
(26.04.11)
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 Elén meinte dazu am 26.04.11:
Dank fürs Vorbeischaun, lg :)
KoKa (42)
(26.04.11)
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 Elén antwortete darauf am 26.04.11:
Danke fürs lesen und fürn Besuch :)
LudwigJanssen (54)
(26.04.11)
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 Elén schrieb daraufhin am 26.04.11:
Das mit Soja stimmt, da hab ich schneller getippt als gedacht. Bezugspunkte: ich sags ehrlich: Ich überantworte dem Leser die Bezugspunktwillig- und fähigkeit. - Dank Dank fürn Besuch!

lg Dir! :)
LudwigJanssen (54) äußerte darauf am 27.04.11:
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 DanceWith1Life (27.04.11)
ich frage mich gerade, ob jemand beim lesen dieses Textes wirklich an Mais und Soja gedacht hat, und wie das denn gehen soll

 warmeseele01 (15.06.11)
Deine Art zu denken ist zum Glück kein Gold, aber viele ganze Leben wert. In Hochachtung, lg, der Tom.

 Thomas-Wiefelhaus (25.08.20)
Frage mich, wieso DAS ein Dinggedicht sein soll?

Stil erinnert mich an sehr einen österreichischen Autoren, dessen Name mir gerade nicht einfällt, der teilweise Seitenweise keinen Absatz macht.
Muss man mögen, oder nicht ...?
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