Inhalt 
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1.

Roman zum Thema Absurdes

von  Jericho

Der Zug fährt an. Am anderen Ende des Abteils knutschen zwei Teenager (das es sich um Junge und Mädchen handelt, sollte man heutzutage sicherheitshalber erwähnen). Schön,aber auch traurig, weil sie beide häßlich sind.
Der Bahnhof in X war charakterlos, wie mittlerweile fast alles im Land beliebig und austauschbar, ob Bahnhöfe, Innenstädte oder Regierungen, immer derselbe anödende Mist.
Was vom Bahnhof hängen blieb: Die Bahn hatte "Das Leben ist kurz " von Seneca als Gratislektüre im Servicecenter ausliegen, offiziell wegen der vielen Zeit, die man im Zug im Gegensatz zum Auto für sich hat, aber eigentlich sollte jedem klar sein, das es nur zur Überbrückung extremst langer Wartezeiten gedacht ist.
Wie auch immer, wer länger wartet ist später tot und wider Erwarten gefiel mir das Buch ganz gut. Früher hielt ich die griechische Philosophie für eine Egogehhilfe der verschrumpelten Hirne langweiliger alter Männer aus dem sterbenden Europa, deren Belesenheit zu nichts weiter taugt als ein paar nette Zitate an den passenden Stellen abzusetzen. Das ist sie sicherlich auch, aber nicht ausschließlich.
Der Gedanke ans sterbende Europa erinnerte mich daran, wie ich in meiner Verkleidung als REAKTOR - der reaktionäre Superheld einer alten Dame die
Hoffnung wiedergab. Es war im Wartezimmer meines Arztes und die gute Frau blätterte im Stern oder Spiegel, als sich ihre Augen mit Tränen füllten und
sie zu schniefen begann. Auf meine Frage, was denn los sei, antwortete sie: "Ach, das christliche Abendland wird sterben und mit ihm alle unsere Werte, alles was gut
und richtig ist." "Werte Dame, erwiderte ich, das christliche Abendland wird niemals sterben solange sie es im Herzen bewahren. Äußerlich wird es sich verändern, aber es wird bestehen bleiben. Sterben wird das sich für aufgeklärt haltende, maßlose, arrogante, verlogene, das selbstsüchtige und selbstgerechte Europa und dem lohnt es nicht eine Träne nachzuweinen." Langsam beruhigte sie sich wieder und als sie wenig später aufgerufen wurde, blickte sie mich aus Augen an, in die die Hoffnung zurückgekehrt war.
Weiterhin fiel mir am Bahnhof auf, wie schön doch das Gefieder der gemeinen Stadttaube ist. Eine tiefe Verbundenheit zur Kreatur ergriff mich auf dem Bahnsteig.
"Komm, komm, wir töten sie alle" gurrten sie mir zu. "Nein, sind doch auch alles arme Schweine" sagte ich.
Der Zug wird langsamer und wir halten irgendwo in der norddeutschen Pampa. Eine zu dicke Frau in einer zu engen Hose (zu dick und zu eng ist mittlerweile
die wahrhaft große Koalition im Lande) hastet mit ihrem ca. 5-jährigem Sohn dem Ausgang zu. Kurz trifft sich mein Blick mit dem des Kindes und ich habe noch nie in
so kluge, wache und gleichzeitig verzweifelte Augen geblickt, die noch nicht viel wissen, nur das relevante, die alles durchschauen und nichts begreifen.
Schon bald wird die Gesellschaft mit ihrem perfidesten Mittel, der Schule, ihn verderben oder zerbrechen zu versuchen. Ich lächele ihn an und schlage ein V-Zeichen.
Viel Glück und Kraft die Welt zu ertragen, Gott schütze dich.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (18.06.16)
Man sollte sich wirklich auf das besinnen, was noch wert hat, wie in den Ländern (Bayern), wo die Tradition noch etwas zählt, wo Bruder und Schwester noch heiraten dürfen.

 Jericho meinte dazu am 18.06.16:
nicht jede Tradition ist schlecht (z.B. die christliche der Agape, die preußische der religiösen Toleranz)...dort allerdings wo man sie als Aufhänger für eine Kultur benutzt ohne zu konkretisieren was diese sein soll und schlimmer noch, einen Überlegenheitsanspruch zu begründen, ist sie m.E. überflüssig. Grundsätzlich sollte man seine Traditionen regelmäßig prüfen und ggf über Bord werfen, dein Beispiel wäre so ein Fall

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 18.06.16:
Gute Traditionen? Natürlich. Allerdings denke ich, dass das Entscheidende daran nicht die "Tradition" ist, sondern das "gute" - meint ein Wortklauber.
;-)
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