Warum Kästner

Kommentar

von  Beislschmidt

Es trifft sich gut, dass gerade heute Erich Kästner seinen 125. Geburtstag feiert. Das passt sehr gut in die heutige Zeit, weil Meinungsfreiheit und kritisches Denken wieder sanktioniert werden, wenn auch nicht in der Art wie 1933, als seine Bücher verbrannt wurden.
Erich Kästner wird heute fast nur noch als harmloser Kinderbuchautor wahrgenommen. Doch in beinahe all seinen Werken kommt auch sein politisches Engagement für Frieden und Gerechtigkeit zum Vorschein. 
Erich Kästner war ein Gebrauchslyriker, der vor allem eines im Sinn hatte: - Zeitkritik. Der Grundton seiner Texte schwankt zwischen Zynismus und Melancholie, zwischen Spott und Trauer, zwischen Mut und Resignation. Mal schrieb er sachlich nüchtern, ein anderes mal wieder wutentbrannt und leidenschaftlich. Doch immer stand der "Mann von der Strasse" im Mittelpunkt. Das Individuum zählte für Kästner. Er wollte die Passivität des Einzelnen bekämpfen.

Ich hab Pünktchen und Anton nicht gelesen und kam zu Kästner über eine Reportage mit Norbert Grupe dem Boxer und Schauspieler, auch bekannt als der Prinz von Homburg. Grupe rezitierte in dem Film Erich Kästner mitten in seinem Wohnzimmer zwischen Bierdosen und Unrat und er tat dies mit einer Eindringlichkeit und Präsenz, die mich sprachlos machte.
Gleich danach griff ich mir Kästners Gedichteband, der als Bonusgeschenk vom Bertelsmannring im elterlichen Bücherschrank sein kümmerliches Schattendasein fristete.
Und .... ich war begeistert: - von den "Sogenannten Klassefrauen" bis zur "Tretmühle" habe alle seine Gedichte mehrmals gelesen. Diese Begeisterung hat bis heute angehalten, wenn er auch ein zwiespältiger Charakter war und sich nach dem Krieg im Licht des Bundesverdienstkreuzes gesonnt hat, im Gegensatz zu Karl Jaspers, der diese Offerte dankend abgelehnt hat.

Rumpf vorwärts beugt! Es will dich einer treten!
Und wenn du dich nicht bückst, trifft er den Bauch.
Du sollst nicht fragen, was die andern täten!
Im übrigen: die andern tun es auch.

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Anmerkung von Beislschmidt:

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Kommentare zu diesem Text


 Pearl (01.07.24, 16:25)
Hallo,

Ich finde, das ist ein sehr schöner Text über Erich Kästner. Ich kenne zwar nur die Kinderbücher und einige Gedichte von ihm. Aber die Kinderbücher liebte, und die Gedichte liebe ich.
Ich glaube, deine Meinung zu sozialen Fragen heute und meine gehen sehr auseinander. Aber ein Kästner ist ein Kästner ist ein Kästner.

"Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verloren. Er sitzt im All auf einem Baum und lacht."

Das sind meine Lieblingsverse von ihm. Denn an der Welt heute gibt es noch immer viel zu kritisieren v.a. die Heuchelei derer mit Macht. Nur kenne ich keinen zeitgenössischen Dichter mehr, der " durch die Gärten toter Gefühle" geht und sie " mit Witzen bepflanzt". Das finde ich schade.

Kommentar geändert am 01.07.2024 um 16:27 Uhr

 Beislschmidt meinte dazu am 01.07.24 um 17:08:
Kästner scheint es irgendwie zu schaffen bei jedem ein Türchen aufzustoßen, auch wenn die Leser völlig unterschiedlich sind. Man spürt, er ist ein echter Mensch.
Beislgrüße
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