Ich krieg die Motten

Skizze

von  Epiklord


Noch bevor die Menschen über ihre Welt nachdachten, gab es einen intelligenten Mottenstamm, welcher in einer Hose wohnte, den Ausgang in die Menschenwelt nie fand. Er analysierte seine Umgebung, nahm Stoffproben vom Boden seiner Existenz. Das erste Weltbild enstand. Ihren Raum im Universum beschrieben sie als schlauchförmig aus Polyamidfasern zusammengehalten.

Später entwarfen die Menschen Weltbilder, suchten sogar nach einer Weltformel. Jene Wissenschaftler steckten zwar auch in Hosen, aber sie konnten gegenüber den Motten über deren Tellerrand blicken in einen Sternenhimmel, und kamen zu einem ganz anderem Weltbild.

Heute wissen wir, es ist zwecklos, aus dem, was man von dem Universum erfassen kann, ein Weltbild zu bauen, solange man nicht in der Lage ist alles zu erfassen. Und das ist den Motten nicht möglich gewesen noch wird es den Menschen jemals möglich sein, alleine schon aufgrund ihrer eingeschränkten Mittel, sprich Verstand, Sinneswahrnehmung und der evolutionär erdgebundenen Ausprägung. Wir können von der Wirklichkeit lediglich eine Stoffprobe nehmen. Unsere Konzepte reflektieren nur uns selbst.


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (01.07.25, 23:50)
Mag schon sein, daß die Motten ein Weltbild haben; Hunde haben sicher eines, und wir ebenfalls. 
Spannend wird es, wenn man dieses Weltbild auf die Probe stellt.
Das Weltbild der Motten beinhaltet, daß das Licht (die Sonne) über ihnen ist. Wenn es sich nun dank unserer Lampen auf einmal unter ihnen befindet, sind sie völlig verwirrt - oft mit tödlichem Ausgang.
Im Weltbild einer Fliege ist kein durchsichtiges Glas vorgesehen, deshalb fliegt sie immer und immer wieder dagegen.

Das Weltbild von Hunden funktioniert da schon besser.

Und unseres? Am besten? Nun, die Technik ermöglicht uns viel. Aber beeindruckend ist sie schon, die Einsicht, daß 95% des Universums aus etwas bestehen, wovon wir keine Ahnung haben, was es ist: Dunkle Materie und Dunkle Energie.

Spannend! Ich habe den Verdacht, daß wir immer dann, wenn unser Weltbild nicht funktioniert, daran erinnert werden, daß die Welt mehr ist als unser Konzept von ihr.

Kommentar geändert am 01.07.2025 um 23:54 Uhr

 Epiklord meinte dazu am 02.07.25 um 04:46:
Immerhin wissen wir, dass unsere Vorstellung von einem Universum, also einem Raum, wo alles drin ist, nicht der Wirklichkeit entsprechen kann. Sonst könnte man eine Liste anfertigen von allen Dingen im Raum. Man  muss aber festellen, dass, wenn alles auf der Liste steht, die Liste selbst darin fehlt. Man müsste also eine Liste von der Liste machen und von jener wiederrum eine, was einen in einen ewigen Regress führen würde. Erinnert mich daran, als man über den Anfang der Welt nachdachte, was ebenfalls nicht funktionierte; weil Anfang von Anfang, von Anfang usw. Deshalb schrieb ich, wir können nur jeweils eine "Stoffprobe" von der Wirklichkeit entnehmen.
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