Der Sieger

Novelle

von  hehnerdreck

In einem kleinen, stillen Park, der von alten Bäumen umgeben war und dessen Wege kaum befahren wurden, saß einst ein Mann, dessen Name in Gelehrten- und Denkerkreisen nur noch flüsternd erwähnt wurde. Er war ein Meister der Debattenkunst, ein Virtuose rhetorischer Finessen, gewandet in die schillernde Rüstung der Eristik – jener Kunst, die Schopenhauer treffend als seine „Hexenküche“ bezeichnete. Mit einer Raffinesse, die an das geschickte Fädeln eines Spinnennetzes erinnerte, hatte er im Vorfeld seine Fallen gestellt, darunter auch Unterstellungen, die wie scharfe Dolche in das Fleisch des Gegenübers schnitten, ohne dass dieser es rechtzeitig bemerkte. Es war nur noch List und Taktik, die zum Sieg führten, und kaum mehr ein Dialog.

Denn sein Ziel war kein ehrliches Verstehen oder gar Freundschaft, sondern der Triumph durch eine niederschmetternde Niederlage seines Gegners. Mit jeder rhetorischen Kurve und jedem raffinierten Trick brachte er den anderen aus dem Gleichgewicht, bis dieser schließlich erschöpft und gedemütigt das Feld räumte. Bald erkannte man: Dieser Mann wollte nicht den Austausch, sondern die Herrschaft. Seine Gespräche waren keine Brücken zwischen Menschen, sondern Mauern aus strategisch wohldosiert gewählten Worten und Halbwahrheiten.

Doch je mehr er gewann – und gewinnen wollte er stets –, desto einsamer wurde er. Seine Mitmenschen mieden ihn allmählich wie einen Aussätzigen, der Gift speit. Niemand wollte sich mehr auf seine Spielchen einlassen. So blieb er allein zurück – mit sich selbst. Und was tat er? Er begann, mit sich selbst zu diskutieren. Eine endlose Diskussion gegen sich selbst.

Doch auch ihm wurden die ständigen Gemeinheiten mit der Zeit unerträglich. Die Lust zu streiten verging ihm ebenso wie die Freude am Sieg. Schließlich saß er bis zu seinem Tod jeden Tag in besagtem Park, fütterte die Tauben und schwieg.


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