Unmenschlichkeit

Dokumentation

von  AnneSeltmann

Ort: Kiel
Titel: (Un)menschlichkeit
Regie : Mitmenschen
Mitwirkende : Menschen im Rollstuhl


Heute hatte ich einen Ausflug mit einem
erwachsenen Körperbehinderten Menschen in der Innenstadt. Er wollte
mit mir gemeinsam in die Bücherei, um Hörspiel-Cassetten
zu leihen. Für uns war das gleichzeitig auch ein Bummel durch die Stadt. Denn G. liebte es, sich Schaufenster anzusehen, oder mit mir auch mal einen Kaffee zu trinken.
Wir hatten einen ziemlich langen Weg durch die Innenstadt, er im E-Stuhl und ich zu Fuß und...wir waren es gewöhnt angestiert zu werden.
Wenn Kinder fragten, was „ der Mensch da „ im Rollstuhl hatte ,gaben wir bereitwillig Auskunft. Ich übersetzte die Gebärden von G.,d enn er konnte aufgrund seiner starken Spasmen nicht sprechen.
Wir erreichten die Stadtbücherei. Wir konnten damit umgehen, dass man uns nicht die Tür offen hielt, dass man stur auf dem Platz stehen blieb ,obwohl wir darum baten, dass man uns durchließ. Schnell hatten wir dieses „kleine Ärgernis „ vergessen, denn uns hatte die Welt der Worte gepackt. Schnell fanden sich wunderbare Liebesgeschichten, denn G. träumte wie jeder Mensch von der Liebe.
Uns blieb Gott sei Dank noch Zeit für einen Kaffee und ich überlege noch heute, wer von uns der Kaffeesüchtigere war. Auf unserem Rückweg fand sich auch eine Eisdiele, an der man aufgrund des schönen Wetters auch draußen sitzen konnte. So mussten wir uns wenigstens nicht in die Enge des Eiskaffees drängen. Ich bestellte und unterdessen holte ich die Schnabeltasse
aus dem Rucksack von G. Endlich kam unser heißgeliebtes Getränk füllte es in die Schnabeltasse und konnte nach einer Abkühlungszeit G. davon einflößen. Ich war schon zu lange in der Behindertenarbeit tätig, als dass mich jene Schluckgeräusche, die G. von sich gab, hörte oder mich dran störte. Auch das Tuscheln der Mitmenschen registrierte ich sonst nur am Rande. Doch diesmal wurde es mehr zu einem Grummeln, dem ein empörtes „Ich fasse es nicht“ folgte und das damit endete, dass ein ältere Herr aufstand, zu unserem Tisch kam und lauthals sagte:“ Du hast wohl nichts besseres abbekommen „mehr noch „Bei Hitler hätte man so was vergast“
sputete  sich und stürzte noch lautmaulend Richtung Innenstadt.
G. hätte jetzt eigentlich meinen Trost bekommen müssen aber er war es, der mich tröstete, mit seinen Augen, seinen Händen. Und er war es, dem ständig unmenschliches widerfährt. Er aber zeigt Nachsichtigkeit und Milde.



Dies ist eine wahre Geschichte aus meiner früheren Tätigkeit in einem Wohnheim für Menschen mit diversen Behinderungen. Aber das ist nicht die Spitze des Eisberges.

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Kommentare zu diesem Text

Susa (52)
(14.01.05)
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rheinfrau (73) meinte dazu am 14.01.05:
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 AnneSeltmann antwortete darauf am 14.01.05:
Liebe Susa,liebe Anne.
Ich habe heute noch Kontakt zu meinen damaligen Pfleglingen und wir sprechen oft noch über jene Situation,die ich hier beschrieben habe.Nichts,aber rein gar nichts hat sich geändert....und das stimmt wohl sehr traurig...
Ich danke euch für eurer Interesse und euer Mitgefühl
Herzliche Grüße
sendet euch Anne
Mac (57)
(14.01.05)
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 AnneSeltmann schrieb daraufhin am 14.01.05:
Du hast wahrlich recht.Ja Lachen und Freude ist wirklich nicht mit Gold aufzuwiegen.
Ich danke dir für dein Kommentieren.
LG Anne
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