der kafka- experte

Gedicht

von  Owald

ich sah
im tv
ich weiß
nicht genau
in welchem programm
einen kafka- experten
mit schneeweißem haar

das lustige war
an diesem gelehrten
daß er mit dem kamm
der in seine hemd-
tasche
geklemmt

war wippte während
er
von kafka sprach


Anmerkung von Owald:

2003 (glaub' ich)

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (16.05.05)
Ähhh... ich lese ja immer prinzipiell gutwillig Deine Texte. Aber hier grübele ich. Ich verstehe es noch nichtmal sachlich, geschweige denn irgendwas an Symbolik. Also der Experte hat ein normales Oberhemd an, mit ner Tasche oben, wo die Raucher immer ihre Zigarettenschachteln reintun. Und da ist stattdessen ein Kamm drin. Gut. Soweit klar. Aber warum "klemmt" der Kamm? Ich habe Kämme als außerordentlich flach in Erinnerung, da klemmt doch nichts! (oh Du meine Güte, was gibt es für Kämme auf der Welt?!?) Gut, stellen wir uns also einen klemmenden Monsterkamm in der Hemdtasche vor - wie kann man damit wippen? Also ich kann z.B. mit dem ganzen Körper wippen, auch mit einzelnenn Körperteilen, aber nie und nimmer mit einem Kamm in meiner Hemdtasche. Und könnte der Mann denn auch wippen, wenn er Experte für Dieter-Bohlen-Bücher wäre? Du siehst : Fragen über Fragen. Aber ich muß ja nicht alles im Leben verstehen. Seufz. LG Brigitte (die mit der Bürste *g*)

 Owald meinte dazu am 17.05.05:
Sehr guter Kommentar (später mehr dazu)! Danke. Gruß, Owald.

 BrigitteG antwortete darauf am 17.05.05:
Ich lege mir das mal auf "Wiedervorlage"...

 Owald schrieb daraufhin am 22.05.05:
Ah Scheiße,
ich hab gerade ungelogen zum wiederholten Male anderthalb Stunden an der Antwort getippt, und dann, auch wiederholt: Leitungszusammenbruch, alles weg. Ich probier's morgen wieder. Sorry.
Owald.

 BrigitteG äußerte darauf am 22.05.05:
HARHARHAR *kichertimmernoch*. Das ist ja freundlich mit den anderthalb Stunden, und ich werde es auch gerne lesen, aber Du solltest mit Malik sprechen, damit er die vorhandenen Kapazitäten verstärkt. Nicht, dass dann nachher statt vorher alles zusammenbricht... (Vorschlag : schreib es auf word und kopier es rein, mit "strg+c", "strg+v", v wie einvügen muahhhhh)

 Owald ergänzte dazu am 24.05.05:
Is’ ja gar nicht soviel; ich tippe bloß so langsam.

Nächster, vrisch eingevügter Fersuch also:

Erstens, sozusagen einleitend, zu Deinen sachlichen Anmerkungen:
Du ahnst wohl nicht, wieviele Männer (besonders die mit den ’rübergekämmten Frisuren) ständig Kämme bei sich tragen, und diese nicht selten in der Hemdtasche. Und wenn darüberhinaus zwei unselige Faktoren, nämlich zum einen eine gewisse Korpulenz, die Herrenoberhemden in jeder Hinsicht spannend macht, und zum zweiten das Nichtrauchertum, das Hemdtaschen die typischen zigarettenschachtelbedingten Erweiterungen entmöglicht, zusammenkommen, na, dann klemmt er einfach, der Kamm. (Im übrigen glaube ich, von Klemmkämmen zu wissen, die – ähnlich Kugelschreibern – mit einer Art Klammer ausgestattet sind, um an bzw. in Hemd-, Hand- und Hosentaschen gesteckt zu werden. Aber das nur am Rande.)
Und: Natürlich wippt er nicht von Geisterhand, der Kamm, sondern durch (rhetorische) Körperbewegungen veranlaßt (Hebelwirkung!).

Zweitens (sozusagen: der Hauptteil) die „eigentliche“ Geschichte:
Im Prinzip ist der Text pure Scharlatanerie.
Entstanden ist er am – vermutlich ziemlich betrunkenen – Vorabend des Einsendeschlusses eines Gedichtwettbewerbs („Das kann ich auch! Da lasse ich mir noch schnell was Geniales einfallen!“) anno 2003. Das Ziel: Möglichst mysteriös- unverständlich sollte er sein, bei allem Unsinn möglichst bedeutungsschwanger erscheinen, damit der geneigte Leser glauben sollte, es stecke mehr dahinter als tatsächlich gesteckt.
Inhaltlich handelt es sich um ein (weitergesponnenes) Erlebnisgedicht: Den Kafkaexperten im TV gab es tatsächlich, die Sendung hieß, glaube ich, „Zeugen des Jahrhunderts“. Fasziniert hatte mich , daß dieser Mensch sein ganzes Leben und Werk daran verschwendet hatte, Experte für das Leben und Werk eines anderen zu sein. Dieser Mensch hatte NICHTS wirklich Eigenes an sich. Aus Mitleid habe ich ihm daher den wippenden Kamm angedichtet, ein Detail, das trotz seiner Nichtigkeit ganz im Vordergrund steht, weil es eben das einzige Eigene, „das Lustige“ an diesem Menschen ist bzw. war bzw. hätte sein sollen.
Und dann war er noch Experte für Kafka, ausgerechnet Kafka, der für mich immer DIE Symbolfigur unverständlicher Symbolik gewesen war. Naja, das Ganze flugs in ein Form- und Reimschema gedrückt, und fertig war das Gedicht. Ich glaube, ich habe noch hämisch gegrinst, bevor ich es zum Wettbewerb einreichte und erstmal vergaß.

Aber das war noch nicht alles:
In besagtem Gedichtwettbewerb bekam damals jeder Teilnehmer nach einiger Zeit von der Jury eine kurze Rückmeldung zum eingereichten Text. Und siehe da, man tat mir den Gefallen und machte tatsächlich zumindest den Versuch, tiefer zu blicken, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich zitiere:
„[...] Vor allem im Zeilenumbruch zeigen Sie Ihren poetischen Formwillen; für eine lyrisch vertiefte Aussage könnte auf dieser Grundlage jedoch nur die Zeile ‚war wippte während’ funktionalisiert werden, und auch dann nur, wenn ‚war’ als englisches Wort gedeutet würde: Die Absurdität des Krieges stünde dann im Mittelpunkt. Kafkas ‚Amerika’ und ‚Ein Bericht für eine Akademie’ passten durchaus zu dieser Assoziation. Gemeinsam zeigen alle diese Punkte ein hervorhebenswertes Poesieverständnis. Was Ihre weitere dichterische Entwicklung betrifft, so möchten wir Ihnen ausdrücklich Mut machen, weiterhin diesen Weg zu verfolgen [...]“. Zitatende.
Der Text gewann zwar keinen Preis, wurde aber in die dem Wettbewerb anhängige „Anthologie“ (Buchveröffentlichung) aufgenommen (jedenfalls angeblich; ich war zu geizig, das Buch zu bestellen).
Nicht schlecht für einen überwiegend unsinnig- assoziativ dahingerotztes Etwas, dachte ich, diesmal sicher hämisch grinsend.

Das hätte das Happy End sein können.
Aber (Katharsis? Hybris? Läuterung inbegriffen jedenfalls, sozusagen) auch das war noch nicht das Ende: Denn jetzt: KV. Und was muß ich sehen? Bei Brigitte G. bin ich erstmals an die Falsche geraten mit meinem Unsinn (deshalb, ich wiederhole mich, sehr guter Kommentar Deinerseits!). Und ich vermute fast, für die KV-ler, die hier zurecht keinen Kommentar hinterlassen haben, gilt Ähnliches.
Ich grinse schon wieder. Aber diesmal ganz und gar nicht hämisch.

Ich danke Dir, vor allem für den prinzipiellen guten Willen!

Mit besten Grüßen, Owald.
Treulieb (53) meinte dazu am 28.05.05:
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Lutzi-Val (45)
(20.06.05)
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 Owald meinte dazu am 21.06.05:
Es wäre tatsächlich eine Überlegung wert, die gesamte Konversation als "Absurdes Theaterstück" zu posten. Allerdings müßte ich wohl erstmal Dr. Klaus Pemsel (Juror des besagten Wettbewerbs) um sein Einverständnis ersuchen. Und vor dem habe ich Angst!
Danke für's Lesen und Kommentieren!
Grüße, Owald.
don.mombasa (27)
(20.06.05)
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 Owald meinte dazu am 21.06.05:
Yeah! Ich hab's ja immer gewußt! Immer!

.....und Gruß, O.
argot (30)
(01.08.05)
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 Owald meinte dazu am 03.08.05:
Ich verneige mich in Ehrfurcht vor soviel Kafkaexpertentum. Zähneknirschend muß ich zugeben, daß es diesen Input von außen (ähh... woher auch sonst...) gebraucht hat, bevor ich meinen text wirklich durchdringen konnte. *an der Ohrlocke nestel*
Danke für einen wirklich lesens- und bedenkenswerten Kommentar!
Grüße, Owald.
KiWi (30)
(08.03.06)
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 Owald meinte dazu am 10.03.06:
Wahnwitz... - ein gutes Stichwort!
Aber - ganz im Ernst - auch ich hatte schon öfter das Bedürfnis, Kommentare zu empfehlen oder zu favorisieren. Und auffällig oft waren argots Kommentare Auslöser für diesen Wunsch. Er kann's halt wirklich.

Ich danke sehr für den Beifall, auch wenn der (verdientermaßen! *g*) eher den Kommentaren als dem Text gilt.

Liebe Grüße,
Owald.
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