Engel für eine Nacht

Erzählung zum Thema Leidenschaft

von  Mondsichel

Als ich erwachte, fühlte ich mich so befreit und kräftig wie niemals zuvor. Sie kniete am Boden und hielt mich in ihren Armen. Ich spürte ihre Flügel an meiner Haut, die mich sanft umhüllten. Sie lächelte mich an und blickte tief in meine Augen. Ich sah die Sterne in ihnen glimmen und ich sah die Engel fliegen, wohin ihr Weg auch führen mochte. „Bin ich tot?“, zitterte meine Stimme ihr entgegen. „Nein, Du bist nicht tot.“ Dieses Engelslächeln brachte mich fast um den Verstand. „Wo bin ich dann?“ Verwundert blickte ich mich um, doch ich sah nur das grelle Licht, das uns umhüllte. „Wir sind in meiner Welt. In meinem tiefsten Inneren.“ Ich schaute ihr verwirrt in die glimmenden Augen. „Egal wie dunkel die Äußerlichkeit auch erscheinen mag, egal welche Melancholie man auch sein Leben lang mit sich trägt. Ganz tief in jedermanns Innersten strahlt ein Licht, das heller als alles andere ist, was die menschlichen Augen je erblickten.“

„Es ist das Licht der Seele, das was ein Lebewesen ausmacht. Alle werden mit einer Seele geboren, jeder trägt sie in seinem tiefsten Inneren. Doch die Menschen haben verlernt, das Licht ihrer Seele, in die Welt hinaus zu tragen. Sie haben verlernt, hinter die Horizonte zu blicken, sie haben verlernt wahrhaft zu leben. Und ihre Seele weint traurig in der verborgensten Ecke ihres Selbst, kaum fähig, das Licht am Leuchten zu halten.“ Daria blickte mich an. „Auch Du hattest verlernt das Licht Deiner Seele zu sehen. Ich wollte Dir zeigen, dass es weit mehr als das gibt was Du Leben und Liebe nennst. Ja, ich kenne Dich schon sehr lange und weiß welchen Weg Du bisher gegangen bist. Ich wusste es schon lange bevor Du es mir selbst erzählt hast. Nur wegen Dir sind wir überhaupt hier her auf diese Welt gekommen.“ Jetzt war ich doch sehr verwirrt...

Sie versuchte es zu erklären: „Mein Vater ist der Herrscher über all das Licht, das den Seelen innewohnt. Er hat uns auf diese Welt gesandt, um die Seelen von bestimmten Menschen wieder zum Leuchten zu bringen. Er sagte immer zu uns, dass es wichtig sei bestimmten Menschen ihr Licht wieder zu geben. Denn wenn ein Licht wieder leuchtet, dann würden viele andere Lichter ebenfalls erweckt werden und wieder in die Welt hinausscheinen. Eine Art Kettenreaktion die den ursprünglichen Zustand wieder herstellt. Dann hätte auch die Dunkelheit endlich wieder ihre Grenzen gefunden. Es ist wichtig, dass ein Einklang von Licht und Dunkelheit auf Erden herrscht, denn nur so ist ein wirkliches Leben möglich. Eine wirkliche Liebe und auch wahre Gefühle können dann wieder auf diese Welt zurückkehren.“ Sie lächelte...

„Wir sind gekommen, um das erste Licht wieder zum Leuchten zu bringen. Und dieses Licht bist Du.“ In ihren Augen flogen die Sterne, in unendliche Weiten und ich versank in den süßen Empfindungen, die sie mir schenkte. „Ich bin der Gedanke, der vielen Menschen innewohnt, die Sehnsucht und die Hoffnung. Ich wünschte, ich könnte bei Dir verweilen, doch ich muss Dich verlassen.“ Ich blickte sie traurig an. „Du musst gehen? Aber warum?“ Das Licht in ihren Augen erlosch. „Es ist uns nicht erlaubt unter den Menschen zu verweilen, denn wir sind das, was keiner begreifen kann. Wir sind ein Jungbrunnen für die Einen und eine Gefahr für die Anderen. Würde man uns erkennen, dann wäre diese Welt dem Untergang geweiht. Mein Vater ist zwar der Herrscher über all das Licht, das den Seelen innewohnt, doch liebt er jeden seiner Gesandten wie sein eigen Fleisch und Blut. Sollte auch nur einer von uns in Gefahr geraten, dann würde er alle seine Streitkräfte hier her entsenden und dieser Welt das ewige Licht schenken.“ Ich blickte sie erschrocken an. „Mein Vater würde diese Welt dem Erdboden gleich machen und sie lieber aus seinem Herrscherbereich streichen, als Einen von uns zu opfern. Genau deswegen hat er uns zurückberufen, weil er Angst um mich hat. Wir werden heute Nacht wieder als Engel hinaufsteigen, in unser Reich, das so unendlich weit von dieser Welt ist. Und dann werden wir schlafen, bis mein Vater uns wieder in die Welten entsendet, um das Licht zu erwecken, das in den Wesen des Universums leuchtet. Vielleicht dauert es nur Monate, vielleicht aber auch unendliche Millionen von Jahre. Ich weiß es nicht. Aber bevor wir wieder zurückkehren, wollte ich noch dieses eine Licht entzünden, das diese Welt aus ihrem Schlaf erwecken kann. Und das ist mir gelungen, denn Deine Seele brennt wie hellstes Feuer.“ Ich schmunzelte.

„Das ist die tiefe Liebe für Dich, die meiner Seele inne wohnt.“ Daria lachte... Ich wurde ein wenig traurig. „Doch nun möchte ich fast wieder weinen, da ich weiß, dass Du wieder gehen musst.“ Sie strich liebevoll über mein Haar. „Nein, Du musst nicht weinen. Ich werde immer bei Dir sein, solange Dein Seelenlicht leuchtet. Und wenn Deine Seele von dieser Welt geht, dann wird sie zurückkehren, und das Leben beginnt erneut. Je heller Dein Licht ist, desto sicherer wirst Du zurückkehren. Nur erloschene Seelen werden von der Dunkelheit gefressen und haben keine Chance mehr auf ein weiteres Leben.“ Ihre Stimme war so liebevoll sanft und so schlief ich umhüllt von ihren Flügeln ein. Als ich erwachte war es dunkel um mich herum. Ich war panisch, wusste im ersten Moment nicht, wo ich war, doch dann bemerkte ich, dass ich zuhause war. Ich lag in meinem eigenem Bett, doch wie ich hier her gekommen war, blieb mir verborgen...

„Bist Du endlich erwacht?“ flüsterte mir eine Stimme zu. Es war Daria, sie lag neben mir und blickte mir mit ihrem Engelsblick ins Gesicht. Das fahle Mondlicht schien auf das Bett und erleuchtete ihre Gestalt, die sich nun erhob. „Ich möchte mich noch von Dir verabschieden. Du hast so tief geschlafen, dass ich Dich nicht wecken wollte. Deshalb habe ich Chris gebeten, dass wir mit dem Morgengrauen fliegen. Sie warten auf mich, nicht unweit von hier.“ In ihrem Blick war recht viel Melancholie zu sehen, es schien sie etwas zu bedrücken. „Ich möchte, dass Du eines weißt, ich werde Dich immer lieben, egal wohin Du gehst. Mein Herz wird ewig für Dich schlagen und mein Seelenlicht wird Dir leuchten, damit Du den Weg durch das Dunkel findest.“ Meine Stimme zitterte, als ich ihr dies sagte. Eine funkelnde Träne lief an ihrem Gesicht herab und wurde zu einem silbernen Medaillon, welches sie mir in die Hände legte. „Dies ist für Dich, mein Abschiedsgeschenk. In diesem Medaillon ist eine meiner Engelstränen. Sie wird Dich vor allem Unglück bewahren und Dir ewiges Glück schenken.“ Darias Lächeln entfachte unendliche Sehnsucht in mir. Es wollte mich fast zerreißen, dass sie nun wieder von mir gehen wollte. Nein, ich wollte sie nicht gehen lassen! In einer aufbäumenden Welle aus Verzweiflung, umarmte ich sie so fest wie noch nie. Plötzlich spürte ich wieder einen sanften Engelshauch auf meiner Schulter und bekam eine Gänsehaut. In diesem Moment konnte ich einfach nicht mehr anders und küsste sie mit all der Leidenschaft, die in mir brannte. Es war mir alles egal. Ich wollte nur ein einziges Mal mehr als nur ihre geistige Nähe spüren.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie sich danach gesehnt hatte, wenn sie es auch nicht kannte. Obwohl Daria ein Engel war, hatte sie doch auch wie die Menschen tiefe Sehnsüchte und Träume in ihrem Innersten. Ich glaubte ihr in diesem Moment alles geben zu können, wonach sie im Unbekannten träumte. Es war kein Wunschtraum meiner Selbst, ihre Seele zitterte mir entgegen. In meinem Körper kribbelte die Sehnsucht nach ihr, die in einem Inferno aus tiefsten Verlangen zu lodern begann. Ich vergaß alles um mich herum und blickte nur noch in ihre leuchtenden Augen. Daria ließ sich mit den Gefühlen treiben, die um uns herum schwebten, und umschlang mich mit ihren lodernden Flügeln aus unbekannter Zärtlichkeit. In dieser Nacht habe ich sie tiefer gespürt als jemals zuvor. Das Feuer ließ uns in einem unendlichen Taumel eins werden und ich küsste ihr die Träume von der Haut.

(c)by Arcana Moon

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Kommentare zu diesem Text


 franky (02.06.06)
deine wunderschöne geschichte hat mich zu tränen gerührt. meine finger sind noch feucht von den tränen. deine schwingungen die du in diesem beitrag erzeugst, nimmt mich mit und zündet ein seelenfeuer an! jeder mensch muß manchmal licht tanken um wieder voll strahlen zu können; du hast mir es geschenkt. ich danke dir.
liebe grüsse franky

 Mondsichel meinte dazu am 02.06.06:
*lächel* Lieber Franky, ich freue mich das Dich diese Geschichte so sehr berührt hat. Genau solche Reaktionen wollte ich erreichen mit meiner Erzählung. Ein wenig Leidenschaft und Gefühl erzeugen, ein wenig Erkenntnis wecken und Träume malen. Und vor allem, vielleicht einen Anstoß geben intensiver zu leben. Das Leben ist kurz, und die Liebe ein solch wichtiger Bestandteil, an den wir glauben müssen. Den wir leben müssen, mit allen Facettten. Und vor allem, niemand ist reinste Dunkelheit. Egal wie düster die Gedanken, wenn man wahrhaft ist und lebt, dann wird auch das Licht niemals erlöschen. Dann wird man andere mit seinem Licht küssen und ihnen auch das Gefühl geben, nicht zu verzweifeln sondern einfach zu leben und zu lieben, über alle Grenzen hinaus...

Ganz lieben Gruß an Dich,
Deine Arcy

 franky antwortete darauf am 02.06.06:
liebe Arcy
du schreibst so wunderschöne kommentare,
sie sind schon wieder ein gedicht;
ich schicke dir einen sonnenkuß für deine seele,
wir müssen uns gegenseitig anzünden und als fackel der liebe den weg beleuchten,
ein leuchtturm der hoffnung sein, für ein sternenreiches leben.
umarme dich du flamme im sturm
liebe grüsse franky
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