Wie ein Lauer Sommerregen (Abschnitt 3)

Erzählung zum Thema Seele

von  Mondsichel

"Er ist nicht nur der Leadsänger und Texter der Band, er ist auch das markanteste Gesicht. Jeder kennt ihn! Und dann kamst Du, einfach so aus dem Nichts. Er hat sich an Dich geklammert, denn Du kanntest offensichtlich weder die Band noch sein Gesicht. Er wollte einfach nur eine wirkliche Freundschaft. Er wollte einen Menschen der ihn nicht wegen seines Ruhmes und seiner Arbeit, sondern um seiner Selbst willen mag.“ Ich blickte Fabienne an: „Ricky ist der erste Mensch in meinem Leben, der mir gezeigt hat was wahre Freundschaft bedeutet. Durch ihn und durch Dich habe ich erkannt das mein Leben früher kein wirkliches Leben war. Ich lebe jetzt, ich lebe hier, mit Euch. Ich will das auf keinen Fall verlieren und auf keinen Fall was kaputt machen... Lieber gehe ich in die Fremde, als das ich Euch beide verraten würde...“ Fabienne lächelte mich an. „Ich habe eine Idee. Wie wäre es wenn wir Silvermoon mal auf ihrem Konzert besuchen? Heute Abend haben sie wieder einen Auftritt im alten Kloster. Was meinst Du? Hast Du Lust?“ Ich nickte nur noch und so gingen wir am späten Abend ins alte Kloster um uns das Konzert anzuschauen. Es war ein beeindruckendes Konzert, sehr rockig, aber auch sehr tiefgreifend. Ricky war ein fantastischer Sänger und er spielten nebenbei bei einigen Liedern sogar noch Gitarre. Neben ihm gab es noch einen gewissen Jacky am Keyboard, einen Hauptgitarristen namens Roland, einen Basser namens Hunter und den Schlagzeuger Wolf. Sie alle hatten dieses Leuchten in den Augen, aber bei Ricky war es wie der Sternenhimmel und seine Stimme brachte mir den lauen Sommerregen zurück in mein Herz. Wir kämpften uns durch die Massen in Richtung Bühne und schließlich waren wir auch ziemlich weit vorne. Als Ricky uns sah war er ziemlich geschockt, aber ich lächelte ihn nur ermunternd an...

Ich genoss dieses Konzert und als es vorbei war schwangen die Lieder immer noch in meinem Herzen. Ricky wollte Fabienne eine Szene machen, aber ich habe ihm einfach nur den Finger auf die Lippen gelegt und ihn wortlos umarmt. „Wir werden immer Freunde sein Ricky. Es ist mir doch völlig egal ob Du Sänger in einer Band oder Bauer auf dem Lande bist. Deswegen werden meine ehrlichen Gefühle Dir gegenüber nicht weniger. Ich habe doch nur Fabienne und Dich! Und ich will Euch niemals verlieren!“ Ricky beruhigte sich wieder und an diesem Abend sind wir mit der Band noch einen Trinken gegangen. Bier für die Band und für Fabienne, Cola für mich. So wie immer. Und es hat keinen gestört... Kurze Zeit später kam dann sogar der große Tag wo sich sein Bruder offiziell bei mir für sein Verhalten entschuldigte. Eigentlich war Flo gar nicht so schlimm, er war halt nur ein wenig aufbrausend, was ich von Fabienne ja auch schon kannte. Das perfekte Paar wie ich fand. Aber die beiden wussten es wie immer natürlich viel besser und stritten sich am Ende wieder um belanglose Dinge in ihrer typischen Mundart. Aber das war ich inzwischen ja schon gewöhnt... Mit der Zeit wurden wir ein eingeschworenes Team. Ricky, Flo, Fabienne, Jacky, Hunter, Wolf, Roland und ich. Vor der heimischen Presse schirmten sie mich so ziemlich ab und auch sonst halfen wir uns alle gegenseitig wo es nur ging. Es war die schönste Zeit meines Lebens, aber jede schöne Zeit geht mal zuende. Eines Tages stand ein Fremder vor der Gastwirtschaft und wünschte mich zu sprechen. Von den anderen war keiner in der Nähe, auch Fabienne war gerade ausgeflogen, so musste ich ihm ganz alleine gegenüber treten. Irgendwie wusste ich das sich nun vieles ändern würde...

„Annabelle, es wird Zeit nach Hause zu gehen!“ sprach er zu mir mit einer Stimme die fremder nicht sein konnte. Sie schien aus den tiefsten Abgründen meiner Seele zu kommen und lockte mich unentwegt. Ich wusste genau was er meinte, in diesem Moment wurde es mir schlagartig bewusst... „Nein ich will nicht mehr zurück, HIER ist mein Zuhause. Nicht dort in der kalten Welt wo ich einsam und verlassen bin. Wo mich das Leben niederdrückt und langsam auslaugt.“ Der Fremde schaute mich an: „Du hast keine Wahl Annabelle. Ich werde Dich heute mit mir nehmen!“ Er griff mich bei der Hand und zerrte mich mit Gewalt aus der Wirtschaft. Fabiennes Mutter telefonierte sofort mit der Polizei, aber es war zu spät. Ich wehrte mich gegen diesen Unbekannten, der mich direkt zu dem Baum brachte wo ich erwacht bin. „Hier ist der Anfang und das Ende, hier ist der Übergang in Dein wirkliches Leben!“ Ich schrie und zappelte, aber er ließ mich nicht los. Ricky hatte mich rufen hören, er und Flo rannten nun auf mich und den Fremden zu, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen war. Es wurde wieder so unglaublich hell, wie damals, kurz bevor ich mit meinem Cabrio in das gleißende Licht hineinfuhr und hier erwachte... „Annabelle! Du darfst nicht gehen! Ich brauche Dich! Du bist doch mein Mond, ich bin Dein Abendhimmel!“ ich hörte Ricky rufen und blickte verzweifelt über meine Schulter nach hinten. Wie gerne wäre ich zu ihm gerannt, ich wollte nie wieder fort. Der Fremde lachte, er zog mich in das gleißende Licht. „Ricky ich liebe Dich!“ Sein Bild verschwand, alles verschwamm vor meinen Augen, Dunkelheit und Stille...

Das Nächste was ich hörte waren die piependen Geräte im Krankenhaus. Ich öffnete die Augen und blickte mich verwirrt um. An meinem Bett stand ein Arzt, der mich freundlich anlächelte. „Willkommen zurück im Leben! Sie haben uns große Sorgen gemacht Fräulein Degerno. Sie waren cirka 2 Minuten klinisch tot und haben fast ein halbes Jahr im Koma gelegen, wir dachten schon sie wachen niemals auf. „Was, was ist überhaupt passiert? Ich habe nur dieses helle Licht gesehen und Ricky, wo ist Ricky?“ Der Arzt schaute mich skeptisch an und meinte dann nur: „Sie sind mit ihrem Cabrio frontal in einen Baum gerast, sie haben wirklich einen Schutzengel gehabt.“ *UFF* Ich atmete tief durch, das wars denn also mit dem Verkauf des Autos. Aber die ganze Zeit die ich erlebt hatte, das kann doch nicht einfach nur ein Traum gewesen sein, nein das kann nicht sein! Ich habe ihn doch gespürt, diesem Sommerregen der meine Seele erfüllte... Tränen traten in meine Augen als ich begreifen musste, das ich nun wieder genau dort war wo ich vorher schon gewesen war. Keine Freunde, kein Leben, keine Hoffnung und kein Glück... Es dauerte lange bis ich das Krankenhaus verlassen durfte. Danach folgte noch eine lange Reha und ich fühlte mich von Tag zu Tag einsamer. Meine Familie hatte mich nicht mal im Krankenhaus besucht, ich war also wieder ein Nichts, ein Niemand. Das Arbeitsamt hatet in der Zwischenzeit alle Gelder gestrichen und meine Wohnung ist mir auch gekündigt worden. Ich stand vor dem endlosen Nichts... Irgendwie habe ich an dieser Stelle meinen Bezug zur Realität vollständig verloren. Ich wanderte durch die Straßen, nun war ich Obdachlos, besaß nichts mehr außer den Kleidern die ich anhatte. So bin ich dann eines Nachts auf ein Hochhaus gestiegen und habe lange nach unten gesehen... „Tu es bitte nicht!“ Diese Stimme kam mir bekannt vor, ich drehte mich um und da stand tatsächlich Ricky vor mir. Diese Augen voller Sterne, dieses Lächeln, ja er war es! Ich zitterte, es war kalt auf diesem Dach und die gähnende Tiefe lag vor mir...

„Du bist doch mein Mond! Mond und Sterne gehören zusammen! Sonst fehlt dem Horizont doch ein Stück! Du darfst mich nicht so einfach verlassen, hörst Du Annabelle? Du hast es mir doch hoch und heilig versprochen!“ Seine Stimme klang verzweifelt und Tränenunterdrückend. In seinen Augen schwammen Meere und es tat mir in der Seele weh. „Bitte Anabelle, lass mich nicht alleine. Ohne Dich wäre alles so trostlos, dann bin ich wieder genau da wo ich vor Deinem Erscheinen war! Ich will nicht wieder zurück in den Schmerz der Einsamkeit!“ Ich trat vom Abgrund zurück, ging auf Ricky zu und blickte ihm so tief in die Augen wie ich es noch nie getan hatte. „Bist Du Realität? Oder doch nur wieder ein Traum? Es war kein Traum Annabelle, es war ein verzweifelter Schrei zweier Seelen die bereits mit dem Leben abgeschlossen hatten. Aber jetzt wo ich Dich getroffen habe will ich wieder leben, ich will bei Dir sein. Deinen Herzschlag hören, Deine Umarmung spüren. Annabelle, bitte... Ich liebe Dich! Ja ich liebe Dich, über alle Grenzen des Verstandes hinaus...“ An diesem Tag kam ein lauer Sommerregen über unsere Herzen und unsere Seelen und einte uns für alle Ewigkeiten. Der verzweifelte Ruf nach etwas Glück hat uns in unseren Träumen zusammengeführt. Wir haben gespürt und gefühlt, es war mehr als nur ein Traum. Es war die Grenze zwischen Leben und Tod die uns aufeinander treffen ließ... und die uns zeigte das es Dinge gibt die über das menschliche Verständnis hinaus gehen...

Wir waren im selben Krankenhaus, er hatte am selben Tag wie ich einen Unfall. Auch er lag monatelang im Koma, während seine Seele nach etwas Geborgenheit schrie. Ein betrunkener Autofahrer hatte ihn angefahren, gerade als er bei Grün über die Straße gehen wollte. An diesem Tag sollte seine Band einen Plattenvertrag bei einer großen Plattenfirma unterschreiben. Daraus ist leider nichts geworden aufgrund des Unfalls, aber „Silvermoon“ hat nie aufgegeben... Im Leben waren wir so weit voneinander entfernt, aber die Erfahrung mit dem Tod hat uns näher gebracht als jeden anderen. „Für Dich bin ich ins Leben zurück gekehrt Annabelle. Für Dich habe ich diesem Traum verlassen, denn ohne Dich konnte ich ihn nicht mehr ertragen.“ Es war das erste Mal das wir uns küssten und der laue Sommerregen ließ uns träumen von Mond und Sternen. Ich bin zu ihm nach Selencia gezogen. Zwar kannten mich die Leute momentan alle noch nicht, aber das änderte sich bald. Der Traum wurde Realität, es war als wären wir nie woanders gewesen. Und bald tollten wir mit Fabienne, Flo, Wolf, Hunter, Jacky und Roland durch die ewig blühenden Wiesen unser Hoffnungen und Träume... Ich singe nun wirklich in der Wirtschaft von Fabiennes Eltern, der Laden läuft gut. Seit es das Abendprogramm gibt kommen immer mehr Leute zu uns. Das kleine Zimmer habe ich allerdings aufgegeben, ich wohne jetzt mit Ricky und Flo zusammen. Wobei Flo wohl auch bald ausziehen will, er hat Fabienne einen Heiratsantrag gemacht und wird mit ihr zusammenziehen. Irgendwann werden Ricky und ich auch heiraten, aber momentan genießen wir einfach nur die Zeit und das neue Leben das wir bekommen haben. Im immer wiederkehrendem Sommerregen blüht unsere Liebe jeden Tag erneut. Ich habe gelernt das ich so vieles erreichen kann wenn ich nur fest daran glaube und auch dafür kämpfe. Auch wenn ich ganz kurz den Überblick verloren habe, hat mich Rickys Herz doch wieder aufgefangen... Mond und Sterne gehören einfach zusammen. Dem Horizont wird nie ein Stück fehlen, solange wir uns dieses Glück bewahren, das uns ein Traum gebracht hat...[/i]

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

Abschnitt 3/3

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