Es war schon recht spät, als Dave nach Hause kam. Es dämmerte bereits. Das Essen, welches seine Mutter gekocht hatte, war schon kalt. Doch roch es immer noch nach Hähnchen, als Dave die Haustür aufschloss.
Er begrüßte seine Mutter, die in der Küche stand. Nahm einen Teller, legte darauf einen Hähnchenschenkel und ein paar Pommes. Klemmte sich eine Flasche Cola unter den Arm.
„Wie war die Schule?“ Fragte eine Mutter.
„Ach Mama, die Schule war wie immer. Aber jetzt nerv mich bitte nicht damit. Du Mama, was passiert, wenn Menschen sterben? Kommen ihre Körper dann in den Himmel?“
„Warum fragst du mich so was? Ist etwas passiert? Geht es dir nicht gut?“
„Mama, Nici ist tot. Sie hat sich das Leben genommen.“
Die Mutter setzte sich auf den Stuhl der neben dem Tisch stand.
„Oh Gott. Die arme kleine. Das ist schrecklich. Sie war deine Freundin?“
„Ja Mama war sie, aber ich mag jetzt nicht weiter darüber reden. Ich geh in mein Zimmer.
Gute Nacht, Mama. Ich brauch für die Schule morgen noch eine rote Kerze. Kannst du…“
„Ja, ich stell dir eine auf den Tisch. Gute Nacht, mein Junge.“
Dave lief die kleine schmale Treppe herauf, die zu seinem Zimmer führte.
Er betrat sein Zimmer, stellte den Teller und die Cola auf den Schreibtisch und schmiss mit lautem Knall die Zimmertür zu.
Dave war noch immer wütend. Wütend auf Kevin. Er setzte sich an seinen Schreibtisch. Kramte unter einem Papierstapel sein schwarzes Büchlein hervor, nahm seinen Lieblingskuli, den mit der Füllermine. Nun nahm er die Colaflasche, schraubte sie auf, und trank einen großen Schluck aus der Flasche, dann stellte er sie wieder auf den Schreibtisch.
Er begann, wie jeden Abend zu schreiben:
Heute ist der 15te Mai.
Mein liebes Tagebuch, nun ich weiß ja selbst das du nur ein Block bist. Trotzdem! Ich bin traurig heute. Nici ist tot, sie hat sich das Leben genommen. Und das auch noch mit meinem Messer. Dieses Miststück. Nun ja, eigentlich ist sie ein ganz liebes und fröhliches Mädchen. Wenn da mal ihr Bruder Kevin nicht wäre. Ich musste Nici damals versprechen, niemandem etwas davon zu erzählen. Sie sagte es sei unser Geheimnis, nun ich habe mit niemandem darüber gesprochen, doch jetzt wo Nici tot ist, möchte ich das es alle erfahren, ich will, dass sie alle wissen, was Kevin mit ihr gemacht hat. Was mach ich nur? Ich weiß nicht weiter. Kevin weiß, dass es mein Messer war, mit dem sie sich umgebracht hat. Er hat mich deshalb ganz schön angefaucht. Ich dachte doch nicht, dass sie sich wirklich etwas antut. Ich hielt das für ein Spiel, so wie schon all zu oft. Wäre ja nicht das erste Mal. Du weißt doch wie gern ich solche Spiele mag. Nici hat mein Messer doch auch schon öfter benutzt. Ich habe immer zugesehen. So schön, so rot war ihr Blut.
Als ich sie gestern traf, sie saß wie immer auf dem Spielplatz. Da stimmte irgendwas mit ihr nicht. Sie weinte. Sie wollte mir nicht sagen, was los ist. Ihre Haare waren zerzaust, ihre blaue Bluse war zerrissen. Dabei mochte sie diese Bluse doch so gerne. Der Umriss ihres wunderschönen linken Auges war geschwollen. Auf ihrer linken Wange sah ich einen großen blutigen Kratzer. Ihre Augen waren so feindlich, so hasserfüllt. So hatte ich sie noch nie gesehen. Ich kenn sie doch schon so lange, sie war immer fröhlich, hat sich gefreut. Immer hat sie gelächelt und auch über meine dummen Sprüche gelacht. Was soll ich denn nur tun?
Wenn ich zur Polizei gehe, das war mein Messer. Die könnten denken ich hab sie umgebracht. Und wenn ich zu unserem Psychoheini gehe. Ich weiß nicht ob er mir glaubt…
Aber vielleicht könnte ich ja, so als letzte Möglichkeit, mit Soey sprechen. Der besten Freundin von Nici. Vielleicht weiß sie auch von dem was Kevin getan hat? Gleich morgen früh werde ich sie fragen, vielleicht hilft sie mir. Sie ist meine einzige Möglichkeit… Etwas anderes fällt mir nicht ein. Kevin sitzt mir im Nacken. Aber wenn die alle wüssten, was Kevin mit Nici gemacht hat… Ach Tagebuch, ich sitz in einer Zwickmühle… Wenn du mir doch wenigstens einen Rat geben könntest…
Ich werde dir dann Morgenabend berichten, wie es gelaufen ist. Gute Nacht!
Dave legte den Kuli zur Seite, klappte sein Büchlein zu, verstaute es wieder unter dem Papierstapel, stand auf und legte sich auf sein Bett. Er schloss die Augen.
Er dachte wieder an Nici.