Gegenschlag
Verstand vs. Irrsinn
Eine archivierte Kolumne von Melodia
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Das Ende vom Lied
Die ganze letzte Woche über war ich schon fast am verzweifeln, was für ein Thema die nächste Kolumne haben könnte. Doch dann nahm man mir die Entscheidung zum Glück einfach ab: Whitney Houston verstarb und wieder einmal konnte man sich über das Ausmaß und der merkwürdigen Formen der Trauerbekundungen wundern. Nicht zuletzt auf sozialen Plattformen, auf denen jeder zweite Benutzer ein Musikvideo besagter Sängerin postet und das obligatorische R.I.P. darunter setzt. So als ob man die Person persönlich kennen würde. Schön, wenn ich von so etwas auch profitieren kann. Na dann wollen wir mal.
Interessanterweise passiert dass bei jedem mehr oder weniger Prominenten der dahinscheidet und gerade die Stars und Sternchen der Musikbranche scheinen ein beliebtes Ziel dieser Zurschaustellung von Kummer zu sein. Man muss sich nur an die letzten Jahre erinnern und man bekommt ein gewisses Bild davon. Fangen wir am besten mit dem aktuellsten Todesfall an.
Whitney Houston. Ihre Karriere schien vorherbestimmt zu sein, stand sie doch als Teenager bereits auf der Bühne und begann sogar zu modeln. Ihre Patentante ist übrigens Aretha Franklin. Wenn das keine guten Umstände und Voraussetzungen sind. Ihr nicht unerhebliches gesangliches Talent trug auch sein Teil dazu bei, dass sich Frau Houston ihre Alben und Singles mehr als 170 Millionen Mal verkauften und sie insgesamt über 400 Auszeichnungen erhielt, darunter sechs Grammys, von denen ich zwar mittlerweile so viel halte wie von den Oscars, nämlich gar nichts, aber sei es drum. Außerdem hat sie auch in einigen Kinofilmen mehr oder minder erfolgreich geschauspielert.
Erst in den letzten Jahren wurde es etwas ruhiger um Whitney. Das lag mitunter sicher auch an ihren Drogen- und Eheproblemen, wobei ich mich da fragen muss, wieso sie selbst 2011 noch einen Rückfall hatte? Klar, eine Sucht ist keineswegs von einem Tag auf den Anderen zu besiegen, aber sie war seit 2007 geschieden und hatte das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter. Wenn das kein Ansporn ist! Eine Frau, die eigentlich alles hat und sich kaputt macht. Der muss langweilig gewesen sein.
Beim Fräulein Winehouse verstehe ich den chronischen Drogenkonsum wenigstens noch. Sie erfüllt einfach jegliches Klischee: Scheidungskind, aufsässig, rebellisch und doch talentiert und kreativ. So schnell wie sie aufstieg, fiel sie auch wieder. Sehr tief. Die Jahre 2007 und 2008 waren unglaublich erfolgreich für die Sängerin. Bei den Grammys 2008 war sie in sechs Kategorien nominiert und konnte fünf davon gewinnen. Dennoch scheinen sich auch hier ein Abguss vergangener Musiker abzuzeichnen: Der bereits erwähnte Drogenkonsum diverser Substanzen, dazu kamen Magersucht und Bulimie. Und das sind nur einige ihrer Probleme gewesen. Das Ende vom Lied: Tod durch Alkohol. Stolze 4,16 Promille und der Klub 27 hatte ein neues Mitglied. Noch so ein Medienkonstrukt. Bekannteste Mitglieder: Jimi Hendrix, Kurt Cobain, Jim Morrison, Janis Joplin und Brian Jones. Alle kamen mit 27 Jahren ums Leben. Alle durch Drogeneinfluss.
Ein Jahr davor starb der vielleicht erfolgreichste Musiker des vergangenen Jahrhunderts. Michael Jackson hat mehr als 750 Millionen Tonträger verkauft; sein Album „Thriller“ ist bis heute das erfolgreichste aller Zeiten. Insgesamt gewann er 13 Grammys. Und er hält noch weitere Rekorde, wie die meisten Nr.1 Hits in den USA, nämlich 14 Stück, davon fünf auf einem einzigen Album und die teuersten Musikvideos. Gleichzeitig spendete er zu Lebzeiten mehr als 300 Millionen Dollar an Wohltätigkeitsorganisationen, wofür er zwei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Das der „King of Pop“ in seinen letzten Jahren eher einen verwirrten Eindruck machte, lag an einer Vielzahl von Faktoren. Stress, bedingt durch die falschen Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauch und den Berichtsverzerrungen durch die Medien. Damit zusammenhängend Schlaf- und Essstörungen. Von seinen anderen Krankheiten, wie die seltene Vitiligo, die seine Haut über die Jahre hinweg weiß werden ließ, sowie Verletzungen, will ich hier gar nicht reden. Was folgte war eine Schmerzmittelsucht, von der wir wissen wie sie geendet hat.
Und wie war es damals bei Amy Winehouse und Michael Jackson? Exakt so, wie es aktuell mit Whitney Houston passiert: Jeder zweite meint seine Meinung und „Trauer“ kund tun zu müssen, jede Stunde hört man in Radiosendern mindestens fünf Lieder besagter Toten und die Plattenfirmen lachen sich ins Fäustchen. Von wegen Geldmangel und Not. Allein wie Michael Jackson nach seinem Tod ausgebeutet wurde grenzt an Nekrophilie. Innerhalb von jetzt nicht einmal zwei Jahren, gab es einen Kinofilm, Videospiele, DVDs, Neuauflagen seiner Platten, sowie drei neue Scheiben. Ein unglaublicher Erfolg. Nach einem halben Jahr waren 24 Singles und neun Alben in den US-Charts vertreten; weltweit nochmals 30 Millionen verkaufte Tonträger. Leichenfledderei bis auf die Knochen!
Wenn da mal Whitneys Arbeitgeber nicht schon die Kasse klingeln hört. Das sind die Momente, wo ich mich freue, einer eher chartfernen Musikrichtung zu huldigen. Als Musikgrößen wie Ronald James Padavona und Darrell Lance Abbott kürzlich starben, gab es keinen Medienaufruhr. Zur Hilfe: Ronald James Padavona ist besser bekannt unter dem Pseudonym „Ronnie Dio“ und war Sänger der Band „Dio“, kurzzeitig von „Black Sabbath“, sowie von „Rainbow“, da zusammen mit „Deep Purple“-Gitarrist Ritchie Blackmore. Darrell Lance Abbott, war besser unter dem Namen „Dimebag Darrell“ bekannt, seines Zeichens Klampfengott der Band „Pantera“. Beide Männer waren Wegbereiter neuer Stilrichtungen und Impulse. Beide Männer kamen ohne Skandale aus.
Und auch wenn es abgedroschen klingt, aber was juckt mich der Tod einer drogensüchtigen Multimillionärin, die alles hatte im Leben, wenn in Afrika täglich über 20.000 Menschen sterben, weil sie nichts zu essen haben? Trauert um Freunde, Bekannte und Verwandte, aber lasst die Heuchelei mit den Trauerposts. Die Musik wird es weiterhin geben und es euch danken, wenn man sie nicht für so einen Blödsinn missbraucht. Man kann auch sie zu Tode hören.
Ruht euch in Frieden aus.