Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 19. Juni 2012, 22:35
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Fratelli d’Italia, l’Italia s’è desta

Was werden die Italiener zurzeit von Katastrophen geplagt! Als ob die stärkste Erdbebenserie seit Jahrhunderten in der Emilia-Romagna nicht reichen würde, nein, da muss seit November letzten Jahres auch noch eine mehr oder minder menschliche Gestalt das Land kontinuierlich erschüttern. Der Name des Unheils ist Mario Monti und seines Zeichens Ministerpräsident Italiens. Aber weil das nicht zu reichen scheint, vereint er auch noch den Posten des Finanz- und Wirtschaftsministers in seiner Person. Könntet ihr euch das bei der Merkel vorstellen?!?!

Der Mann ist gelernter Ökonom, parteilos, Universitätsprofessor, hat in Yale studiert, verzichtet freiwillig auf Teile seines Gehaltes und nutzt sowohl privat als auch auf Dienstreisen mit Vorliebe öffentliche Verkehrsmittel. Auf den ersten Blick erscheint er wie ein gebildeter und volksnaher Mensch, der versucht sein Land aus der Finanzkrise zu führen. Bei näherem Betrachten erkennt man allerdings, dass Monti eher noch schlimmer als sein Vorgänger Berlusconi ist. Eigentlich eine Sache der Unmöglichkeit, in Anbetracht solcher geradezu grandioser Aussagen wie „es ist richtig, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, aber ich bin gleicher, weil mich die Mehrheit des Volks gewählt hat“. Ob das wiederum stimmt ist eine andere Frage, genauso wie lange Monti wohl noch den Bus benutzen kann, ohne gelyncht zu werden!

Da sich Bunga Bunga Berlusconi mehr oder minder unerwartet, sowie sang und klanglos aus der Politik verabschiedet hatte, musste Staatspräsident Napolitano eine Übergangsregierung beauftragen, das Ruder des sinkenden Schiffes zu übernehmen. Dabei fiel seine Wahl auf den Wirtschaftsexperten Monti, dem Kapitän der Costa Concordia. Würde mich schon interessieren, was sich der ehemalige Kommunist bei der Entscheidung gedacht hat, einen Berater von Coca-Cola und Goldman Sachs auszuwählen!? Danke dafür! Diesmal kann man nicht mal das italienische Volk zu ihrem neuen Chef beglückwünschen, denn es wurde nicht gefragt, ob es einverstanden sei! Das ist also parlamentarische Demokratie.

Jetzt ist es ja nicht so, dass Italien seit dem 2.Weltkrieg jemals eine funktionierende Regierung gehabt hätte und die Bürger haben dies erkannt und sich damit abgefunden, dass es egal ist wer regiert, ändern tut sich doch nichts. Das Leben ging dennoch weiter und solange man sie weitestgehend in Ruhe ließ, waren alle glücklich. Über die Einstellung kann man jetzt streiten, hat aber etwas ruhiges, fast Zen-artiges, was hier in Deutschland fehlt. Geschimpft wird so oder so, aber wenigstens kann man das Drumherum etwas genießen. Aber wenn die neue Regierung gerade mal einem Tag im Amt ist und bereits tausende Menschen durch die Straßen ziehen, um dagegen zu demonstrieren, dann sollten auch bei zuversichtlichen Zeitgenossen die Alarmglocken läuten. Jetzt ist es nämlich aus mit der „Dolce Vita“!

Denn der Senator auf Lebenszeit Monti (noch so ein Witz für eine Demokratie) und sein parteiloses „Expertenkabinett“ gehen alles andere als mit mediterraner Gelassenheit an die Durchsetzung ihres Sparpaketes „Salva Italia“ (Rette Italien), für dessen Namensgebung wohl Mussolini höchstpersönlich aus dem Grabe gestiegen ist. Aber natürlich wird nicht an den Millionengehältern von Konzernchefs und Managern gespart! Betroffen sind Rentner, die erhebliche Kürzungen hinnehmen müssen, sowie kleinere Angestellte und Arbeiter. „Monti macht uns alle zu Bettlern“ hört man die Menschen auf Demonstrationen skandieren, womit sie nicht unrecht haben. Natürlich eskaliert die Situation regelmäßig und es kommt zu Übergriffen beiderseits; Molotowcocktails werden auf Finanzgebäude geworfen; die Regierung droht nach „den Angriffen auf den Staat“ mit dem Einsatz der Armee. In manchen Ländern würde man diesen Zustand bereits als Bürgerkrieg bezeichnen.

Und die Schuldenkrise breitet sich weiter aus. Die sogenannten „Lösungen“ und „Hilfspakete“ können den Prozess allenfalls verlangsamen, aber es wird noch zu mehreren Staatspleiten kommen. Im Schnitt sind die Länder der EU mit 80% ihres Bruttoinlandsproduktes verschuldet, allen voran Griechenland und Italien mit knapp 120%. Deutschland übrigens mit ziemlich genau 80%; außerhalb der EU sind die USA mit über 100% dabei und Japan hält mit 200% den derzeitigen Weltrekord. Wie soll da eine Entschuldung überhaupt möglich sein? Geht es überhaupt darum, Schulden abzuzahlen? Nein! Wie auch?! Es geht um die Zinsen! Doch je höher man verschuldet ist, desto mehr steigen die Zinsen, was sie dank Inflation ohnehin tun. Der Kapitalismus trägt schon prächtige Blüten!

Zu diesen äußeren Faktoren kommen noch die Bürger, die auf Grunde dieser unsicheren Lage und den Steuererhöhungen, natürlich weniger Geld ausgeben als sonst. Damit bleiben den betroffenen Ländern eigentlich nur zwei Möglichkeiten übrig: Entweder man verlässt die Währungsunion, was niemals passieren wird, führt eine eigene Währung ein und muss diese dazu noch radikal abwerten. Habt ihr noch ein paar D-Mark Scheine daheim? Oder man bleibt im Euroverbund, muss aber eine genauso extreme Deflation in Kauf nehmen. Wörtlich gemeint. Denn die Nutznießer davon wären die Geldvermögenden, da eine Deflation ihr Kapital von Zinsen bereinigt, während alle Löhne und Preise rapide sinken würden. Süß, das Rettungsschirmchen, oder?

Von den Griechen kann man schon um die 10% Zinsen verlangen, was mehr Geld ist, als das Land durch Steuern einnimmt, selbst wenn man davon ausgeht, dass alle gezahlt werden! Und jetzt ist auch Spanien bankrott! Das mit der Pleite der spanischen Banken hat aber fast niemand mitbekommen, da am selben Abend der Verkündigung das EM-Spitzenspiel der Pleitestaaten Spanien-Italien stattfand. Die Regierung hatte um finanzielle Hilfe gebeten und die EU stellt 100 Milliarden Euro zur Verfügung. Eigentlich noch immer zu wenig. Hatte der spanische Ministerpräsident nicht noch vor kurzem groß verkündet, dass „es keine Rettung der spanischen Banken geben wird“?! Naja, Politiker können ja schließlich nicht jedes Versprechen einhalten. Dazu unser Spaßvogel Schäuble auf die Frage, ob es eine einmalige Zahlung war: „Davon gehe ich aus, denn insgesamt ist Spanien auf einem guten Weg.“ Ich sag noch, der Mann hat Humor!

Wenn jetzt noch Italien Pleite geht, helfen da weder EFSF noch ESM, denn das Geld in den Töpfen reicht schon für Spanien nicht. Wie soll man dann erst die siebtgrößte Volkswirtschaft sanieren? Herr Monti hat da sicher schon einen Plan. Überhaupt scheint er nur so vor tollen Ideen zu sprudeln. Dank des rigorosen Vorgehens, den Geldeintreibungen, Zwangsversteigerungen und Beschlagnahmungen der Steuerbehörde „Equitalia“ ist eine wahre Selbstmordwelle über Italien eingebrochen. Und dann wundert sich die Regierung über gewalttätige Proteste?! Mindestens 14% der Italiener leben in Armut, knapp 5% darunter! Die Arbeitslosigkeit wächst. Da macht man doch lieber noch Geschäfte mit der Mafia oder Cosa Nostra. Ums Überleben geht es so oder so, sicher ist ohnehin nichts und die Zinsen sind besser!

Zumal Monti noch einen drauf setzen kann! Denn es wurde beschlossen, dass man in Italien keine Bargeldzahlungen mehr über 1.000 Euro tätigen darf. Für die meisten Italiener eine Zumutung, da sie innerhalb der EU das Volk sind, dass sowohl am sparsamsten mit Geld umgeht, als auch die wenigsten Privatschulden aufweist. Da blutet jetzt so manches deutsches Herz, oder? Aber vor allem zahlen sie fast alles mit Bargeld, da ihnen Bank- und Kreditkarten zuwider sind. Und jeder der eine solche Karte besitzt weiß, wie schnell mal rote Zahlen auf dem Konto stehen. Womit wir beim zweiten Punkt wären, denn über sieben Millionen Italiener besitzen kein Konto. Das Gesetz nötigt somit auch diese Menschen ein solches zu eröffnen und die Bürger insgesamt mehr mit Kreditkarten zu zahlen. Und wer freut sich? Die Banken natürlich! Nicht genug, dass sie jede Geldverschiebung kontrollieren und einsehen können, denn das Benutzen von Kreditkarten ist ohnehin mit Gebühren verbunden. Ich bin gespannt wie lange es dauert, bis ein Oppositioneller mal im Kaufhaus steht und es dann heißen wird „ihre Karte wird nicht akzeptiert“.

Übertriebene Vermutungen?! Ja? Dann schauen wir mal über den großen Teich, wie es so schön heißt. In den USA hat die „Homeland Security“ dazu ein Video veröffentlicht, indem implizit gesagt wird: wer in bar zahlt steht im Verdacht ein Terrorist zu sein (http://www.youtube.com/watch?v=lolnRc1_3Hk&feature=player_embedded und lest bitte das weiße eingeblendete Feld! Das Bush-Idiotie-Syndrom scheint in den USA die Oberhand zu gewinnen). Das ganze Gesetz ist ja insofern schon ein Mahnmal der Montidemenz, als dass es für den Kampf gegen die Steuerhinterzieher geplant ist. Weil diese ja meist alles in bar zahlen, oder? Wer fragt mal in Zürich, Monaco, Liechtenstein oder auf den Kanalinseln nach, wann ein Kunde zuletzt persönlich da war, um ein klein wenig Geld zu deponieren?

Während also in Griechenland der ehemalige Vizepräsident der EZB als Ministerpräsident vereidigt wurde - wohlgemerkt derselbe Mann, der damals sein Land zur Annahme des Euros geraten hatte – treibt in Italien ein anderer Wirtschaftsguru sein Unwesen. Mal schauen wie lange, denn der aktuelle EZB-Chef ist Italiener und bei dem Verschleiß an Ministerpräsidenten, den meine zweite Heimat hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Monti seine (Geld)koffer packen kann.

Wenn ihm da die Bürger nicht zuvor kommen. Denn eines hat Herr Monti richtig erkannt: „Was wir benötigen, ist eine Revolution im italienischen Denken und das braucht Zeit. Was wir hier machen ist der erste Schritt."

Da sind wir wohl einer Meinung!

Ciao

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(20.06.12)
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 Melodia (21.06.12)
vielen dank! das weiß ich sehr zu schätzen!

lg

 Melodia (26.06.12)
danke! ja ich habe da auch ein paar insiderinformationen... wenn man es so bezeichnen möchte^^

und was das zahlen mit bargeld erscheint auch mir intelligent zu sein... hoffentlich bleibt das auch so... aber naja der Monti möchte die grenze vermutlich noch heruntersetzen!

lg
Nomenklatur (63)
(27.06.12)
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 Melodia (28.06.12)
eben: noch nicht! ich zahle auch alles bar... und besitze weder kreditkarte noch sonst irgendwas in der richtung... warum auch!?!? man zahlt gebühren, sieht nicht wie viel man bereits ausgegeben hat und wenn gewünscht, kann das jeweilige kreditinstitut jede transaktion verfolgen! als ob fingerabdrücke im personalausweis nicht reichen würden! ach ich reg mich nur wieder auf!^^

so dann mal auf uns... wir ollen "terroristen"

lg
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