Gegenschlag

Von allen Göttern verlassen

Nur noch knapp drei Wochen, dann ist wieder Weihnachten. Und was wäre die Adventszeit nur ohne traditionell-christliche Tugenden? Dazu gehört auch ein wohlbekanntes Weihnachtswunder, denn als ich letzte Woche anfing, mich genauer über das deutschsprachige Blog „kreuz.net“ zu informieren, war dieses noch online und erreichbar. Seit dem 2.Dezember nicht mehr. Wessen Gebete da wohl erhört wurden?

Vielen mögen diese selbsternannten „katholischen Nachrichten“ vermutlich nichts sagen – was theoretisch auch gut ist – denn auf der Seite wurden dermaßen konservative Ansichten vertreten, dass die Inquisition selbst vor Neid erblasst wäre. Eine Gruppe von Menschen, die den Kölner Kardinal Meisner als „Neokonservativen“ titulieren und für die CDU/CSU eine „Homo- und Abtreibungspartei“ darstellt. Nur damit wir alle wissen, auf welchen Niveau hier argumentiert wurde. Seit 2004 wütete und hetzte das Blog gegen alles, was nicht mit den katholischen Traditionen vereinbar war: Abtreibungen, Sterbehilfe, Muslime, Homosexualität und natürlich das Zweite Vatikanische Konzil. Und das ist nur die Spitze des Kirchturms! Denn ihre Abneigung gegenüber „Protestunten“ und der hauseigene Kreationismus sind ein Witz gegenüber den rassistischen, antisemitischen Äußerungen, bis hin zur Holocaustleugnung!

Jetzt mag sich die Frage aufdrängen, weshalb dieses reaktionäre Geschmeiß solange ihr Unwesen treiben durfte. Nun, zunächst einmal wurden die allermeisten Beträge anonym oder unter einem Decknamen ins Netz gestellt, denn „kreuz.net" akzeptiert ohne Namen eingereichte Informationen und betrachtet es als Ehrensache, die strikte Anonymität […] zu wahren“; so stand es im Impressum. Dass der Begriff „Information“ in diesem Zusammenhang etwas unglücklich gewählt ist, lassen wir für den Moment außen vor. Eine Frage der „Ehre“ schien es auch zu sein, alte Texte von Goebbels und Himmler erscheinen zu lassen. Natürlich dürfen in dieser illustren Runde weder die verbalen Ergüsse Ahmadinedschads, noch die des britischen Pius-Bruder, Bischofs und mehrfachen Holocaustleugner Richard Williamson fehlen – bei „kreuz.net“ übrigens „Heldenbischof“ genannt. Die wenigen bekannten Verfasser von Artikeln sind alles erzkonservative Traditionalisten aus dem deutschsprachigen Raum, denen der rechte Arm schon zittert.

Es wird vermutet, dass die umstrittene Pius-Bruderschaft dahinter steckt. Diese distanzierte sich davon, allerdings mehr schlecht als recht, wenn man behauptet, die Inhalte seinen „nicht ganz perfekt“ und dass jemand zumindest versuche, die traditionellen Auslegungen der Kirche zu verteidigen. Sicher kann man sich dennoch nicht sein, da das Unternehmen in Kalifornien firmierte, mittlerweile aber in Panama saß und allein 2012 die Server fünf Mal verlegte. Stets außerhalb Deutschlands. Vermutlich waren die angegeben Daten ohnehin nur virtuell und nicht real. Fast so, wie der Heilige Geist, oder?

Die Sprache so mancher Artikel lässt düstere Erinnerungswolken längst vergangener Tage zusammenbrauen, aus einer Zeit, in der Hexenverbrennungen zum guten Ton gehörten. Was anders ist wird verfolgt und der Ketzerei beschuldigt. Da heißt es z.B. „der Ökumenismus ist ein Werk des Teufels“, oder in einem Text über das „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ mit dem Titel „Ein Denkmal für Straftäter“, in dem der Verfasser meint „Homo-Verlangen ist zwar eine schlimme Geisteskrankheit, aber erfahrungsgemäß immer vollständig heilbar.“ Ob er sich dabei auf persönliche Erfahrungen beruft wird nicht deutlich. Das Fass zum überlaufen brachte schließlich ein „Nachruf“ auf Dirk Bach, indem stand, er „brenne nun in der ewigen Homo-Hölle.“ Kritische Kommentare unter den Beiträgen, wurden von der Redaktion einfach wieder gelöscht. Mit Meinungsfreiheit hat das nichts mehr zu tun. Mit Intelligenz und Sachverstand noch weniger.

Selbstverständlich wird strafrechtlich nach den Urhebern dieses Schandflecks geahndet. Dass die Kombination aus sich im Ausland befindliche Täter/Server und Bundesverfassungsschutz so seine Tücken hat, sollte niemanden verwundern. Und die USA scheinen damit kein Problem zu haben, aber vielleicht fehlt der „Homeland Security“ einfach nur jemand, der Deutsch spricht und es ihnen schnell übersetzen konnte, solange es noch ging. Der Bruno Gmüder Verlag hat die Sache jetzt in die Hand genommen; auch wenn es sich im ersten Moment merkwürdig liest. Dieser setzte im Oktober eine Belohnung von 15.000 € für Informationen und Ergreifung aus. Dabei wird es nicht bleiben, da stetig Spenden dazukommen. Der Verlag lud in einem Brief die „Deutsche Bischofskonferenz“ ein, sich bei der Aktion zu beteiligen. Bisher wohl ohne Antwort.

Eine richtige Überraschung war das für mich nicht, auch wenn sich Vatikan, Bischofskonferenzen und etliche andere katholische Einrichtungen vehement von „kreuz.net“ distanziert hatten. Aber es ist ja nicht so, als ob sich die katholische Kirche in der Moderne mit Ruhm, Neuerungen und einer Öffnung bekleckert hätte. Zugegeben, es finden Gespräche mit anderen Religionen statt, aber was Themen wie Abtreibung, Sterbehilfe oder Homosexualität betrifft, zeigen sich noch immer alte Ressentiments. Dazu kommt, dass in jedem deutschen Bistum, mindestens eine Einrichtung den Newsletter von „kreuz.net“ abonniert hatte, auch wenn es sich meist um die Pressestellen handelte. Es gibt allerdings mit Sicherheit bessere Quellen! Doch wenn interne Dokumente publiziert werden, wie z.B. das über den Umgang mit innerkirchlichen Fällen sexuellen Missbrauchs 2011 und das nur wenige Stunden nach seiner Fertigstellung, kann man von V-Männern ausgehen. Der Teufel ist ein Eichhörnchen und trägt eine Kutte.

Die katholische Kirche steckt in einem internen Religionskrieg. Auf der einen Seite offenere Menschen, die für mehr Teilnahme von Frauen, mehr Ökumene und die Abschaffung des Zölibats plädieren. Auf der anderen Seite wächst die Schar der Fundamentalisten, die Latein bald als Weltsprache einführen möchten und schon die Scheiterhaufen zusammentragen, damit sie der alttestamentarische Gott höchstpersönlich entfachen kann. Junge Laien gegen alten Klerus. Der Wandel wird kommen, doch Gruppen wie „kreuz.net“ tun alles Mögliche, um es zu verhindern. So wenig ich von Kirchen auch halten mag, aber eine zeitgemäße Ausführung ihres Glaubens, würde wesentlich ansprechender auf die Schäfchen wirken, als Lügen, Intrigen und altbackene Weltbilder. Aber das ist nur meine Meinung. Doch ich finde es schon traurig, dass sich die Stockkonservativen das moderne Medium Internet bzw. Blog zu Nutze machen, um ihren Unsinn zu verbreiten, während die „offizielle“ Kirche nicht mal eine gute, „offizielle“ Homepage besitzt.

Die Urheber von „kreuz.net“ ausfindig zu machen, wäre beinahe schon eine Geheimdienstaufgabe oder würde zumindest die Zusammenarbeit internationaler Fahnder voraussetzen. Vielleicht haben die alten Kreuzträger aber auch Lunte gerochen.

Die Seite ist nun seit einigen Tagen nicht mehr aufrufbar, wie lange weiß jedoch niemand, denn die Domain befindet sich im Status „locked“, was daraufhin deutet, dass die „Menschen“ hinter „kreuz.net“ selbst den Stecker gezogen haben.

Auch eine Art der Sterbehilfe.