Gegenschlag
Verstand vs. Irrsinn
Eine archivierte Kolumne von Melodia
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Sattelt die Pferde
So ganz kann ich mir den ganzen Pferdefleischskandal-Wahn nicht erklären. Mal abgesehen davon, dass niemand glücklich zu sein scheint, wenn wir nicht mindestens alle zwei Jahre eine vermeidliche Horrormeldung aus der Nahrungsmittelindustrie vorgesetzt bekommen. Schon erschreckend, diese Regelmäßigkeit. Aber ist Pferdefleisch nicht ein ganz normales Lebensmittel? Zumindest in meiner anderen Heimat Italien gibt es in jedem Supermarkt auch Pferdefleisch zu kaufen. Und es schmeckt. Auch zwischen Nudelplatten und mit Käse überbacken.
Als Vegetarier ist man ohnehin anderer Ansicht, aber dass Omnivoren aufschreien, verstehe ich beim besten Willen nicht. Bei einer Lasagne schmeckt man ohnehin nicht, um was für Fleisch es sich handelt, selbst wenn man bestimmte Fleischsorten nicht zu sich nehmen möchte. Versteht mich nicht falsch, es ist schon richtig und fair, wenn die Verbraucher wissen was sie zu sich nehmen und dabei nicht hintergangen werden. Genauso wichtig ist es, Missstände und Betrügereien zu ahnden. Doch in manchen Ställen, wären Politiker und andere Heuchler besser aufgehoben, als die Tiere.
Kunden möchten so wenig wie möglich Geld ausgeben, Firmen möchten so viel Gewinn wie möglich einfahren und Politiker stehen dazwischen und versuchen, nicht aufgespießt und geschlachtet zu werden. Die „Geiz-ist-geil“-Mentalität scheint dermaßen tief in die Hirne eingeimpft worden zu sein, dass auch keine Kennzeichnung mehr helfen würde. Zumal zum gefühlt tausendsten Mal verlangt wird, dass man Nahrungsmittel besser markiert, öfter und gründlicher Betriebe kontrolliert und Vergehen schärfer bestraft. Hat man bisher auch nur eines dieser Vorhaben erfolgreich in die Tat umgesetzt? Selbst wo „Bio“ draufsteht kann „Müll“ folgen. Nicht wahr, liebe Eier?
Was ist mit dem darin entdeckten Medikament Phenylbutazon? Nein, dieses Dopingmittel für Pferde ist keineswegs harmlos für den Menschen. Allerdings in hohen Dosierungen und bei der gefunden Menge müsste man schon hunderte Hamburger essen. Nein, McDonalds und Burger King verkaufen sicher nicht nur Pappe zwischen ihren überteuerten Milchbrötchen. Wie war das gleich mit Antibiotika und anderen Substanzen im Schweinefleisch? Der Dioxin-Skandal ist auch noch nicht lange her. BSE, Schweine- und Vogelgrippe sind alle an uns vorüber gezogen, ohne dass auch nur ein Mensch in Deutschland gestorben ist, während die gewöhnliche Grippe jährlich einige hundert Leben fordert. Doch die Hysterie war allgegenwärtig. Versucht das mal einem Menschen um 1350 zu erklären!
Ich möchte keineswegs die Gefahren solcher Erkrankungen herunterspielen. Aber ist es normal, dass Fleisch aus Rumänien, das mit einem Laster durch halb Europa transportiert werden muss, billiger ist als jenes vor der eigenen Haustür? Dass es zur günstigen Verarbeitung nach Zypern geschickt wird, um dann in Frankreich verpackt und in Deutschland verkauft zu werden? Allem Anschein nach schon. Denn in unserem Wirtschaftssystem zählt jeder Cent. Dass man dabei gerne mal den Überblick verliert ist verständlich. Würde mir auch nicht anders ergehen.
Da helfen auch Sanktionen und Verbote innerhalb der EU nichts. In Deutschland sind Januar 2012 Legebatterien für Hühner verboten. Schweine dürfen nicht auf engsten Raum gehalten werden. Aber was tun gewiefte Firmen? Billig importieren! Und solange das Gewissen von Verbrauchern und Politikern beruhigt ist, sind alle glücklich. Ehrlich, wer schaut immer und bei jedem Lebensmittel auf Herkunft und Zutaten? Selbst wenn: es gibt unzählige Produkte, wo man nur erahnen kann, was sie beinhalten. Würstchen im 20er-Pack und Tiefkühlcurrywurst erwecken zumindest bei mir kein Vertrauen. Wenn ich Knochenreste verspeisen möchte, dann esse ich Gummibärchen.
Der Staat lässt so einiges durchgehen. Aber schön wenn es exakte gesetzliche Vorgaben gibt, an die sich jedes Unternehmen halten muss. In den USA ist es z.B. legal bis zu neun Milligramm Rattenkot pro Kilogramm Weizen mitzuverarbeiten! Ist vielleicht nicht viel, aber ekelig. Würde mich auch interessieren, wer und wie man das genau abwiegt.
Angesichts der Sachlage wundert es mich eigentlich, dass nicht mehr „Skandale“ aufgedeckt werden. Solange nichts geändert und verbessert wird, werden Fleischfresser auch weiterhin das Risiko eingehen müssen, Abfall mit zu vertilgen; vor allem wenn man beim Einkauf ausschließlich auf die Geldbörse schaut. Man muss nicht jeden Tag Fleisch zu sich nehmen. Und bevor die Vegetarier und Veganer beginnen spöttisch zu frohlocken: Denkt an EHEC!
Eigentlich kann man sich mittlerweile ernsthaft fragen, ob es nicht besser wäre, man baut wieder Gemüse selbst an und hält eigenes Vieh. Wird schwer im 4.Stock.