Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 16. April 2013, 22:48
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Verfallsform des Staates

Demokratie ist so eine Sache. Jeder befindet sie für wichtig und richtig, möchte sie umgesetzt sehen. Es gibt nur ein Problem, das bereits Mark Twain zur Sprache brachte: Demokratie beruht auf drei Prinzipien. Auf der Freiheit des Gewissens, auf der Freiheit der Rede und auf der Klugheit, keine der beiden in Anspruch zu nehmen. Ich hege die starke Vermutung, dass der Begriff „Klugheit“ in diesem Zusammenhang eher ironisch zu verstehen. Aber wer sagt das den Politikern?

Kaum wird eine neue Partei gegründet, schon brennen bei sämtlichen etablierten Staatsmännern und Ökonomen die Sicherungen durch! Die Kleinpartei „Alternative für Deutschland (AfD)“ scheint allen unangenehm aufzustoßen. Sie sei populistisch und instrumentalisiert die bisherige Euro-Politik, um Ängste vor den Folgen zu schüren. Damit liegen Kritiker sicher nicht falsch, allerdings drängt sich mir die Frage auf, was alteingesessene Parteien anders tun? Von „blühenden Landschaften“ und „sichere Renten“, über „Jahrhundertfluten“, bis hin zur „Abschaffung von AKWs“. Alles massentaugliche Propaganda, unabhängig davon, ob die Versprechen umgesetzt wurden oder nicht, wobei es sicher niemanden überraschen sollte, dass das „nicht“ dominiert.

Und muss man tatsächlich noch vor der Finanzkrise warnen? Bankrotte Staaten innerhalb der EU und dennoch werden weiterhin Banken saniert, sowie Gelder zum falschen Fenster hinausgeworfen. Wir haben es ja in rauen Mengen. Natürlich äußern sich einige Politiker auch positiv über die AfD bzw. erachten ihre Themen als wichtig. Muss ich mich tatsächlich wiederholen? Finanzkrise? Der Euro wird immer schwächer? Was sollen diese Menschen auch sonst sagen, wenn die Medien wieder über alles und von allem eine Meinung haben möchten? Wer ist nun an dieser Form des Populismus schuld?

Versteht mich nicht falsch. Ich möchte keinesfalls die AfD verteidigen, im Gegenteil. Ich halte die Partei für eine winzige Kopie der CDU, die von einer verklärt-verträumten Finanzvergangenheit besessen ist. Mich interessiert vielmehr das parteiübergreifende Echauffieren über eine solche Gründung. Haben die großen Parteien etwa Angst? Soweit ich mich erinnern kann, gab es bei der Gründung der Piratenpartei ähnliche Reaktionen. Doch nach den ersten paar Wahlen, als man feststellte, dass diese keine ernsthafte Gefahr sei, hörten die Kritiken auf. Wie war das bei den Violetten, den Grauen oder der Partei Bibeltreuer Christen? Ich bin zu jung, um mich daran zu erinnern, aber ich wette, es gab keine Parteienpanik. Und warum nicht? Weil man die Programme diese Kleinparteien als Spinnereien abtun kann. Klar, die CDU ist auch sehr christlich geprägt, aber nicht mehr stehlen dürfen, würde ihr Konzept doch etwas ins Wanken bringen.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch nicht, weshalb die KPD vor Jahrzehnten verboten wurde, der Verfassungsschutz aka die NPD heutzutage aber existieren darf? Okay, das beantwortet bereits teilweise die Frage, denn lieber hat man die Hände selbst mit im Spiel, als dass es ein Diktator und seine KOMINTERN von außen tun. Wegen mir könnte man alle zwei bzw. drei verbieten. Die einzige deutsche Kleinpartei, die sich bis ganz nach oben „gearbeitet“ hat, sind die Grünen. Die hatten den großen Vorteil zu einer Zeit aktiv zu werden, in der Umweltthemen an Wichtigkeit gewannen. Seit dem haben sie sich aber ganz gut an den gängigen Standard im Bundestag gewöhnt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich Trittin und Co. zuletzt in Turnschuhen und T-Shirts gesehen habe. Stattdessen gibt es Designeranzüge und Schlips. Gut, um im Alnatura einkaufen zu können, muss man auch zu den Besserverdienern gehören. Da war der politische Ausverkauf nur eine Frage der Zeit.

Wäre es nicht schön, wenn Demokratie wenigstens über die Landesgrenzen hinaus funktionieren würde? Zum Beispiel in der EU? Gerade 2013, das zum "Europäischem Jahr der Bürgerinnen und Bürger“ ernannt wurde, verspricht oder versprach mehr direkte Beteiligung. Nicht zuletzt durch die Bürgerinitiative „Right 2 Water“, die sich sehr aktiv für die Verhinderung der Wasserprivatisierung einsetzt. Denn durch den Lissabon-Vertrag von 2009 wurde es Bürgern möglich gemacht, sich durch Initiativen an der EU-Politik zu beteiligen. Klingt besser als es ist. Denn es gibt ein großes ABER!

Die Voraussetzung, dass eine Petition erfolgreich eingereicht werden kann, ist an mehrere Bedingungen gebunden. Es müssen mindestens eine Millionen Menschen den Antrag unterstützen, jedoch müssen die Mindestzahlen aus sieben EU-Ländern erreicht werden. Die Zahlen müssen dann von einer zuständigen Behörde bestätigt werden. Es geht doch nichts über Bürokratie. Außerdem sind die anzugeben Daten der Unterstützer von Staat zu Staat unterschiedlich. In Deutschland reichen der Name, der Wohnort und das Geburtsdatum. In 18 weiteren Ländern muss auch die Ausweisnummer angegeben werden und in Griechenland sogar der Name des Vaters. Ich vermute, im Finanzchaos habe sie auch die Geburtsurkunden verhökert und müssen wieder an die Informationen kommen.

Doch selbst wenn all diese Voraussetzungen gegeben sind, ist die Petition nicht bindend für die EU-Kommission. Denn eine Bürgerinitiative ist nur „in Übereinstimmung mit europäischen Werten“ zulässig. Eine doch recht vage Formulierung, wie ich finde. Wer bestimmt diese Werte? Die EU-Abgeordneten? Wechseln die nicht alle paar Jahre? Außerdem kommen sie aus unterschiedlichen Ländern und trotz allem Gemeinschaftsgefühl bezweifle ich, dass ein Sozialist aus Italien dieselben Vorstellungen hat wie ein Mitglied der British National Party.

Wen verwundert es da, dass es von den bisher 30 eingereichten Petitionen nur 14 überhaupt bis zur Kommission geschafft haben. Angenommen wurde keine einzige. Doch selbst wenn „Right 2 Water“ noch die angestrebten zwei Millionenmarke knacken sollte, werden sich die Menschen fragen, was es bringt? Denn das Triumvirat aus EU, EZB und IWF hat die Privatisierung der Wasserversorgung bereits ordentlich vorangetrieben. Besonders die von der Krise stark betroffenen Länder haben darunter zu leiden. In Portugal ist der Wasserpreis um 400% gestiegen; seine Qualität genauso schnell gesunken. Das geschehe alles „zum Wohle des Verbrauchers“, so die Worte des EU-Kommissars für den Binnenmarkt Barnier. Genau. Deshalb werden die Lizenzen auch europaweit verschleudert. Der Wassermarkt der EU wird auf mehrere hundert Milliarden geschätzt und wir sollen nach der Finanzkrise weiter daran glauben, dass die Politiker nur unser bestes wollen?

Die Bürgerinitiative „Right 2 Water“ wird so oder so nicht angenommen. Was die Bürger wollen ist nicht von Belang, bis zur nächsten Wahl. Dann werden selbst die Parolen der AfD wie Witz erscheinen, wenn die Werbeplakate der großen Parteien von den Fassaden hernieder leuchten werden. Nach der Wahl geht das ganze Theater von vorne los und ich muss ehrlich sagen, ich habe keine Lust mehr auf diesen Mummenschanz.

Es wird Zeit, dass man die demokratischen Prinzipien überdenkt.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(17.04.13)
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 Melodia (17.04.13)
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