andi(e)stirnschlag
Kleinlichkeiten
Eine archivierte Kolumne von AndreasG
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Von Menschen, Autos und Blutbuchen
Schon mal in einem Slalom-Wagen gesessen?
“Straßenzugelassen“ hört sich doch gut an, oder?
Ist Slalom-Fahren eigentlich ein richtiger Renn-Sport?
Ist doch nur ein alter VW-Polo, der als Zweitwagen dient...
Nun. Die Schreibwoche stand an und ich musste dafür ins Sauerland. Ans “Ende-der-Welt“, wie manche Leute sagen würden, die noch nicht an wirklich deprimierenden Orten waren (manch einer, der das sagt, sollte mal aus dem Fenster sehen). Mich jedenfalls stören ausgedehnte Fichtenwälder nicht. Mehr noch: ich mag sie, obwohl es ja nur “Forst“ ist.
Außerdem wusste ich, was mich noch erwartete. Ein etwas heruntergekommenes anthroposophisches Studienhaus, das schon lange in Geldnöten ist. Ein Rudel Schreibverrückter, mit denen ich im Jahr zuvor schon sehr gut ausgekommen bin. Eine Vollwertkost, die meistens lecker, immer aber interessant genannt werden kann. Ein wundervoller Park mit morbidem Charme unter alten Bäumen; Walderdbeeren, die in den Ritzen zerfallender Terrassenkonstruktionen aus Naturstein wachsen; Blutbuchen, in deren Laub die Sonne ihre Strahlen rot färbt; plätschernde Bächlein zwischen Farnen und Eiben... *träum*
Kein Fernsehen, kein Radio, kein Telefon (wenigstens für mich). Dafür die Aussicht auf Gespräche mit den Teilnehmern anderer Kurse. Kurse, die nicht unbedingt meine Gedankenwelt widerspiegeln oder mein Lebensgefühl ausdrücken. Kurse wie: “Die Inkorporation Ahrimans seit 2004“, “Energie wahrnehmen – die Dimensionen verbinden sich“, “Mit Klopfakupressur zum Wunschgewicht“, “Arbeiten mit Elementarwesen und Landschaftsheilung“, “Über die kosmische Stimmung a‘ = 432 Hz und Einführung in das Leierspiel“, “Baumwahrnehmung üben“ oder “Plastizieren von Wirbelschalen (Flowforms)“ (das sind nur einige ausgewählte Kursthemen von Januar bis April 2005).
Nun denn. Solange es sich nicht um Fanatiker handelt, rede ich mit jedem. Obwohl... bei dem Kurs “Beziehungspflege vor der Krise“ war ich froh, dass der schon vorbei war. Irgendwie glaube ich nicht daran, dass die Teilnehmer eines solchen Kurses wirklich “vor“ einer Krise stehen. Und ob da ein Wochenend-Kurs reicht?
Es wäre für mich sicherlich nicht so toll gewesen, wenn ich Freitags durchgeschüttelt angekommen wäre und sofort “negative Strömungen“ hätte spüren müssen (sprich: gereizte Paare). Die Fahrt war schon abenteuerlich genug; Polo mit Innenkäfig, Fenster, die sich nur bei geöffneter Tür herauf- oder herunterkurbeln lassen (wegen einem Stahlrohr), Rennlenkrad, kein Radio, Rennfahrersitz mit breiten Renngurten (erinnern an Hosenträger), Sicherheitsgurte auf der Beifahrerseite, die sich mühsam hinter einem Holm des Käfigs erkämpft werden müssen und natürlich das Slalom-Fahrwerk. Holla!
Hat sich schon mal jemand auf einem Kotflügel abgestützt – mit vollem Gewicht – und miterlebt, dass der sich daraufhin etwa 0,5 Zentimeter nach unten quält, um beim Loslassen ohne nachzufedern nach oben zu schnellen? Genauso fühlt sich eine Fahrt in so einem Auto an. Jede Unebenheit, jede Bodenwelle wird ertastbar – und zwar mit dem ganzen Körper. Die Wirbelsäule wird zum Stoßdetektor, der Hintern zur körpereigenen Federung und ja, das Gehirn schwimmt wirklich in einer Flüssigkeit. *schwapp*
Ist aber gar nicht so schlimm, wenn vorsichtig gefahren wird. – Hatte ich erwähnt, dass der Besitzer des Wagens früher Rennen gefahren ist?
Jetzt habe ich mich doch glatt verplappert. Sowas aber auch. Vom “Roadsway Re*treat“ erzähle ich dann nächste Woche (das war der Kurs, der parallel stattfand). Dann kann ich auch verraten, welche Bäume gut – und welche böse sind.
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(02.06.05)