BlackHört

Un-Erhörtes aus der Musikwelt


Eine Kolumne von  BLACKHEART

Dienstag, 04. Dezember 2018, 10:10
(bisher 409x aufgerufen)

Frontbericht: "Richie Minus Eins plus Jazz gleich Slam"

Falls ihr zu dieser Überschrift keinen Zugang findet, weil sie vielleicht zu verkopft ist, dann geht es euch wie mir mit dem Jazz.
Deshalb werde ich sie erst einmal für euch aufdröseln, bevor ich zum eigentlichen Frontbericht komme.
"Richie Minus Eins" bin ich selbst. Es ist mein Künstlername, unter dem ich seit inzwischen über drei Jahren an Poetry Slams teilnehme.
In diesem Fall an meinem ersten "Jazz Poetry Slam", was auch den Rest der Überschrift erklären sollte.

Für alle, die jetzt immer noch nicht wissen, worauf ich hinaus will, erkläre ich an dieser Stelle noch einmal, was ein "normaler" Poetry Slam ist:
Ein Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem Menschen mit selbstgeschriebenen Texten gegeneinander antreten und das Publikum entscheidet, wer ins Finale kommen und den Slam schließlich gewinnen soll. In den meisten Fällen findet diese Entscheidung mittels Punktetafeln oder Applaus statt.
Die Poeten dürfen keine Kostüme tragen oder Requisiten benutzen und müssen sich an Zeitlimit halten, in der Regel fünf bis sieben Minuten.
Es sollte nicht übermäßig gesungen werden und Zitate müssen gekennzeichnet sein.
Die wichtigste Regel aber gilt für das Publikum: Respect the poet!

Oder um es kurz mit den Worten von  FELIX RÖMER zusammenzufassen: "Poetry Slam ist Rock'n'Roll für Unmusikalische."

In diesem besonderen Fall allerdings nicht, weil es ja ein Jazz Poetry Slam war, bei dem die Texte der Poetin (es war nur eine) und der Poeten (derer waren wir acht) von einer dreiköpfigen Jazz Combo begleitet wurden.

Der Slam selbst fand am 23.11. Unter dem Namen "GrooveJazz Poetry Slam" im Haus am Dom in Frankfurt am Main statt. Da es ein Freitag war, dachte ich mir, dass es eine gute Idee wäre, die A5 zu meiden und über die A7 und A66 nach Frankfurt zu fahren. Leider war die A66, die sich sonst sehr schön fahren lässt, auch überdurchschnittlich frequentiert, so dass ich meinen selbstgesteckten Zeitplan nicht ganz einhalten konnte.
Nachdem ich dann in Enkheim, im Frankfurter Osten, einen Parkplatz in der Nähe der U-Bahn-Endstation ergattern konnte, ergab sich das nächste Problem bei dieser Anreise: Die U4 zum Dom fuhr nicht. Also nahm ich die nächste U7 bis zur Haltestelle "Konstablerwache", von wo aus ich mit der U4 oder U5 die eine Station bis zum "Dom/Römer" fahren wollte. Es wurde (Überraschung!) die U4. Nun ja.
Ich kam also mit ca. 15 Minuten Verspätung an, aber immer noch rechtzeitig, um mit der Band, dem PETER KLOHMANN TRIO bestehend aus Gitarre, Schlagzeug und Saxophon/Querflöte, meinen Text " Die Vier Reiter der Apokalypse" durchzugehen und ihnen meine Vorstellungen von den verschiedenen Stimmungen, die sie mit ihrer Musik erzeugen sollten, mitzuteilen. Besonders der Schlagzeuger fand an der Stelle "Bäh.", "Dunn.", "Tss." einen Punkt, den er musikalisch untermalen wollte (und es später auch tat).
Insgesamt war die Band sehr offen gegenüber den Vorstellungen der Auftretenden und brachte auch selbst eigene Ideen mit ein.

Insgesamt waren wir ursprünglich acht Auftretende, von denen ich die meisten auch schon von früheren "regulären" Poetry Slams her kannte. Einen hatte ich z.B. am Vorabend in Oberursel erst kennen gelernt.
Das Prozedere sah zwei Vorrunden a 3 Auftretende vor der Pause, sowie eine Zweier-, bzw. Dreiervorrunde (für den Fall, dass sich noch jemand kurzfristig melden sollte, was auch geschah) und das Finale mit den drei Gruppensiegern vor. Alle drei Gruppen wurden erst jeweils vor Beginn der Gruppe von den Moderatoren ausgelost und es gab ein Zeitlimit von sieben Minuten.

Gruppe 1 sollte gleich von Anfang an sehr vielfältig werden und das weite Spektrum des Poetry Slams aufzeigen.
Passend zum Thema gab es erst einen witzigen Text über Musik, in dem viele musikalische Wortspiele vorkamen, was vom Publikum mit 37 von 50 möglichen Punkten (5 Punktetafeln von 1-10) goutiert wurde.
Der zweite Text über die Vielfalt der Menschen brachte dem Poeten immerhin 33 Punkte ein.
Als Dritter kam ein Rapper mit einem Text über Frankfurt. Leider war dieser sehr unverständlich, was sich auch in den Punkten niederschlug. Er bekam gerade einmal 30.

In Gruppe 2 begann die einzige Poetin im Wettbewerb mit einer Improvisation. Sie war bislang bei allen GrooveJazz Slams in Frankfurt dabei gewesen und hatte dementsprechend keine Texte mehr, die sie in diesem Rahmen präsentieren wollte. Also lies sich sich vom Publikum einzelne Worte (u.a. "Eichhörnchen", "Waschmaschinentrommel" und "Vollmond") vorgeben und baute um diese Worte herum einen Text, für den sie 43 Punkte und damit die bislang höchste Wertung des Abends bekam.
Der darauffolgende sehr persönliche Text für und über die verstorbene Großmutter kam auch beim Publikum gut an, was sich in 41 Punkten wiederspiegelte.
Zum Abschluss dieser Runde gab es einen Text über einen alten blinden Kapitän, der jeden Tag frühs an den Strand geht und auf seinem Schifferklavier spielt. Dieser Text war mein persönlicher Favorit an diesem Abend. Leider sah das Publikum es anders und gab nur 30 Punkte.

Hierauf folgte eine 20minütige Pause, während der ich noch einmal meinen Text durchging. Ich hatte ihn zwar schon sehr häufig bei Poetry Slams performt, aber halt noch nie mit einer Begleitband, was mich doch etwas nervös machte.

Die Auslosung der dritten Gruppe ergab, dass ich die Vorrunde als letzter Poet beschließen sollte.
Vor mir waren ein weiterer Poet, der einen Lobtext auf seine Mutter (und am Ende auch etwas auf seinen Vater) vortrug (41 Punkte) und der Kameramann, der den Abend aufzeichnete, dran.
Dieser hatte sich spontan in der Pause bereiterklärt, auftreten zu wollen und trug auf englisch einen Text über die Entwicklung des Jazz vor, wobei er auch in einen gewissen Groove verfiel, dem sich auch das Publikum nicht entziehen konnte. So fuhr er groovige 40 Punkte ein.
Wie gesagt war ich der letzte reguläre Poet. Eigentlich ein Startplatz, den ich gerne habe, aber jeder Slam ist anders. Ich performte gut, auch wenn ich nicht wirklich viel von der Band mitbekam. Auf der Bühne ist es halt doch etwas ganz anderes, als als Zuschauer, bzw. Zuhörer. Aber das, was ich hörte, war cool. Leider fand das Publikum es nicht so cool. Die Spanne bei den Punkten reichte von 5 bis 9, womit ich mir zumindest sicher sein konnte, dass sich die Menschen im Publikum angesprochen gefühlt hatten. Sowohl positiv, als auch negativ. Die 5 hatte mich dann aber doch sehr überrascht. Eine solche Wertung bekomme ich sonst nie für diesen Text. Aber wie gesagt: Jeder Slam ist anders. Und jeder Slamer beginnt bei jedem Slam wieder bei Null.

So auch im Finale, wo die drei Gruppensieger erneut antreten durften. Auch wieder in der selben Reihenfolge, wie in den Vorrunden.
Das Finale begann mit einem Text über das Wetter. Trotz aller auch hier verbauten Wortspiele, war der Faktor Nachhaltigkeit stets präsent, was gut beim Publikum ankam.
Nachdem die Poetin, die als Zweite dran war, einen Applaus für das Hemd des Bandleaders eingefordert hatte, lies sich sich erneut vom Publikum Begriffe geben (dieses Mal u.a. "VW Käfer", "Schlitten", "Glühwein" und "Bleistiftmine") und bastelte daraus erneut einen Text, der ihren eigentlichen Texten in nichts nachstand.
Im dritten Finaltext ging es um "Jens", stellvertretend für alle Menschen, die zu viel reden.

Die Abstimmung erfolgte dieses Mal per Applaus, wobei sowohl Lautstärke, als auch Länge und weitere akkustische Signale (Whuuuh!", trampeln, ...) in die Gesamtwertung mit einflossen. Am Ende konnte sich dann die Nachhaltigkeit durchsetzen. Zumindest hier an diesem Abend.

Die Band ging wunderbar auf jeden einzelnen Text ein und wirkte nie störend oder fehl am Platz. Es war für mich das erste Mal, dass ich bei so einem Event dabei war und ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal gewesen ist.

In diesem Sinne:

Haltet die Ohren offen!

Zum Beispiel für meine TOP5 der Sonderformen des Poetry Slam.

Platz 5: Song Slam
Platz 4: Dead vs Alive Slam
Platz 3: Porno/Erotik Slam
Platz 2: Dark Slam

und

Platz 1: Anti Slam

Danke fürs Reinhören.


euer BLACKHEART


Song der Woche: "The Unforgiven" von METALLICA

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (04.12.18)
Respect the poet.
RedBalloon (58)
(06.12.18)
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 BLACKHEART meinte dazu am 06.12.18:
Es waren schon mehr Zuschauer da, 60 - 70 würde ich schätzen. Die Punktetafeln wurden von den Modaratoren im Publikum verteilt, an Personen, die eine solche Tafel haben wollten. Natürlich haben diese fünf Menschen nicht die alleinige Stimmgewalt, sondern sie sollen sich mit den Personen, die um sie herum sitzen absprechen, damit die Wertung auch den Willen des Publikums wiederspiegelt.
Natürlich spielt auch der persönliche Geschmack eine wichtige Rolle bei der Punktevergabe. Mag das Publikum eher lustige Texte, persönliche, sozialkritische? Lyrik oder Prosa? Das ist bei jedem Slam anders und dementsprechend ist es auch für die Slamer immer wieder anders. Wie ich in der Kolumne ja auch schrieb: Jeder Slamer startet bei jedem Slam wieder bei Null. Und das macht auch irgendwo den Reiz aus. Für mich zumindest.
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