KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Donnerstag, 17. Dezember 2020, 14:21
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Mein kv - 2. Elias

745. Kolumne

2. Elias

Eberhard begegnete ich zum ersten Mal persönlich auf dem legendären kv-Treffen in Artern, im Juni 2006, wo ich auch den jungen Mann (Pseudonym mullenlulle) kennenlernte, der ihn als seinen Wahlvater bezeichnete in seinem Bericht über ihn und sein Sterben im Oktober 2016. Schon vorher schrieben wir gegenseitig Kommentare und persönliche Mitteilungen und Mails.
Eberhard besuchte mich kurz nach dem Treffen in Artern einmal in Bonn, als er dort beruflich zu tun hatte. Ich besuchte ihn in den folgenden Jahren in Jena, und zwar von Halle an der Saale aus, wo meine Mutter lebt, und saß in seinem Einfamilienhaus in einer Siedlung am Rande der Stadt auf der Küchenbank und bekam Kaffee und Kuchen – dort lernte ich auch seine Frau kennen; er schenkte mir zwei Bücher russischer Autoren, die ihm wichtig waren, und zeigte mir Jena. In besonderer Erinnerung blieben mir die Autoschrott-Skulpturen von Frank Stella vor der Universität. Wir stiegen auf das moderne Hochhaus in Jena (im Volksmund „Erichs Pimmel“) und schauten über die im Weltkrieg stark zerstörte Stadt. Hier lebte Schiller eine Weile ...
Einmal traf ich mich mit Eberhard in Halle, im Teesalon „Roter Horizont“ in der Kleinen Ulrichstraße diskutierten wir mit dem Schriftsteller und Redakteur („Ort der Augen“) André Schinkel über literarische Fragen.

Ich besitze Eberhards Wissenschaftskrimi „Jenyang“ und seinen beachtlichen Sonettenkranz „Weltenchaosspielgesang“. Wir machten uns gegenseitig aufmerksam auf die eine oder andere Literaturzeitschrift, um darin publizieren zu können, und das klappte auch manchmal. Besonders eindrucksvoll war für mich, als er mir Aleksej Gastevs Manifest „Ein Packen von Ordern“ (1921) schickte, worüber ich eine längere Rezension schrieb.
Bald überbeanspruchte ihn seine berufliche Tätigkeit, er litt sehr darunter. Er war Professor der Sportpsychologie, einer der wenigen Wissenschaftler in Thüringen, die nach dem Beitritt der DDR zur BRD und der personellen Abwicklung in Forschung und Lehre als Professor berufen wurden. Wir schrieben uns weiterhin Briefe und Mails, teils längere. Ich habe etwa 50 Briefe in meinem Computer gespeichert. Wir schrieben uns bis etwa zwei vor seinem Tod. Von da an schwieg unsere Korrespondenz, auch das Kommentieren auf kv. Er erklärte mir sein Schweigen mit der vielen Arbeit. Ob er da schon erkrankt war, weiß ich nicht. Ich setzte auf seine Zeit im Ruhestand. Das Wiederaufleben unserer kleinen Freundschaft wäre sicher gelungen.

Eberhard Loosch schrieb luzide Analysen über einige kv-Kollegen, nicht nur über deren Texte. Ich zitiere einige Zeilen, die er über mich am 19.9.2006 schrieb:
„Nach allem, was ich sehe, lese, spüre, hast Du Deine Dissoziationen (innere Spaltungen, Unvereinbarkeiten, „nicht ganz wir selbst sein“ – das Maß gleitet, von künstlerischer Kreativität bis handfeste Identitätsstörungen, mithin normal bis selbstständig und nicht mehr existenzfähig) unter weitgehender Kontrolle. Schmerzhafte Angelegenheit, die bisweilen in unbändige Lust am Leben umschlägt ... und Kunst.
Man ahnt es und ich kann es nachfühlen, weil es mir nicht viel anders ging und die Schale der Normalität mir eine mühsam erarbeitet ist.
Dein Innenleben ist also ein recht buntes, mit Höhen und Tiefen. Ich glaube schon, dass Du einen recht guten Blick auf Dich hast. Ansonsten ist alles menschlich, was ich wahrnehme. Ich glaube, dass wir, um uns der Welt angemessen öffnen zu können, unbedingt Masken brauchen, die schillernd und beweglich dem anderen die Aufgabe erteilen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, indem er das Dahinter ergründen muss, das andere, das die Maske kaschiert und die zugleich für den, der achtsam hinsieht, alles Essentielle enthält. Künstlerisch verbrämt adeln sich unsere Masken und der bisweilen hysterische Schrei nach Nichtlüge wird mir zur Qual. Ich traue der Wahrheit nicht. Ich weiß nicht, ob ich Dich verstehe, aber Mühe gebe ich mir. Außerdem philosophiere ich gerne ein wenig herum. Du bist sehr offen zu mir. Es hat etwas Wohltuendes.“

Als Wissenschaftler schrieb Eberhard Loosch eine Allgemeine Bewegungslehre, 1999 (UTB-Taschenbuch), 318 S., darin ein Kapitel zu den psychomotorisch-koordinativen Fähigkeiten an, die sicherlich ein Kernthema seiner Bewegungslehre ausmachen. Er beschäftigte sich auch mit sporthistorischen Themen und schrieb eine Monographie über einen Kollegen.

Eberhard starb an Krebs am 12. Oktober 2016 im Alter von 62 Jahren. Es war sehr verdienstvoll, dass der Webmaster die Texte von Elias ein Jahr lang nicht löschte, wie er es auch im Falle Zackenbarschs gemacht hatte.

Der Dialog mit Eberhard hat mir viel bedeutet. Sein Tod schmerzt mich. Ich behalte ihn in guter Erinnerung.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Judas (18.12.20)
Zackenbarsch... an den erinnere ich mich gut. (Elias nicht so sehr) War damals der erste Tod, den ich aktiv auf kV miterlebte und hat mich recht betroffen gemacht.
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