KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 12. Mai 2007, 00:10
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Selbstkritik

KRITIK DER TAKTISCHEN VERNUNFT:

Ulrich Bergmann - Kopflose Handlungen


„Ich habe mir eine Lebensversicherung aufschwatzen lassen, sagt A.
Dann kannst du leichter sterben, sagt B.
Nein, sagt A, ich lebe leichter.
Wieso, sagt B, ist dein Leben nun sicherer geworden?
Nein, sagt A, mein Tod.
Da machst du aber kein gutes Geschäft, sagt B.
Im Gegenteil, sagt A, je früher ich sterbe, umso größer der Gewinn.“

So oder so ähnlich, aber auch ganz anders, gehen die Geschichten, die Ulrich Bergmann in seinem ersten Buch herausbringt. Es geht in den bizarr heiteren Geschichten mit ernstem Hintergrund immer gleich ums Ganze, es geht um Kopf oder Zahl des Lebens. Einer telefoniert auf seinem Handy, er passt nicht richtig auf und verliert konsequent seinen Kopf. Zwei Henker enthaupten sich gleichzeitig um die Wette und keiner will mit dem Kopf, den er verloren glaubt, nicken. Der brasilianische Fußballgott schießt seinen eigenen Kopf, den er beim Zusammenstoß mit einem Kopfballgegner verlor, ins Tor, aber in der Fernsehübertragung ist das nicht zu sehen.
In den Rudnikow-Geschichten ist das Geschehen der Seins-Paradoxien nach Russland und sogar Peking verlegt. Rudnikow geht über das Wasser der Newa und zertrümmert mit der Stirn seine Armbanduhr um seine Zeit zu retten. Er philosophiert mit einer Dirne in Odessa über die kapitalistische Magie des Weibes. In den acht Schlange-Geschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert, und in den Geschichten von Schatten und Echo die zweifache Doppel-Schizophrenie von Ich und Ich und Ich und Du und Du und Ich und Du und Du.
Bergmann schrieb mit diesen Geschichten eine Kritik der taktischen Vernunft. Sie stehen in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels oder Bertolt Brechts, sie zeigen die Sinnlichkeit der Unvernunft, aber sie belehren nicht. In einigen „Denkgeschichten“ werden triviale Alltagserlebnisse zu abgründigen Erfahrungen (Leo Gillessen in der deutsch-belgischen Literaturzeitschrift Krautgarten 36/2000), da ist die heftige Anwesenheit desTodes spürbar, aber die Helden der alles in allem 90 Geschichten retten sich oft in der Entdeckung der eigenen Göttlichkeit. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlusspointen zum Schmunzeln oder Lachen bringen, das fast im Halse stecken bleibt.

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