KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 01. August 2009, 12:16
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ÜBERGEGENSÄTZLICHES

163. Kolumne

Harry Mulisch hat in seiner satirischen philosophisch-literarischen Phantasie „Der verkehrte Mephistopheles“ recht, wenn er Marx das Übergegensätzliche in seiner Dialektik abspricht. Das zeigt sich sehr deutlich bei Marx’ Auffassung und Forderung des Klassenkampfs, der zum Sieg des Proletariats und damit zur „klassenlosen“ Gesellschaft führen soll; letztere ist keine Synthese im Sinne Hegels, sondern ganz klar Überwindung als Vernichtung der bürgerlichen Klasse, der Bourgeoisie, und ihres Bewusstseins.
Wenn also die eine Klasse siegt und absolut wird, hebt sie ihren Klassencharakter auf und braucht, da der Klassenkampf entfällt, auch nicht mehr zu herrschen. Da nun auch der Staat als Ausschuss einer unterdrückenden und ausbeutenden Klasse überwunden, also vernichtet ist, kommt es zur Aufhebung des Staates - jedenfalls was den vorkommunistischen Staatsbegriff angeht -; so habe ich’s immer verstanden.
Nie, auch nicht annähernd, ist jener klassenlose und staatenlose Zustand erreicht worden; im Gegenteil, das in der Sowjetunion herrschende ‚Proletariat’ hat sich, gutwillig formuliert, mit Hilfe eines letztlich bürgerlich adaptierten Staatsapparats, selbst unterdrückt und ausgebeutet, und zwar unter anderem nicht nur deswegen, weil der Klassenfeind noch nicht international besiegt werden konnte…
Eine gewisse Verwandtschaft zu Hegel blieb aber wohl auch bei Marx in seinem Wissenschaft genannten spekulativen Denken: die Geschichte werde zwangsläufig zur kommunistischen Lösung fortschreiten. Steht bei Hegel am Ende die real existierende Vernunft, der absolute Geist, so bei Marx die klassenlose Gesellschaft.
Hegel verfolgte die alte Utopie einer civitas Dei - Marx wollte die communio hominis. Hegel kann man vorwerfen, seine Philosophie habe verhängnisvoll das Bewusstsein gefördert, den Staat zum Gott zu machen… und Marx ließe sich vorhalten, dass die nach seiner Lehre gebildete Gesellschaft genauso schlecht werden musste wie der Mensch in seinem eitlen Drang…
Auch bei Nietzsche dann keine Synthese mehr im Sinne Hegels. Er ist darin Marx verwandt, dass er ebenfalls die gegensätzliche Denkweise benötigt, um zur „Umwertung aller Werte“ zu gelangen.
Welches Denken ist das schönere: Die fließende organisch anmutende Wachstumsdialektik Hegels oder die eher scholastische dualistische Dialektik der Idealismus Kritiker wie Marx, der selber zutiefst idealistisch motiviert war?
Und welches Denk-Spiel, analog zu Wittgensteins Sprachspiel, ist nützlicher und vernünftiger?
Schön wär’s und nützlich zugleich, wenn wir uns hochhegeln könnten zu einer divina communio hominis. Aber jetzt breche ich ab, der satirische Unterton des Zweifels negiert die Synthese des Dritten Weges.
Wäre Hegel Sachse gewesen, Marx Österreicher und Nietzsche Rheinländer, so hätten wir bestimmt einen überzeugenderen Dialekt in der Philosophie.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 DanceWith1Life (18.09.09)
dieses zu lesen hat in mir folgenden Gedanken erzeugt:
hört sich dann vielleicht fast nüderländisch an, Spaß beiseite, ein Denken, das unter Berücksichtigung der menschlichen, wie nennt man das denn, wir sind alle Menschen, Unterschiede, also Klassenunterschiede und sonstige, religiöser, kultureller und anderer anerzogener Natur, überbrücken will, vielleicht sogar als Ursache für Übel aus dem Weg räumen, unseren, menschlichen Weg der Weiterentwicklung, ohne dabei, also das Denken, die grundlegenden Aspekte, aller von menschlichem Handeln erzeugten Übels mit einzubeziehen, als da wären Gier, Neid Hass, Engstirnigkeit, usw. kann doch nicht im Ernst davon ausgehen, dieses spannungsgeladene Situation durch äussere, institutionelle Ansätze auf die Reihe zu kriegen, das wäre in meinen Augen nun wirklich weltfremd
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