KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Thomas Mann, Vollender
405. Kolumne
Er war der Vollender des realistischen Romans, der eher eine literarische Epoche abgeschlossen hat als eine neue zu beginnen, bleibt für mich unerreicht. Das Collagieren und metaphorische oder motivliche Vernetzen beherrschte er wie kein Zweiter. Ich las in der Oberstufe immer wieder die „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, das war ja auch mein Thema, als ich jung war und mit der Lüge spielte, weil ich die Wahrheit nicht aushielt. Das war in der Zeit meiner ‚minderen Existenz’, als ich darunter litt, noch kein Abitur zu haben. Auch „Die Buddenbrooks“ und (zwei Mal) den „Zauberberg“ las ich mit einigem Gewinn mit Schülern. Auch „Der Zauberberg“ ist und bleibt mein Thema, weil ich (wie wahrscheinlich viele andere auch) naiv wie ein Parzival durch die Welt ging. Am „Krull“ liebe ich sehr die Problematisierung der Künstlerexistenz, die im Gewand der Parodie erscheint. Das Kapitel „Madame Houpflé“ ist vielleicht nicht das wichtigste, aber es zeigt mit wunderbarer Lust zwei Hochstapler im Liebeskampf, und es ist nicht leicht zu entscheiden, ob Krull als Hermes und Künstler gewinnt. oder Madame Houpflé als Meisterin des Liebesspiels. In diesem paradoxen Kampf, wenn man ihn auf das Innere von Thomas Mann als Dichter und einsamen Menschen innerhalb einer großen Familie und Gesellschaft bezieht, sehe ich eine Parallele zu Andersens Märchen von der Meerjungfrau, das im „Doktor Faustus“ noch viel deutlicher die Zerrissenheit des Künstlers verbildlicht. Neuere Forschung hat ergeben, dass die Liebesszene mit Madame Houpflé (wohl wegen ihrer ausführlichen Schilderung und Lobpreisung des jungen Mannes) die homoerotische Neigung Thomas Manns verrät. Das habe ich nie so gelesen. Aber es zeigt mir eine neue Lesart, die mich überzeugt, aber nicht brauche, weil die anderen Inhalte, Beziehungen und Bedeutungen viel wesentlicher sind (obwohl der homoerotische Aspekt auch mit den anderen zusammenhängt). In der Schulzeit las ich Thomas Mann, vor allem den „Doktor Faustus“, viel zu früh, ich verstand nur eine oder zwei Ebenen dieses ‚trojanischen’ Romans. Ich griff zum Höchsten mit der Arroganz des Jugendlichen. Da habe ich später viel mehr erkannt – erst in der Zeit meines Studiums, mit Unterstützung der Sekundärliteratur, und später, als ich mir die Haltung des lesenden Liebhabers auf viel höherem Niveau wieder leisten konnte.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Je nach Aspekt - Thema, Stil.
Meine Favoriten: Doktor Faustus, Der Zauberberg, Buddenbrooks, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Der Tod in Venedig, Tonio Kröger, Mario und der Zauberer, Der Erwählte.