KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Jesus-Deklination
413. Kolumne
In der DDR wuchs ich, bis zum 10. Lebensjahr, bei meiner atheistischen Mutter auf, die für Ulbricht und das neue Deutschland war, mich aber nicht zu den Jungen Pionieren ließ, den Großeltern zuliebe. Meine Großmutter ließ mich heimlich taufen. Sie betete mit mir abends zum Einschlafen. „Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bettchen sein...“ Und ich dachte beim Vater immer an meinen, der in sowjetischer Kriegsgefangenschaft war. Meine Großmutter sagte immer, dein Vater kommt zurück, ich weiß es. Im Herrenzimmer (auch Salon genannt) lag die Bibel mit den Stichen von Doré. Kunstmappen mit Raffaels Stanzen und Michelangelos Sixtinischer Kapelle blätterte ich immer wieder durch, auch Albrecht Altdorfer und Dürer ... In dieser Zeit bedrängte mich weder die Religion noch die Kirche. Auch nicht, als ich am Katechumenen-Unterricht in NRW teilnahm; auch der Religionsunterricht war locker. Ich lernte Jesus Christus deklinieren ...
Aber dann kam die pietistisch-calvinistische Kirche in Baden-Württemberg, deren Theologie bis auf den heutigen Tag völlig unverändert zu sein scheint. Nun kamen zwei (!) Jahre Konfirmanden-Unterricht mit Auswendiglernen des gesamten Kleinen Katechismus von Luther. Wer in diesen Nachmittagsstunden fehlte, musste trotzdem die aufgegebenen Sprüche können; wenn nicht, fing man Ohrfeigen, die gab’s auch für jedes Widerwort oder bei Unaufmerksamkeit. Die Eltern wurden bei jeder Kleinigkeit angerufen und mussten für jede Verfehlung Entschuldigungen schreiben, in denen die häusliche Strafe genannt werden musste. In der kleinen Stadt Neuenbürg an der Enz kannte jeder jeden. Da war die soziale Kontrolle groß. Nach der Konfirmation folgte noch ein Jahr Christenlehre – der Küster führte am Kircheneingang Strichliste, mit der Androhung, dass wir das Patenrecht verlieren, wenn wir nicht regelmäßig zum Gottesdienst und der anschließenden Unterweisung durch den Dekan kommen. ... Der Religionsunterricht in der Schule kam noch dazu, konnte aber leicht weggesteckt werden, Chemie war für mich schlimmer. Insgesamt hat mich das alles nicht verbiegen können, es fehlte hier der Beichtzwang und das Impfen mit Höllenvorstellungen und Rückenmarkserweichung durch Onanieren etc. Was positiv übrig blieb: J. S. Bach, der immer zu Beginn und zum Ende des Gottesdienstes gespielt wurde. Es gab einen guten Organisten in der Kleinstadt, der tatsächlich die Toccata und Fuge d-moll fehlerfrei spielen konnte.
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Jesus-Deklination:
Jesus - Jesu - Jesu - Jesum - Jesu
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
das gebet war in protestantischen wie katholischen familien beliebt. einige beteten schräg: "lass mich dir ein fohlen sein." meine mutter unterwies den 5-jährigen knirps: " ... lass den mund am himmel stehn und die stille welt besehn. amen." - "mama, warum denn der mund?" - "das weiß ich auch nicht."
ich habe keine spätschäden erlittenlittenlittenlitten...
(11.07.14)
(die) Dieters ...
Schöner und komplexer aber noch - und so lernte ich es im Katechumenenunterricht:
Jesus Christus (Nominativ)
Jesu Christi (Genetiv)
Jesu Christo (Dativ)
Jesum Christum (Akkusativ)
Jesu Christo (Ablativ)
Jesu Christe! (Vokativ)
:-)