KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Cremaster
445. Kolumne
Ich habe im Kölner Museum Ludwig ein monströses, bedeutendes künstlerisches Werk kennengelernt: Matthew Barney’s Filmzyklus Cremaster 1-5: Die amerikanische Version eines Gesamtkunstwerks. Auch keltische Motive sind darin. Allerdings wird das (zentrale) Wort cremaster nirgends erklärt, auch in meinem PONS fand ich es nicht. Im gigantischen Katalog der Ausstellung (Guggenheim,New York; Ludwig,Köln; Museum der modernen Kunst der Stadt Paris) wird es im „Glossar“ erklärt: Hodenheber, ein Muskel, links und rechts der Blase - ein gewisses Linien-Pendant zu den Eierstöcken nebst Analogie zum Widdergehörn im Wappen der Isle of Wight. Barney’s Philosophie ist eigentümlich viril, orientiert sich in manchen Ritualen und zeremoniellen Gegenständen an den Freimaurern und verbindet, ohne jedoch oberflächlich postmodern, also eklektizistisch, zu sein, verschiedenste Metaphern und Mythen (Antike, Barock, Moderne). Das Chrysler-Building, Autos - viele Versatzstücke oder Realmetaphern unserer Zeit werden zu Handelnden mit mystischer Wirkung auf Personen. Der Bildhauer Richard Serra tritt auf, Norman Mailer, Ursula Andress, und der noch ziemlich junge Barney selbst. Die Filme haben eine gewisse Nähe zu Wagners Leitmotivik. Barney, der zwischen (fast deutscher) Gedankentiefe und (un)freiwilliger (amerikanischer) Komik pendelt, ist auf jeden Fall ein ernstzunehmender (Film-)Künstler (documenta 10, 11). In den Filmen wird fast nie gesprochen - aber sie sind perfekt gedreht. Die 5 Filme (Gesamtdauer fast 7 Stunden) kann man nie im Kino sehen, es gibt auch keine Videos, sondern nur bei solchen Gelegenheiten wie in Köln oder Kassel. Barney ist mir nah. Er macht Surrealimus auf realer Ebene - und Realität mit surrealen Mitteln. Er ist mir nah, weil er Initiations- und andere Riten variiert, erzeugt, (z)erspielt.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Dies nur am Rande.
(20.02.15)
Den Vergleich mit der Orestie muss Barney nicht scheuen. Cremaster ist ein neomythischer Zyklus des Archetypischen, also zeitlos, wenn auch in unserer Zeit verortet.
(20.02.15)