KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Avanti!
495. Kolumne
Benns Aprèslude-Gedicht „Das Ganze“, enthält zum Ende ein Selbstzitat („... kaum ein Glanz und kaum ein Feuer ...“) aus dem Gedicht „Ein Wort“, über das ich als 17-jähriger Schüler einen Interpretationsaufsatz schrieb, im Vergleich mit Nossacks Gedicht „Das Wort“. Ich habe das Aufsatzheft aus dem Jahr 1963 aufbewahrt. „... Wir besitzen nur Chiffren, die wir nicht lösen können, die uns den Lebenssinn nur jäh und kurz erkennen lassen ...“, schrieb ich, für einen jähen Moment schon sehr weise, aber ohne großes Gefühl, ohnehin war mir der Klang, der Schnodderton Benns viel wichtiger, das Wie. Und was sage ich heute? Ich lehne mich an meine Worte in wilder seelischer Pubertät an und sage: Ja, das Wie ist wichtiger als das Was, denn es gehört dem Jetzt und der Ewigkeit, es ist fast wie in der Kunst, aber weil wir zurückgeworfen bleiben auf das Wie und das Was nicht verstehen, erzeugt die große Angst in uns bereits im Sein vor dem Nichtsein – und wir weinen dann.
Doch Weinen spült die Sedimente des Scheiterns, der Trauer und der Projektionen weg, hinaus aus dem Gehirn, aus dem ganzen Körper und Gehäuse um uns herum, und aus allen Dingen, die wir haben. Nichts davon nimmt man mit in die Urne. Das schmerzte schon Hölderlin in seinem großartigen Gedicht „An die Parzen“, das man wie ein frühes oder mittleres Benn-Gedicht intonieren kann, in einem sanft ironisch gebrochenen Pathos.
Vorher aber finden wir uns erst einmal wieder im Jetzt. Das ist ein Prozess, der uns immer wieder wandelt, und darin liegt viel Gutes. Das stärkt die Seele, die aus der Phönix-Asche herausschreit und wieder fliegen will. Wir dürfen nicht gefangen sein hinter Gittern unserer eigenen Maßstäbe.
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(05.02.16)