BlackHört
Un-Erhörtes aus der Musikwelt
Eine Kolumne von BLACKHEART
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BlackHört feat. ...
BlackHört feat. Dieter_Rotmund
Frontbericht: Bei der Mensch Maschine KRAFTWERK
Ich höre keine Musik. Im Auto mache ich manchmal das Radio an. Eher selten; das endlose Gutelaunegewäsch der Moderatoren ist unerträglich. Dazwischen kommt Gedudel, freundlich ausgedrückt.
Das Rauschen des Windes in den Bäumen während eines schönen langen GA1-Lauf ist „Musik in meinen Ohren“, wie eine Redewendung es albern-pathetisch formuliert. Ansonsten muss ich die Musik hören, die jedermann überall zugemutet bekommt, ohne sie erwünscht zu haben: Im Kaufhaus, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Fußgängerzone. Das reicht für's Leben.
Die Entscheidung, just dieses Konzert des Düsseldorfers Elektropopmusik-Ensembles KRAFTWERK zu besuchen, lag am Veranstaltungsort: Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) und die im gleichen Gebäude (eine alte Munitionsfabrik) befindliche Hochschule für Gestaltung (HfG), die im besten Falle die Menschen hervorbringt, die dann nebenan im ZKM ausstellen, also diese beiden Institutionen sind mir doch, so bekenne ich, ans Herz gewachsen. Der Grund liegt darin, was sie machen und was sie ausstellen – Es ist vor allem weder konventionell noch sog. Mainstream und manchmal mir auch unverständlich, doch das nehme ich gerne in Kauf.
Dazu kommt: Ensembles wie KRAFTWERK sind so etwas wie der letzte Anker zur der Musik, die ich als pickeliger Teenager hörte. Nur so konnte ich überhaupt die Top10 erstellen, die hier traditionsgemäß am Ende des Kolumnentextes steht.
Medias in res, Samstagabend, 19 Uhr: Dem von mir vorab herangetragenen Wunsch an die Verantwortlichen nach einem Pressegespräch mit KRAFTWERK wurde übrigens nicht entsprochen, eine Pressekarte für eine der drei Vorstellungen zu bekommen war jedoch möglich.
Am eigentlichen Vorstellungsabend zunächst jedoch nicht: An der langen Schlange vor dem Eingang lief ich erstmal vorbei, in der selbstherrlichen Gewissheit, dass das unmöglich die Schlange seien könnte, an der sich auch die Journalisten anstehen müssen. So war es dann auch, aber den für mich zuständigen Schalter übersah ich trotzdem zunächst. Dann gab es keine Eintrittskarte im konventionellen Sinne, sondern ein Schleifchen um's Handgelenk. Putzig! Leider erinnert so etwas an Berichte über dröge Pauschalurlaubsreisen mit dauerhaft zu tragenden „All inklusive“-Armband. Nun, ja. Immerhin wurde mir auch eine recht schicke 3D-Brille in einem netten Behältnis, früher nannte man so etwas „Etui“ (Begriff heute vermutlich unbekannt), überreicht.
Das Konzert fand dann leider nicht im ZKM-„Kubus“ statt, dessen mattdunkle Quadrathaftigkeit gut zu KRAFTWERK gepasst hätte, sondern im HfG-„Lichthof“, einem Ort mit bourgeoise-frühindustriellen Künstlerkommunencharme. Dort leider keine Sitzplätze, auf denen man gelassen den Klängen hätte lauschen können und – ohgott – keine exklusive Pressetribüne. Stattdessen musste ich unter's gemeine Volk, überwiegend Männer und Frauen zwischen 30 und 50. Zum Glück trotz Ausverkaufstatus nicht proppenvoll, sondern durchaus mit Plätzen, an denen die Menschen einem nicht so auf die Pelle rückten. Ich glaube mich zu erinnern, dass mit „Roboter“ eröffnet wurde, auch „Autobahn“, „Radio-Aktivität“ (erweitert um die graphische Einblendung „Fukushima“) und „Das Model“ sowie „Tour de France“ waren dabei. Das Publikum war wohlgesonnen, man begrüßte jeden Titel nach bereits ein bis zwei Sekunden mit Applaus. Ob aus Freude, dass es weitergeht oder weil man den Titel schon zu erkennen glaubte, weiss ich nicht. Bis zum Schluss bin ich zugegeben nicht geblieben, ich hatte genug gesehen, um meinen Artikel zu schreiben. Das mag etwas arrogant klingen, entspricht aber normaler journalistischer Alltagserfahrung und ich wollte ja auch keinen Roman über das Konzert verfassen. Ich sah mir den seltsamen, schwarzen Ganzkörperanzug von KRAFTWERK-Gründungsmitglied Ralf Hütter noch etwas genauer von der Seite an, dann verließ ich das Konzert. Die automatischen Türen des ZKMs öffneten sich und draußen umschloss mich die Nacht. Es gab Bier in Plastikbechern.
Meine persönliche TOP10 der schönsten Elektropop-Stücke aller Zeiten:
Platz 10: Rewind von CYLOB
Platz 9: Tour de France von KRAFTWERK
Platz 8: manifestation von HAUJOBB
Platz 7: just can't get enough von DEPECHE MODE
Platz 6: Remind me von RÖYKSOPP
Platz 5: Oxygene von JEAN MICHEL JARRE
Platz 4: windowlicker von APEHX TWIN
Platz 3: Axel F von HAROLD FALTERMEYER
Platz 2: Our Darkness von ANNE CLARK
und
Platz 1: Popcorn von GERSHON KINGSLEY