KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Montag, 27. April 2009, 17:59
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GENERATION ROLLKOFFER

142. Kolumne

Wir, die Generation von heute: Der Rollkoffer ist unsere eigentliche Wohnung: Wasserflasche außen, innen: Notebook, iPod, Bewerbungsmappen. Das Handy überall und nirgends. Latte macchiato ist das Leitgetränk dieser Generation, die sich nicht entscheiden kann, weil sie weder dazu erzogen wurde, noch weil es ihr möglich wäre, selbst wenn die reale Chance dazu bestünde, denn man bleibt lieber offen für alles - also Langzeitadoleszent -, weil man will und muss, man ist ja zugleich Generation Praktikum, da will man alles nehmen, weil man alles nehmen muss. Unsere Bestimmung: Lernen, unser wahres Alter anzunehmen. Das dauert ein Leben lang. Am Ende fällt uns das Lernen leichter. Naturgemäß. Eigentlich ist unsere Lebensvokabel, unser Login in die Selbstverführung. Eigentlich gehört zur Wortfamilie von Ja aber, hätte, sollte, würde, könnte. Eigentlich sollten wir erwachsen werden, aber wir sind zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Wir basteln täglich an unseren realen und virtuellen Lebensläufen, mischen das Personal unserer Beziehungen immer wieder neu, und haben mit 30 mehrere Karriereoptionen. Es geht uns soweit ganz gut, wir haben uns bequem eingerichtet in unserer Uneigentlichkeit.
Wir sind Kommunikationsjunkies, Helden im Gruscheln, Skypen, Hypen, Mailen, Chatten, Smsen… Was uns auszeichnet, ist unsere Unverbindlichkeit. Wie gesagt, alles erst mal offen lassen. Entscheiden kann man sich immer noch, wenn es sich nicht bis dahin erledigt hat. Und bei Bedarf, wenn’s nicht anders geht, bedienen wir uns wie im Supermarkt. Das Leben ist ja eigentlich nichts anderes als so ein gigantischer Supermarkt.
Unsere Zeitfenster aber sind eng, werden immer enger. Wenn wir erwachsen werden wollen, ist es eigentlich schon zu spät. Was wir wirklich wollen: Ankommen. Und zwar zu Hause.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(24.04.09)
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 AlmaMarieSchneider (24.04.09)
Jedes Wort trifft. Seltsam, je größer der Supermarkt, um so verlorener wirken oft die Menschen dort auf mich.
Ein klasse Artikel Bergmann.

 IngeWrobel (24.04.09)
O ja! Sehr treffend beschrieben. Für mich sind es die Handy-Men, denen sich zunehmend die Business-Women anpassen. Wann immer ich darüber zu schreiben ansetze - "eigentlich" will ich schon lange über sie schreiben - lasse ich es aus Rücksicht bleiben...... zu viele fühlten sich "auf den Designerschlips getreten".

 Elén (24.04.09)
Eine Periode ist stets gekennzeichnet von einer Art, einer Lebensart, einer Kultur. Wir leben im Technologiezeitalter, im Zeitalter der teusendfachen Möglichkeiten, im Zeitalter der Grenzenlosigkeit und im Zeitalter von Haben, Wollen und Konsum. - Verführbar war der Mensch seit jeher, nur ist gegenwärtig der Raum ein größerer und die Möglichkeit im Sinn von Technologie und Fortschritt eine andere, die Manipulationskraft eine stärkere, und die Reizüberflutung DIE Herausforderung. Früher hatte der Mensch ein Pferd, das er besteigen und losreiten konnte, heute bucht er online einen Flug und zahlt per Telebanking. - Ich denke jede Zeit ist der beste, sofern der Mensch wesentlich bleibt und, nicht eigentlich. - Die These des Ankommenwollens ist m.E. eine Illusion. Kein Mensch kommt je an, - Menschsein ist ein Immerzuwerden, ein Immerzuwandeln, ein Immerzusterben. Wer ankommt, steht und war: gewesen.

lg

 Bergmann (28.04.09)
P.S.:
Irgendwie gehören wir natürlich alle zur Rollkofferdegeneration...

 Bergmann (06.05.09)
Liebe Kratzenburgs,
so gesehen lebe ich in mehreren Generationen! Tja...
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