Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Blau und Weiß und Blau
von Dieter_Rotmund
La vie d'Adèle, deutscher Titel Blau ist eine warme Farbe, Regie Abdellatif Kechiche, Frankreich/Belgien/Spanien 2013
Eine junge Frau in der Phase ihrer sexuellen Orientierung. Auf der Schwelle von der Jugendlichen zur jungen Erwachsenen, wobei der immerhin fast drei Stunden lange Film beide Stationen ausführlich beleuchtet: Aus der Schülerin Adèle wird die Lehrerin Adèle. Exarchopoulos, so der etwas exzentrisch anmutende Nachname der 20jährigen Mimin mit griechischen Wurzeln, spielt die Adèle als eine, die aus einer Mischung von Neugier, Vorsicht und Instinkt handelt. Regisseur Kechiche konzentiert sich dabei in zahllosen Nahaufnahmen ganz auf das Gesicht der Hauptdarstellerin. Dieses Gesicht erzählt uns allerdings nicht immer etwas. Oft ist es einfach nur: Ihr Gesicht. Die nahe Kamera ist auf Dauer etwas anstrengend, insgesamt ist La vie d'Adèle jedoch wesentlich entspannter als Kechiches (statt seines Vornamens will ich immer "Ablativ" sagen) bisher bekanntestes Werk, La graine et le mulet, deutscher Titel Couscous mit Fisch (2008), ein vitales Familienhöllenportrait, in dem - so meine persönliche, fünf Jahre alte Erinenrung - immer jemand rennt oder herumschreit oder zu den Höhenpunkten beides gleichzeitig macht.
Viele Kommentare und Besprechungen von La vie d'Adèle werden vermutlich die homoerotischen Szenen in den Mittelpunkt ihrer Texte stellen - meiner Meinung nach spielt es aber nur eine kleine Rolle, ob die Beziehungen in La vie d'Adèle nun gleich- oder verschiedengeschlechtlich (sagt man das so?) sind. Nur der konservative Moralist wird sich damit aufhalten werden. Letztendlich ist die Beziehungsachterbahn von La vie d'Adèle Ausdruck einer jungen Frau, die ihr Leben mit allen Höhen und Tiefen leben möchte.
Im Grunde erzählt der Film Alltag. Gut gefallen hat er mir dennoch.
Abschließend bleibt mir jedoch bis jetzt verborgen, warum der deutsche Titel Blau ist eine warme Farbe lautet. In der französischsprachigen Originalfassung (mit Untertiteln), die ich gesehen habe, konnte ich jedenfalls keinen Hinweis entdecken. Den Titel aus einer sehr frei übersetzten Dialogzeile der Synchronfassung zu nehmen, hielte ich für eine armselige Lösung - Das ist aber nur geraten.
Übrigens scheint eine Art Fortsetzung geplant zu sein, im Abspann steht, der Film sei Kapitel 1 und 2 gewesen. Wiedemauchsei, La vie d'Adèle kann für sich allein stehen, finde ich.
Nanook of the North, deutscher Titel Nanuk der Eskimo, Regie Robert J. Flaherty , USA 1922
Ein schöner, schlichter Film. Und ein Meilenstein des frühen Dokumentarfilms! Nanook of the North hat wahrscheinlich unser Bild des Eskimos für Jahrzehnte geprägt wie kaum ein anderes Ereignis. Zum Beispiel die Verwendung des Begriffs "Eskimo", bei dem jeder heutzutage jeder Gutmensch beflissentlich aufschreit, die Bezeichnung sei weissgottwas und "Inuit" sei doch politisch korrekt usw. usf. Das ist bei näherer Betrachtung sogar nur halbwahr. Flaherty ist der Vorwurf nicht zu machen, er hat das Nordvolk durch seinen Film geadelt. Ich bin dem Programmkino, in dem ich Nanook of the North auf der Kinoleinwand sehen konnte, dankbar, dass er diesen alten Schatz für mich ausgegraben hat.
All is lost, Regie J.C. Chandor, USA 2013
Robert Zemeckis Cast Away von 2000 ist uns allen noch in Erinnerung. Warum? Dieser Film hinterläßt mach einiger Zeit einen faden Nachgeschmack. Ein Film wie ein Wein, dem man nicht lagern kann, der nicht besser wird, je älter er ist, wie ja viele Weine. Er war bestenfalls leidlich unterhaltsam. Und mit Hanks-Tom irgendwie fehlbesetzt. Er ist kein Schauspieler für One-Man.Shows, er braucht Ansprechpartner, die KEINE Volleybälle sind, was uns mißglückte Monologe, dramaturgische Krücken, lieferte... Diese schnulzige Liebesgeschichte drumherum, wir müssen es nun einsehen, ist nun, ja, furchtbar schnulzig.
Warum ich das schildere, obwohl ich eigentlich von All is lost erzählen wollte? Weil sich mit Robert Redford nun ein anderer bekannter US-Mime an so ein Projekt herangewagt hat. Wobei, "herangewagt" ist hier das falsche Verb, soooo riskant und teuer war All is lost sicherlich nicht.
Kurzum: Es ist ein angenehmer Flm daraus geworden, angenehm unverplappert, es fallen vielleicht ein halbes Dutzend Sätze, mehr nicht. Eine deutsche Synchronfassung gibt es trotzdem, das mutet schon fast zwanghaft an. Ganz ohne Schwächen ist der Film nicht, aber um Längen besser als Cast Away.
Manko: Irgendwie sieht Robert Redford auch im letzen Hemd aus wie ein Altersmodell für Segelkleidung. So der richtige Rotz und Heul und mehr, viel mehr Fluchen fehlt. Vielleicht hätte sich Herr Redford und seine junger Regisseur mit Namen wie aus der großen Filmstudio-Ära mal Leviathan (USA /UK/F 2012, L. Castaing-Taylor, V. Paravel) ansehen sollen. Der war klasse und hat Rotz, viel Rotz.
Okay, ich möchte aber hier dem geneigten Leser All is lost doch empfehlen, in vielen Kinos läuft ja immer noch der gleiche Mist wie zu Weihnachten.