Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Licht und Schatten
von Dieter_Rotmund
The Public, USA 2018
Ein im Prinzip gut durchkomponierter Spielfilm um Zivilcourage, Bürgergesellschaft, Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit.
In der grenzenlosen Naivität meiner Jugend dachte ich einst, dass öffentliche Bibliotheken ein stiller Hort der Wissensaneignung seien. Das sind sie nicht, nicht mehr. Die öffentlichen Bibliotheken werden zum Schauplatz von gesellschaftlichen Missständen, auf dem Nacken der Bildung. So habe ich das schon vorn über 15 Jahren in der Kölner Stadtbibliothek erlebt, wo auf den Toiletten dieses komische Licht installiert war, das das Auffinden von Blutvenen erschwert (wegen der Junkies) und irgendwann gab es auch vermehrt Einlasskontrollen, bei denen der Bibliotheksausweis vorgezeigt werden musste (auch wegen der Junkies) . Wie es heute in der Kölner Stadtbibliothek zugeht, will ich gar nicht wissen. Jedenfalls erinnerte ich mich an sie, als ich The Public im Kino sah. Es tauchte dort anfangs die Frage auf, ob das Recht des Einzelnen über das Recht der Gruppe gestellt werden sollte. Der Film und unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse zeigen auf, dass das Recht des Einzelnen höher gestellt wird. Zum Nachteil der öffentlichen Bibliotheken, deren Tod dies bald bedeuten wird.
Leider beschäftigt sich The Public nur kurz mit dieser Frage. Es wird ein beachtliches Ensemble unterschiedlicher Figuren mit unterschieldichen Motiven aufgefahren, was Konflikte erzeugt und dem Film über die ersten Dreiviertel interessant, bisweilen spannend macht. Dann aber gleitet der Film in eine Richtung ab, der dahingehend am besten bezeichnet werden kann, dass er den Zuschauer mit einem "guten Gefühl" aus dem Kino entläßt. Mit anderen Worten: Es menschelt, und zwar auf so naive Weise, dass das Ende des Films den Zuschauer für dumm verkauft. Das drückt sich übrigens auch gut in dem dämlichen Titel aus, den das Werk in den deutschen Kinos erhalten hat: Ein ganz gewöhnlicher Held. Ein Ärgerniss, um nicht zu sagen, ein Schatten im aktuellen Kinoprogramm.
Oray, Deutschland 2019
Schon wieder geht es um Religion/Ideologie. Nun, warum nicht? An der Religion arbeiten sich viele Menschen ihr Leben lang ab. Der hohe moralische Imperativ erzeugt innere Konflikte. Kurioserweise bietet sich gerade die Religion/Ideologie mit einem Erlösungs-/Befreiungsgedanken wieder an, den Konflikt zu lösen. Ein sich selbsterhaltenes System. Man fragt sich als Zuschauer: Warum tun sich das Menschen ohne Not, völlig freiwillig an? Oray arbeitet, handwerklich gesehen, mit viel available light und hin und wieder mit der Handkamera. Das erzeugt einen leicht dokumentarisch wirkenden Eindruck, der nur ein einziges Mal durchbrochen wird. Nämlich, als der Protagonist mit einem alten Opel Kombi im Schnee im Bergischen Land steckenbleibt, ein grandioses Bild und ein kurze Pause für den Zuschauer, um durchzuschnaufen. Ein durch und durch deutscher Film, der im türkischen Milieu von Nordrhein-Westfalen spielt. Hin und wieder unfreiwiillger Humor, z.B. wenn ein Standinhaber auf einem Türkenmarkt, irgendwo zwischen Ruhrpott-Autobahn und 08/15-Gewerbegebiet sagt, dass sein hier doch kein Basar. Aber Oray ist nichts für Weicheier. Die Hauptfigur scheitert - und begibt sich aufs Neue durch dieselbe Mühle.
Das Werk ist Licht im aktuellen Kinoprogramm, Zurecht als bester Erstlingsfilm auf der Berlinale 2019 ausgezeichnet.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(08.08.19)