Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Hot
von Dieter_Rotmund
Gastkolumne von Browiak
Schon wieder einer dieser glutheißen Sommertage, unzumutbar schön. Mein Leben könnte wunderbar sein – wenn nicht Sommer wäre. Und Schwimmbad-Saison ...
Jedes Jahr das gleiche Elend: Meine Bikinis müssen den Winter über im Schrank eingelaufen sein. Bevor ich mich im Freibad sehen lassen konnte, musste ich erst einschlägige Ware für vollreife Badenixen shoppen ...
Also verbrachte ich gefühlte Stunden im stickigen Formaldehyd-Mief eines Kaufhauses und wischte in der Bademoden-Abteilung unengagiert Bügel für Bügel an den Stangen zur Seite, an denen der heißeste Shit der Saison hing: Trendige Bikinis, hippe Zweiteiler, modische Baderöcke, hautenge Badeshirts, alles … bis Größe 36. Wer keine superschlanke Gazelle im Teenageralter mehr war, dem blieben nur noch Burkinis und Einmannzelte in XXL, in dezentem Hornhautbeige oder keckem Krampfaderbleu.
Erhitzt und schwer atmend quetschte ich mich in eine der Umkleiden in Sarggröße, wo mir eine überengagierte Verkäuferin einen Baumwoll-Lappen durch den Vorhang reichte, den sie als „dunkelblauen Badeblazer“ bezeichnete: „Der passt mega zu dem hellblauen Vintage – Badekleid aus den Fifties mit den weißen Polkadots! Schlüpfen Sie ruhig mal rein!“, gurrte sie vor meiner Kabine. Als ich verschämt den Vorhang lüpfte, wand sie mir final noch ein schmales Kopftuch um die verschwitzte Frisur, das sie Trümmerfrauen-Look kess am Oberkopf zusammenknotete.
Jetzt sah ich aus wie eine Mischung aus Witwe Bolte und Burlesk-Tänzerin.
Ich seufzte schwer und konnte mich einfach nicht daran gewöhnen: Das die Zeiten vorbei sind, als ich noch nackt und mit wehendem Haupt- und Schamhaarschmuck durch die Dünen ans Meer gehüpft bin …
Ich kaufte einen schlichten, damenhaften Einteiler – zum Preis eines Campingzeltes für vier Personen. Und alles nur, damit ich nicht wie ein Grottenolm in der abgedunkelten Wohnung hocken musste. Aber: Meine Freibad-Saison war eröffnet!
Schon der Weg durch die mittägliche Sonnenglast brachte mich an meine Leistungsgrenze. Obwohl meine prall gefüllte Badetasche nur das Nötigste enthielt: Drei Bade-Garnituren zum Wechseln, ein Paleo, Badeschuhe, zwei Handtücher, ein Strandtuch, Sonnenbrille, Lesebrille, Sonnencreme, After Sun Balsam, Kulturtasche mit Reiseföhn, Duschgel, Shampoo, Spülung, Haarbürste, zwei Packungen Taschentücher, ein Taschenbuch, eine Thermoskanne Kaffee, eine Literflasche Apfelschorle, eine Tupperdose mit geschmierten Stullen, ein Apfel, eine Packung Schoko - Kekse ... mehr brauchte ich nicht, um im Freibad glücklich zu sein.
Bereits auf der Hälfte des Weges gab ich das traurige Bild eines verschwitzten, schnaufenden Geschöpfes in ausgelatschten Schandalen ab - die einzigen Schuhe, in denen ich mit angeschwollenen, feuchten Füßen keine Blasen bekam. Ich war vermutlich das einzige weibliche Wesen auf Mittelerde, das bei vierzig Grad Hitze keine luftigen Sommerkleidchen oder Röckchen trug. Das funktionierte bei mir nicht - weil sich die Innenseiten meiner Oberschenkel beim Gehen gerne Hallo sagen. Was bei Hitze jene Reibung erzeugt, die der Volksmund gerne mit „sich den Wolf laufen“ umschreibt.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich nicht so der Sommertyp bin? Sobald ich dem Erstickungstod in der Umkleidekabine des Freibades entronnen war, hockte ich später im Schwimmbad - wie jedes Jahr zu Saisonbeginn - erst mal mit total verblüfftem Schamgefühl auf der grünen Wiese und wusste nicht, wo ich hingucken sollte. Fremde Arschbacken drängten sich mir in Riech- und Greifweite zur Ansicht auf. Den meisten Menschen steht Nacktheit nicht gut zu Gesicht. Ganze Romane könnte ich schreiben über männliches Elend in Badehosen …
Mit steigenden Temperaturen nehmen die Probleme, die ich schon an kühleren Tagen mit manchem Silberrücken habe, überproportional zu. Frustriert konstatierte ich, dass mit Männern meines Alters selbst harmloseste Schwimmbadflirts nicht mal mehr denkbar waren. Während ich betagten Herren in ihren let-him-swing-Schlotterbuxen dabei zusah, wie sie mimosenhaft ihre weißbehaarten Altmännerbeine ins Wasser tunkten, schoss bei mir der Pflege-Instinkt durch.
Der Anblick manch jüngeren Semesters war nicht unbedingt erfreulicher. Als ich vor dem Kiosk saß und mein Eis schleckte, umhüllt vom Lärm kreischender Kinder auf der Wasserrutsche und umgeben vom Odeur, das Sonnenmilch auf schwitzenden Körpern hinterließ, dazu der Chlorgeruch des Wassers und ein Hauch ranzigen Frittenbratfettes, das die Bude hinter mir verströmte, fläzte sich ein Muckibuden-Pumper mit Migrationshintergrund in Orang-Utan-Pose und weit geöffneten Schenkeln mir gegenüber. Von hinten klopfte ihm ein Kumpel auf die Schulter und grölte:
"Ey, was geht ab, Bruda: Eia schaukeln im Schwimmbad, wa?“
"Jap Alta. Hab` noch krassen Kata, wegen gestan.“
"Jo, Man. Hast du die Bitch gefickt? Hast du, Alta?“
"Hör`auf, Bro. Das Miststück hat mich da in was reingezogen …
“Muschi. Hö, hö."
“What?“
"Heißt Muschi, in was die dich reingezogen hat, Alta! Wuharrr, harrr ...“
Hastig suchte ich das Weite - und Abkühlung. Meinen erhitzten Körper ließ ich langsam im Schwimmerbecken zu Wasser, dabei musste ich einige Ausweichmanöver starten, um mittelalten schwimmenden Treibminen mit Badekappen auszuweichen, die nebeneinander im Wasser dümpelten, um neuesten Kleinstadttratsch auszutauschen. Direkt neben mir sprang ein älterer, glatzköpfiger Beau mit einer Angeberarschbombe vom Seitenrand. Vor mir schoss das Wasser auf wie eine Unterwassergranate, kurz darauf tauchte der Typ direkt vor mir auf und prustete mir seinen Rotz ins Gesicht. Ich wünschte ihn an einen fernen Planeten, während ich Chlorwasser hustete.
Auf der nächsten Bahn kam mir dieser glatzköpfige Athlet, rücklings auf dem Wasser kraulend, den mächtigen Wanst gen Himmel gereckt, wieder entgegen. Kurz bevor mir sein Arm ins Gesicht knallte, drehte er sich um. Ich erstarrte. Obwohl dieser Mann nur noch die homöopathische Mischung dessen darstellte, was ich vor Äonen für den hotesten Typen ever gehalten hatte, wusste ich sofort: Das ist doch … Bodo Münstermann. Der Sohn des Bademeisters … in den 70ern. Der mich als junges Mädchen mal dermaßen verarscht hatte ...
Lautlos glitt ich durchs Wasser, diesem Glatzkopf hinterher. Ich muss es wissen, ob das tatsächlich Bodo war, dieser Schmock! Ich ließ ihn noch zwei, dreimal an mir vorüber kraulen, um ganz sicher zu sein. Meine verdeckten Ermittlungen ergaben: Dieser Herr im besten Mannesalter, der da so selbstgefällig durchs Schwimmerbecken kraulte, hatte bei mir noch eine Rechnung offen ...
Beherzt machte ich meine Schwimmbrille startklar und tauchte ab. Wie ein Krokodil, das auf der Lauer lag …
"Es ist nicht, wonach es aussieht“, versuchte ich mich später vor der Menschentraube zu rechtfertigen, die sich am Beckenrand zusammendrängte, um zu sehen, wie sich der Bademeister über einen glatzköpfigen Beau beugte, dem er das Chlorwasser aus der Lunge pumpte, bis es ihm schaumig aus seinem Mund hervorquoll und er nach Luft japste.
Ich kenne diesen Mann nicht – und dass ich ihm beim Schwimmen ins Gemächt getreten habe, war ein Versehen, ährlich …!“
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(26.05.22, 05:30)
P.S.: Für alle, die noch nicht so lange dabei sind: Der (Über-)Titel der Kolumne ist kein Paradigma, es dürfen hier auch Texte zu ganz anderen Themen stehen, wie in der Vergangenheit auch schon oft geschehen...