Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Ein neuer Stadtteil entsteht, Open Air Kino markiert den Anfang
von Dieter_Rotmund
Regisseur Fatih Akin ist ein Vertreter der inzwischen von Rechts (AfD) wie von Links (woke) aufgekündigten Idee der friedlichen Kooexistenz verschiedener soziokultureller Gruppen unserer Gesellschaft, Mulitkulti genannt. Der Begriff wurde in den 1990er Jahren populär, ist heute aber von keiner Relevanz mehr. Es sei denn, man redet über die Jahre, in denen Multikulti en vogue war.
Am Freitagabend sah ich Akins Film Soul Kitchen aus dem Jahre 2009 und wurde in eine andere Zeit versetzt, obwohl die Handlung gegen Ende der Nuller Jahre spielt, was ja noch nicht allzu lange her ist. Von der Stimmung her ist der Film eher 90er, finde ich.
Interessanter als die Tatsache der Rezeption dieses Werks sind die äußeren Umstände gewesen: In diesen unseren Städten entstehen derzeit mitunter meist ganze Stadtteile neu. Und diese Stadtteile haben Plätze, wie auch der Platz, an dem wir eben an diesem Freitagabend Soul Kitchen auf der großen Open Air Leinwand sahen. Der Kinoabend markierte die Eröffnung des gerade fertig gestellten Platzes (den Namen habe ich vergessen, sorry), wir waren also Zeugen eines lokal-historischen Augenblicks. Später einmal wird in den Stadtteil-Annalen stehen: Am 11. August wurde der Platz mit der Open Air Kinofilm-Präsentation eines deutschen Multikulti-Regisseurs eröffnet.
Tatsächlich war die Gegend noch voller Brachen (ein tolles Wort!), irgendwann werden dort elektrisch betriebene und von KI gesteuerte Kinderwagen darüber geschoben und man wird vielleicht mit Flüchtlingen eine Gedenkfeier zu 100 Jahre Ukrainekrieg veranstalten.
Fatih Akin bedient inzwischen nur noch cinematographische Minderheiteninteressen, wie 2022 mit Rheingold, das den endgültigen Abschied von jeglicher Bildungsattitüde bildet und eher eine Studie eines höchst unsympathischen Milieus ist: Spacken, die anderen Spacken in die Fresse hauen, in ihrem kleinen, soziokulturellen Umfeld. Für Akin eine konsequente Entwicklung von damals (Soul Kitchen) bis heute. Soul Kitchen erschien mir zunächst wie eine überdrehte Komödie, bei der die Drehbuchautoren von ihrer eigenen Witzigkeit berauscht gewesen sind. Aber dies führte, wenn wir ehrlich sind, zu einem Film voller Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Menschen und Dingen. Von daher war Soul Kitchen, weil aus der Zeit gefallen, eine schlechte Wahl. Was nicht heißen soll, dass es für uns, überhaupt für das ganze Publikum, kein schöner Abend war. Die Auseinandersetzung mit dem Film, dem Kontext von 2009 und dem Kontext von 2023 hat mir gefallen. Danke dafür.