Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Wiedergefundene Sehnsüchte…- Oder: Der perfekte Film
von Dieter_Rotmund
Gastkolumnistin Nimbus über Carroll Ballards Fly Away Home, deutscher Titel Amy und die Wildgänse, aus dem Jahre 1996.
Ich zappte so im TV herum, war eigentlich am telefonieren… Dann… „Tut mir leid! Ich muss jetzt mal … ähm Verlegenheit…weil ich musste ja nur TV schauen… -.
Ich hatte den Film ewig nicht mehr gesehen. „Amy und die Wildgänse“. Ein Kinderfilm. Ein Film, der mir immer wieder Gänsehaut einzuflössen weiß.
Es ist mein persönlich perfekter Film. Wie macht man einen Film aus? Letztendlich, selbst als Kritiker, sieht man jeden Film subjektiv. Das Wort Objektivität ist in dem Sinne eine Farce. Denn wer kann von sich selber schon behaupten komplett seine Emotionen wegzustreichen?!!!!!
Wenn ich einen Film als perfekt bezeichnen würde, so wäre er es. Vielleicht liegt es daran, dass aus dem wahren Leben geschrieben ist, dass er daraus entstanden ist, oder daran, dass er was mit der Liebe zum Fliegen zu tun hat. Vielleicht ist es eine Kopplung aus beidem. Aber Möglicherweise ist es auch eine tiefste Sehnsucht. Die Sehnsucht verstanden zu werden, speziell vom eigenen Vater.
Ich bin mir nicht sicher, wie oft ich mir den Film schon gegeben habe. Ich hatte ihn auf DVD. Dann hatte ich ihn meinem Vater geliehen. Der ist aber irgendwie spurlos bei ihm verschwunden. Ich gehe davon aus, dass seine Frau (die ich sehr schätze und achte) versehentlich mal an irgendeine ihrer Nichten als Kinderfilm verschenkt worden ist. Dabei wäre es mir so wichtig gewesen das er das Ding, das … Farbenspektakel genialster Art an Filmklasse der natürlichen Idylle miterlebt… Vielleicht aber auch dieses scheiß Tochter-Vater Verhältnis gesehen hätte… -
Es ist nicht immer einfach, so, diese familiären Beziehungen. So, wie in diesem Film. Amys Mutter stirbt bei einem Autounfall und sie kommt in ein anderes Land, in Kanada, zu einem Vater, den sie gar nicht kannte. Ein Erfinder. Neumodisch gesagt, oder ein geenglischt, ein wenig crazy… sieh hatte Angst vor ihm. Sie fühlte sie allein, verlassen, ihre Umgebung beraubt und war überhaupt nicht zugänglich. Sie war 13 Jahre alt. Dabei verließ sie nie ihren eigenen Kopf! Den ließ sie sich nicht nehmen, und in dem Sinne war ihr durch aus exzentrischer Vater nicht wirklich dazu in der Lage auf seine entfremdete Tochter einzugehen.
Im Volksmund, der Kontakt zwischen den Beiden war eine „Schwierige Geburt“. Er war Erfinder, durchaus kurios, aber wirkte liebenswert. Er hat sich selbst zuweilen auch noch gesucht und versuchte mit einer eigen erbauten Flugkonstruktion zu fliegen… Das sich das weiter entwickeln würde und die Liebe zwischen ihm und seiner Tochter fördern könnte, war ihm nicht klar, zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Manchmal weinen Mädchen heimlich. Ganz im Verborgenen. Fast so wie Jungs. Offenbar hat heimlich traurig sein auch einen Vorteil. Es zeigt zwar zu einem, dass da etwas fehlt, nämlich Bezugspersonen, aber Amy hat aufgrund eines Umweltskandals Eier gefunden… welche, die…
… ausschlüpfen sollten!!!!!!!!!
Sie kümmerte sich alleine um „ihre“ Eier sehr inständig. Das war sie, die Familie, von der sie geträumt hatte, doch das war ihr noch soweit nicht klar. Es war jedenfalls erst mal ihr neuer Bezugspunkt, den sie bei ihrem Vater und auch seiner sehr verständnisvollen Freundin einfach nicht fand!
Es waren Gänseeier und jedes Kücken sollte überleben. Soviel weiß ich, hätte ich meinem Vater soviel Gänse auf den Tisch in der Wohnung gesetzt, hätte er mir den Hintern versohlt…Ich weiß schon, was für ein Dreck so kleine Wellensittiche machen… Puhh… Gänse. –
Doch er wollte seiner Tochter die Möglichkeit geben sich an ihn zu gewöhnen. Aber er war den Viechern nicht unabgeneigt. Es stellte sich schnell heraus, dass sie Amy als Mutter anerkannten.
Sie folgten ihr überall hin.
Es beginnt eine weitere Story in der Story des Familiendramas, die Höhen und Tiefen mit sich zu bringen weiß.
Es entstehen Wahnsinns Aufnahmen, die Musik ist genial gewählt, und es geht noch mehr in die Tiefe der Umwelt. Ein sogenannter Helfer will den Gänsen an die Flugfähigkeit.
Es ist eine Vermutung, doch ich denke, der Vater hat diese Gänse selber lieb gewonnen… Dann beginnt eine Geschichte, die unglaublich ist, aber der Wahrheit entspricht!
Sie wollen den Gänsen die Möglichkeit gewähren in der Natürlichkeit ihrer Art zu leben!
Was sich als gar nicht so einfach erweist, wie bekommt man die Vögel nun zum fliegen, wenn es ihre Leitfigur, Amy nicht kann?
Die Geschichte hat mehr Helden, als Bösewichter… Denn Amy ist tollkühn und probiert das Fluggerät ihres Vaters… Dem Gerät, dem die Gänse aber nicht hinterherfliegen, weil Amy auf dem Boden steht. Also versucht sie es selber. Es entspricht einem UL, einem Ultraleichtflugzeuges. Sie schnappt es sich tollkühn.. und ja!!! Es funktioniert, die Gänse fliegen mit ihr. Doch das ist nicht das Hauptproblem. Diese Gänse sollen ja mal in den Süden fliegen…. –
Der eine sogenannte Helfer macht ihnen das Leben immer wieder schwer, weil er den Gänsen die Flügel stutzen will. Er wirkt im Film gar nicht mal unsymphatisch. Vermutlich hat er auch nur die besten Absichten…
Aber wer könnte schon erahnen was passiert?
In Deutschland darf man mit 14 Jahren fliegen, jedenfalls Segelflug. Den Schein darf man erst später haben.
Sie haben keinen Flugplan aufgegeben. Ich kenne das nur von Deutschland. Das ist pbelk. Sie haben aufgrund einer Notsituation, zu wenig Sprit, es geschafft, eine Militärbasis in Alarmbereitschaft zu setzen… -Das war ziemlich planlos, wenn man mich so als Segelflieger fragt… Aber andererseits auch genial… Sie hatten die Presse nämlich dann hinter sich…
Sie hat es gelernt! Sie war tollkühn, aber es hat funktioniert. Mit ihr flogen die Gänse! Ihre eigene geschaffene Familie.
Es kam fast zur Katastrophe, doch ihr Vater beschloss sie fliegen zu lassen, lehrte es ihr.
Ich weiß gar nicht, manchmal, was ich zu dem Film sagen soll. Es ist ein Film, in dem ich auf die Knie sacke, so ganz unjournalistisch, so ganz als Mensch und ich sehe Bilder, ich sehe Momente. Momente von neuer Familie, denn ihre Mutter war ja gestorben, dafür wurde sie zur Gänsemutter und ihr eigener Vater tat alles um das zu unterstützen. Irgendwie haben sie es geschafft, dass sie einem UL = Ultra Leicht Flieger hinterher geflogen sind. Verdammte Kacke, was soll ich sagen, ich würde mir in die Hose pinkeln, so ein Gerät auch nur zu betreten (habe ich auch schon ) Die Dinger haben eine Gleitzahl von Eins zu Plumps. Das heißt, wenn sie abrasseln, dann richtig.
Das zeigte in dem Sinne, in dem Film, auch eine nachgestellte Situation.
Amy und ihr Vater haben Hürden übernommen, bestanden, und hatten tolle Freunde, die ihnen dabei geholfen haben. Aber die Wildgänse in ihre Sommerheimat zu bringen, das mussten sie alleine. So wie ich informiert bin, nehmen Vögel immer dieselbe Route… Da muss ich lachen, da fliegen die einmal im Jahr durch eine Hochhaus bevölkerte Strsse. Aber sie kommen an, wo sie ankommen sollen.
Da hält sich bei mir keine Träne mehr. Das wiederholt sich immer, wenn ich den Film she. Der Vater stürzt in seiner eins zu plimps Kiste ab. Die Tochter landet, und er sagt ihr, Du schaffst das. Ich ziehe ganz ehrlich Vergleiche, und da ist mein Vater, der zu mir nichts sagt, aber meine erste halbe Stunde mitbekommt, die erste halbe Stunde Thermikfliegen. Er kommt mir nicht zu nahe, aber ist die ganze Zeit da. Ich habe mir vorsichtig meine erste Thermik erschlichen, ganz leise, ganz unscheinbar und mein Vater klebter mit seinem Speed Astir an meiner Flügelspitze. Ich erkämpfte mir nach und nach meine Meter. Nach und nach, und ich werde es meinem Vater nie vergessen, dass er mir da Händcchen gehalten hat. Nur nicht in echt, quasi mit seiner Flügelfläche! Mein Fluglehrer wies mich an zu landen, gratulierte mir aber noch via Funk, für die damalige C Prüfung. Meind Dad tat dies auch. Ich flog „nach Hause“ also an den Start. Mein Vater flog weiter. Aber er hatte meine erste halbe Stund erstes Thermikfliegen mitbekommen…
Dieser Film ist eine Verschmelzung meiner Selbst mit meinem Vater. Es sind zwar nur UL`s aber es ist Vater und Tochter auf einer Weise, auf eine Weise, wie man sich nie näher kommen kann! Ja, klar, meine Mutter ist nicht gestorben, aber meine Eltern sind nun mal geschieden, und ich war bei meiner Mutter, leider. Mein Vater zeigte mir eine Form von Leben, eine Form von Stolz, die ich nie zuvor so erleben hatte….
Amy musste alleine weiterfliegen. Sie musste! Es ging um Umweltschutz, es ging darum ein Gebiet zu besiedeln, neu zu besiedeln, dass es keine Bagger plattmachen konnte, und in dem Sinne kannte sie den Weg nicht.
Ihr Vater gab ihr den Glauben an sich selber (worauf viele Kinder im Nachgang immer noch warten, nicht zuletzt ich).
Er erklärte ihr den Weg. Sie flog los, für ihre Gänse. Sie war ganz alleine. Menschen in einer Stadt zeigten ihr via Handzeichen den Weg. Ihr Igor, das war eine Gans, die in dem Sinne ein wenig beschränkt war, saß die ganze Zeit auf ihrem Ultralleichtfluggerät und meckerte, doch er war dabei, er war von Anfang an eingeschränkt.
Es kommt eine Reihe von Bildern, die man sich nicht vorstellen kann. Die Melodie war meines Erachtens nach perfekt ausgewählt… Dann kommen Bilder vom Herbst… Alles zeitgleich… und ein junges Mädel… wirklich süßes Wesen… die genug Biss hat, sich über alles zu stellen… Sie fliegt, ganz alleine… im irgendwo, für sie fremd, um ihre Gänse in ein neues Zuhause zu führen. Das was man ihr untersagen wollte, hatten sie als Team geschafft…
Aber in der Geschichte führt nicht nur eine Amy eine Wildgansherde zu ihrem neuen Zuhause, was man schon ganz klar als Wunder anssehen muss, sollte, denn es ist nicht nur ein Film! Das ist wirklich passiert. Sie kommt ihrem Vater nahe, dem, er ihrer Mutter und sie hatte vorher gehen lassen…v –
Dann fliegt sie weiter, ganz alleine. Das Herbstpanorama ist überwältigend. Ihre Gänse fliegen mit ihr. Sie hat Angst, doch ihr Vater hat ihr genug Selbstbewusstsein gegeben, dass sie auch die letzten Meilen geschafft hat.
Man sieht Bilder… WOW! Herbstfarben malen Bilder und schließen sich quasi mit dem Wasser kurz… Sie hat keine Navigation, sie fliegt nach Instinkt, sie fliegt der Küste entlang, und eigentlich wartet jeder auf sie.
Es gibt im Leben manchmal Momente der Stille. Die sind ganz leise und sagen mehr, als es ein Roman zu vermitteln wüsste.
Dieser Film, diese Minuten waren so… Jedenfalls für mich. Da wurden Bände gesprochen, Filmmaterial aufgenommen, was man nicht fühlen kann, was man nicht sehen kann, was man nicht hören kann…..
Seid ihr schon mal geflogen? Alleine, meine ich. Das andere haben ja die meisten…
Ich weiß gar nicht genau, wie ich das erklären soll. Aber es ist der Hammer. Wenn die Blattlaus es geschafft hat, über ihren Tellerrand zu schauen, für einen kleinen Moment, wenn sie den Himmel in der Mitte sieht und nirgends anders, wenn Regenbogen wachsen, wo es keine gibt…. –
Was soll ich sagen… Ich kann nichts sagen… Das muss man fühlen, um mitreden zu dürfen… Für mich war es….
Wortlos…–
So flog Amy ihre letzten Meilen… Natur, Dimension, wie sie schöner nicht hätte sein können… Ein Vater sowie seine Freundin und zwei Freunde, die warteten… die auf ein Wunder warteten, denn dieses Gelände sollte bebaut werden…
Es waren Momente voll von Schönheit, die ein Flieger kaum mit einem Nichtflieger teilen kann, denn es fehlen ihr die Worte dafür…
Das Mädel schaffte es einfach… Durch wunderschöne Momentaufnahmen… sie wurde als Heldin empfangen im quasi nichts.
Eine Heldin, die nicht nur Wildgänse irgendwo hingeführt hat, sondern eine Heldin, die auch Familienkonflikte dabei gelöst hat und zusätzlich Umweltprobleme aus der Welt geschafft hat. Ein Märchen, das real wahr war, ist und mich heute noch zum Kniefall veranlasst! Nicht zuletzt, weil es um eines geht, ums fliegen…
Mein Vater und ich sind uns nie so nahe gekommen, aber ich weiß, der Film, die Realität des passierten, gibt mir den Mut daran zu glauben… .-
Mein perfekter Film!!! Ja, es gibt ihn… -
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Hier und da ist mir sicherlich noch ein Fehlerchen durchgerutscht, wofür ich um Entschuldigung bitte. An der Nimbus-Syntax der Sätze habe ich kaum mal etwas verbessert, das lasse ich als künstlerische Freiheit gelten...
Gänse und Fliegen, da fällt dem deutschen TV-Zuschauer natürlich die oft gezeigte Anime-Serie aus dem Jahre 1980 ein, die den deutschen Titel Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen trägt.
Da wäre noch Martin Scorseses mißlungenes Howard-Hughes-Biopic Aviator aus dem Jahre 2004, dass mittels bewährter Blockbustermechanismen noch halbwegs erfolgreich in die Multiplexe gedrückt wurde. Übrigens kommt da ein Flugzeug vor, das "Spruce Goose" (Fichten-Gans) heißt...
Einen persönlichen Favoriten für mich kann ich schwer ausmachen; Fliegen kommt zwar oft vor, steht aber eher selten im Mittelpunkt des Filmes. Vielleicht The Flight of the Phoenix? Aber dann bitte Robert Aldrichs Original aus dem Jahre 1965...