Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 10. Februar 2016, 12:06
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Katzelmacher

von  Dieter_Rotmund


Gastkolumnist  Dr. Frosch über

Katzelmacher, Rainer Werner Fassbinder, 88 Minuten, BRD 1969

Die Szenen des Films wechseln zwischen wenigen Orten, sie spielen

• auf einem Treppengeländer vor einer Reihe toter Fenster, vor denen Geranien hängen
• auf der Straße davor, die zur Aufführung gnadenloser Dialoge genutzt wird
• in karg eingerichteten Räumen
• auf Betten
• im Wirtshaus

Lediglich der Anfang beginnt draußen . Marie (Hanna Schygulla) wird von einem Opel-Kadett-Fahrer abgeholt, als sie einen Laden verschließt.

Katzelmacher wurde von einem Franz Walsch geschnitten und dieser ist Rainer Werner Fassbinder. Er spielt auch den Griechen Jorgos. Jorgos ist Katzelmacher. Ein Katzelmacher ist eine abschätzige Bezeichnung für einen Gastarbeiter. Der Grieche taucht erst kurz vor der Mitte des Filmes auf. Mit einer ausgeleierten Jacke, ebensolcher Hose und ausgetretenen Schuhen. Einen kastenförmigen Lederkoffer in der Hand.

Er wird von einer Gruppe junger Leute (Fassbinders Stamm-Mannschaft) vor einer Hauswand empfangen, wo die Akteure gelangweilt auf einer Metallstange wie aufgereiht sitzen:

Schaut ihn an, wie der schaut! Ein Ausländer. Jetzt kommt er schon hierher. (Fassbinder latscht ins Bild) Magst was, hä? Suchst Du da was? Was bistn Du für einer! Kannst nicht reden, wenn man Dich was fragt?! Italien Du? Italien nix. Was willna der bei uns. Wo willst Du denn hin? Adresse nix?
Jorgos verschwindet aus dem Bild, nachdem man ihm auf einem Zettel seine Zieladresse gezeigt hat.
Zur Elisabeth issa gangä. Ich hab schon immer gsagt, wie dass die mannstoll is.

Der Film ist in München gedreht, doch bezieht sich Fassbinder darin auf Marie Louise Fleißer und ihr Stück 'Pioniere in Ingolstadt'. Beide stellen, jeder auf seine Weise, das Leben kleiner Leute nach. Fassbinder pervertiert sie dabei, indem er Hochglanzschauspieler verwendet und eine Kamera, die ohne jede Bewegung die Szenen herunterfilmt und dann zur nächsten Einstellung wechselt. So dauern die einzelnen Szenen ungewöhnlich lang, die Hintergründe und Einrichungen sind minimiert, es ist eine gefilmte Theatervorstellung. Das härteste allerdings sind die Dialoge. Sind meistens kurz. Bestehen aus 3, 4 Wörtern und sehr viel Leerraum. Sie sind bayrisch derartig auf Hochdeutsch gewürgt, dass man vermuten könnte, Fassbinder und seine Mannschaft habe sich hier am Untergang der Deutschen Sprache verlustiert. Das scheint allerdings nicht seine Absicht gewesen zu sein. Ein paar Beispiele:

Na, ist jetzt wieder da, der Deine?
Kümmer Du Dich um den Deinen! Laß mir den Meinen.
Ist schon ein seltsamer Ton da.
Hörts jetzt auf mit dem Streit da.
Das geht Dich einen Scheißdreck an, was wir reden da.


und

Wie isn der Deine?
Es geht.
Der Meine der ist lieb.
So?
Wie der mich anfasst, da spürt man schon was.
Das ist bei mir und dem Meinen auch so.
Außerdem ist der gut, da spürt man das bei dem.
Gut ist der Meine auch. Und spüren tu ich auch was.

Hart wird es immer in der doppelten Verneinung: Das geht Dich nichts an nicht. Ich habe kein Geld nicht! Aber ebenfalls Wendungen wie: Ich habe wieder ein Geld. bleiben nicht ohne inneren Nachhall.

Man könnte den Film wie einen in die Länge gezogenen Kaugummi betrachten. Wie Langeweile, die man mit dem Mikroskop untersucht. Lätschig und breiig. Wären da nicht die gnadenlos sicheren Kameraeinstellungen, der Schwarz-Weiß Kontrast der Bilder und der eingefangene Zeitgeist um 1970 herum. Inklusive der superkurzen Röcke, den Einrichtungsgegenständen und der austauschbaren, zum Teil käuflichen Beziehungen. Der Grieche Jorgos mischt mit in diesem Menschen-Chaos und zahlt dafür am Ende einen hohen Preis. Man muss sich extrem herunterkühlen, um als Zuschauer nicht vorzeitig das Handtuch zu werfen. Wie bei vielen Fassbinder-Filmen. Kann dafür allerdings lange den einzelnen Darstellern nachforschen, die ebenfalls oft am Rande des Schlafes agieren. R.W. Fassbinder tauchte in der deutschen Bühnen- und Filmgeschichte um 1965 herum auf wie ein Geist. Und verschwand ebenso schnell wieder mit 37 Jahren. Er hinterließ an die 80 Werke für Bühne und Leinwand. Man kann Katzelmacher durchaus genießen in dieser Absurdität. Von den Darstellern und den Dialogen her soundso. Umso mehr, wenn man die bayrisch - hochdeutschen Sprachverzerrungen als zynischen Humor betrachtet. Wie sie aber sicher nicht gemeint sind.

Hanna Schygulla: Marie
Lilith Ungerer: Helga
Rudolf Waldemar Brem: Paul
Elga Sorbas: Rosy
Doris Mattes: Gunda
Irm Hermann: Elisabeth
Peter Moland: Peter
Hans Hirschmüller: Erich
Rainer Werner Fassbinder: Jorgos
Harry Baer: Franz
Hannes Gromball: Klaus
Katrin Schaake: Frau im Restaurant

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (20.02.16)
Ich empfand bisher die Fassbinder-Werke immer als sehr anstregend anzuschauen, kann mich aber langsam für sie erwärmen. Bei Fassbinder frage ich mich: Ist er der, der die deutsche Nachkriegsfilm-Seligkeit (Wolfgang Staudte, Paul Hörbiger, Rudolf Prack, Karlheinz Böhm usw.) wirklich aufmischte und entstaubte? So eine Art Arno Schmidt des Filmbetriebs?
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