Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 07. Juni 2018, 15:58
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White Trash

von  Dieter_Rotmund


Der Begriff "White Trash" bezeichnet etwas despektierlich die weiße, US-amerikanische Unterschicht. Mir persönlich kam vor einigen Jahren diese Bezeichnung nicht in ihren soziokulturellen Kontext erstmals unter, sondern in Verbindung mit ihrer Darstellung in Kinofilmen und Fernsehserien. Nachfolgend möchte ich ein paar Werke vorstellen, in denen der "White Trash" eine mehr oder weniger zentrale Rolle spielt.

Diesbezüglich populärstes TV-Werk ist sicherlich die US-amerikanische Serie Roseanne, deren Sequel kurioserweise durch ein "White Trash"-typischen Twittereintrag einer der Darstellerinnen torpediert und dann deswegen von den Produzenten eingestellt wurde. Der Humor der Serie ist stellenweise reichlich dämlich, aber die Umgebebung echter "White Trash": Die Themen kreisen fast ausschließlich um Familienangelegenheiten, Bildung spielt kaum eine Rolle, Bücher tauchen nur sehr selten auf. Sympathisch ist, dass auch Finanznöte der Familie immer wieder thematisiert werden.

Man nennt mich Earl (TV-Serie, 2005-2009)
Vemutlich beste "White Trash"-Serie ever. Das dort gezeigte "White Trash" ist zwar hart am Rand des Kleinkriminellentums, aber inklusive Trailerpark, illegale Immigranten, runtergekommener Motels und Strip Bars usw. ein hervorragend gezeichnetes Bild eines Teils der amerikanischen Gesellschaft, finde ich. Natürlich hier und da über-zeichnet, dabei nimmt das Werk seine Protagonisten durchaus ernst und führt sie nicht vor.

Sunrise (Murnau, 1927). Der Film ist zwar fast älter als der Begriff des "White Trash", aber es sollte erlaubt sein, auch ältere Filme, wie dieses äußerst populäre Werke aus der Stummfilmzeit, darauf abzuklopfen. In Sunrise spiegelt sich doch deutlich eine Klassengesellschaft bzw. deren Gegensätze wieder, wie sie damals in Filmen immer wieder dargestellt wird. Die (ärmere) Landbevölkerung (alles Weiße übrigens) wird in Sunrise gegen die reichere, aber moralisch verrottete Stadtbevölkerung (selbstverständlich alles Weiße) ausgespielt. Typisch für "White Trash" ist es, das sich die männliche Hauptfigur dazu überreden läßt, seine Ehefrau umzubringen, das Problem also außerhalb der bürgerlichen Regeln zu lösen versucht. Insgesamt wird die Unterschicht jedoch etwas zu stark romantisiert, was zu etwa gleicher Zeit bei Chaplins "Tramp" gerade zu einer verkitscht-überzeichnenden Figur führt. Die bildungsferne "White Trash"-Familienhölle wird allerdings weder in Sunrise noch bei Chaplins "Tramp"-Filmen aufgeführt.

Wendy and Lucy (2008). Exzellentes Werk mit Michelle Williams in der Hauptrolle, als sie noch weniger bekannt war. Das Drama zeichnet zwar eher ab, wie man bzw. die Hauptfigur zu "White Trash" wird, aber in den Nebenfiguren ist dieser schon sehr präsent.




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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 TrekanBelluvitsh (07.06.18)
"Roseanne" ist mittlerweile ja auch schon alt... äh... sieht alt aus. Dabei, wo ich gerade beim Aussehen bin, ähnelte Roseanne Barr ja schon immer einem Pfannkuchen mit Kartoffelnase. (Darf ich so etwas sagen, auch wenn ich keine Schlaftabletten nehme?)

Davon abgesehen hatte ich - White Trash oder nicht - eigentlich immer eher Sympathien für ihre Schwester Jackie, gespielt von der wunderbaren Laurie Metcalf. Denn mal ehrlich: Roseanne war ihr gegenüber doch extrem übergriffig. Leute, die so sind, haben eigentlich einen tritt in den Hintern verdient. (Ha, so verbinden sich Serie und Leben!)

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.06.18:
Ja, Jackie (Laurie Metcalf) verkörpert in Roseanne den Teil des "White Trash", die ausbrechen und ein selbstbestimmtes Leben führen will, sich aber von den herrschenden Werten und den Familienbanden dafür nie genug lösen kann. Eine in ihrem Scheitern höchst unterhaltsame Figur.

Außerdem ist mir noch eingefallen, dass man das in Deutschland höchst populäre und mehrfach gesendete Married with Children ebenfalls zu einer Serie zählen muss, deren wichtigste Protagonisten dem "White Trash" angehören. Allerdings habe ich den Humor nie verstanden, ich empfinde die Serie als äußerst bleiern-langweilig.

@Graeculus: Danke, hab's korrigiert! Ja, ich weiss, du bevorzugst eher Sci-Fi, ich aber eher Serien, die näher am real life und der gesellschaftlichen Gegenwart sind. Und "White Trash" ist da eine sehr passende Projektionsfläche.
Graeculus (69)
(07.06.18)
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