Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 24. August 2022, 23:00
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Hercule Poirot - altbackener Kram oder moderner Held?

von  Dieter_Rotmund


Hercule Poirot ist eine Figur der britischen Schriftstellerin Agathe Christie (1890-1976). Die Kriminalgeschichten um den belgischen Detektiv wurden bereits mehrmals verfilmt, der Ermittler von unterschiedlichen Schauspielern dargestellt. 
David Suchet verkörperte ihn viele Male, nämlich 70 Mal (sic!) in der TV-Serie Agatha Christie's Poirot (1998-2013). Vielen ist als Poirot sicherlich noch Peter Ustinov (1921-2004) präsent, die Christie/Poirot-Verfilmungen Death on the nile (1978) und Evil under the sun (1982) sind auch wahre Perlen der Filmgeschichte, nicht nur wegen Ustinov, sondern wegen des gesamten Casts. Ustinov drehte später auch noch den TV-Film Appointment With Death (1988) als Poirot.
Herausragend finde ich persönlich die Leistung von Albert Finney als Meisterdetektiv, der den Begriff der "kleinen, grauen Zellen" geprägt hat,  in Murder On The Orient Express (1974). Nicht nur der Film ist zeitlos schön, Finney ist quasi mein Lieblings-Poirot geworden, könnte man sagen.
Daneben gibt es noch eine Poirot-Darstellung von Tony Randall in The Alphabet Murders (1965, habe ich nie gesehen, auch die zwei Filme mit Austin Trevor aus den 1930er Jahren leider nicht) und Jason Alexander (Seinfeld) parodiert Poirot angeblich in einer Muppett Show-Folge. 
Ferner stellte auch James Coco in Murder by Death (1976) den Meisterdetektiv parodistisch dar - ein furioser Film, den man noch heute gut sehen kann, aber so richtig passt er nicht in diese bunte Reihe von Hercule Poirot-Filmen.
Dies als Ergebnis meiner oberflächlichen Recherche. Sollte ich einen Poirot-Darsteller oder ein anderes, wichtiges Detail vergessen haben, so möge der- oder diejenige die Fakten hier in den Kommentaren ergänzen, Danke!

Es kommt die Frage auf, ob die Poirot-Figur heute noch zeitgemäß ist. Besser gefragt: Liefert sie noch spannenden Geschichten fürs Kino? Ist sie wandlungsfähig?  Sicherlich, man könnte ihn, Poirot, als Computer-Nerd darstellen, die besserwisserische Attitüde hat er ja schon, aber so richtig verfangen will das nicht. Poirot lässt sich nicht digitalisieren, dafür achtet er zu sehr auf kleinste Details und menschliche Regungen (und weiß diese in den richtigen Zusammenhang zu bringen) und zu sehr ist ihm die erzählerische Auflösung wichtig - beides bedient ein Computermensch  definitiv nicht. Auch der Mythos des Internets, darin sei alles zu finden, ist schon lange eine märchenhafte Legende. Poirot als Computer-Nerd scheidet meiner Meinung nach aus.
Es kommt damit die Frage auf, ob Hercule noch zeitgemäß ist. Vor ein paar Tagen sah ich Death On The Nile von 2022 in einem schönen Open Air Kino am Rande des Schwarzwaldes. Belfast-Regisseur Kenneth Brannagh hat ja schon die Christiesche Expresszug-Story mit sich selbst in der Haupttolle verfilmt, nämlich 2017. Im 2022er Death on the nile verschafft er Poirot so eine Art Vorgeschichte im ersten Weltkrieg, in dem angedeutet wird, das Poirot eigentlich Landwirt werden sollte - ist das bei Christie wirklich so verbrieft, war zuvor nicht Polizist? Nun ja, es ist aller Ehren wert, dass Brannagh sich des schönen Stoffs angenommen hat, Gal Gadot ist in Death on the Nile anbetungswürdig. Aber doch ist er, Brannagh,  der Versuchung erlegen, den Film etwas zu actionlastig zu gestalten, finde ich. 
Was kommt als nächstes? Alibi würde gut passen - lassen wir uns überraschen. Laut imdb.com arbeitet Brannagh derzeit nicht konkret an einem weiteren Poirot-Projekt. Wiedemauchsei, das Kino hat Ermittler leid, die fast ausschließlich mit viel Krachbummpeng ermitteln - Bond, Reacher, Hunt - das sind doch, wenn wir ehrlich sind, überwiegend überlange Verfolgungsjagden mit sehr viel Geprügel.

Wer ist Dein liebster Hercule-Poroit-Darsteller?

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Graeculus (25.08.22, 12:39)
Es wäre interessant, die verschiedenen klassischen Detektiv-Typen (Poirot, Holmes, Columbo etc.) zu vergleichen und zu analysieren, was sie heutigen Menschen noch zu sagen haben.

Zunächst haben sie ja alle den Charme des Altertümlichen, der jungen Leuten befremdlich vorkommen muß. Keine Computer, kein Internet, keine DNA-Spuren, keine Profiler - statt dessen ein geradezu intellektueller Kampf gegen den Verbrecher: Gehirn gegen Gehirn.

Am schönsten ist es nach meinem Geschmack, Columbo zuzuschauen, weil bei ihm auch noch Humor dazukommt ... und in einigen Fällen ein Verständnis für den Verbrecher.
Aber Columbo, der reine Fernseh-Detektiv, kommt für Dich Kino-Freak ja nicht in Betracht.

 Graeculus meinte dazu am 25.08.22 um 12:43:
Es kommt hinzu, daß heute Detektive fast nur noch im Team auftreten, wobei mindestens ein Teammitglied eine Frau zu sein hat. Ohne Frau geht nichts mehr in der Verbrechensbekämpfung. Schenk und Ballauf aus Köln fallen da schon als Anachronismus auf.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 25.08.22 um 13:18:
Du vergißt Batic/Leitmayr (München).

Ja, die Einzelgänger sind aus dem Mode gekommen. Mir fällt auch im Moment keine aktuelle Einzelgängerin ein! 

Für Colombo konnte ich mich in der Tat nie erwärmen....

 Graeculus schrieb daraufhin am 25.08.22 um 13:26:
Einzelgängerin: Gibt es da nicht diese Lena Odenthal?

 Graeculus äußerte darauf am 25.08.22 um 13:32:
Mir gefällt halt dieser intellektuelle Zweikampf, ohne Brutalität - mit Überheblichkeit auf der einen und Understatement auf der anderen Seite.
 
Columbo geht sogar so weit, niemals eine Waffe einzusetzen. In einer Folge drückt er sich um das vorgeschriebene Schießtraining.

Ist Geschmackssache.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 25.08.22 um 13:38:
Odenthal (Folkerts) war nur in einer kurzen Übergangsphase (Kopper -> Stern) alleine unterwegs.

Siegfried Lowitz als "Der Alte" hat mir als Kind gut gefallen. Wenn dir Colombo gefallen hat, müsste dir auch "Quincy" gefallen, oder?

 Graeculus meinte dazu am 25.08.22 um 13:47:
Mag sein mit der Odenthal; angesehen habe ich mir das nie.

Erik Ode ("Der Kommissar") habe ich mitbekommen und gerne geschaut. Ein reines Männerteam, und dann wurde da auch noch geraucht. Auch das hatte etwas von dieser eher geistigen Auseinandersetzung bei sparsamer Verwendung von Waffen.

"Quincy" ist meines Wissens nur im kommerziellen Fernsehen gezeigt worden, d.h. mit Werbeunterbrechungen. Das mag ich nicht.

"Columbo" kam ursprünglich im Öffentlich-Rechtlichen; später auf RTL wurde sogar ein Werbelaufband während des Films eingeblendet. Weißt Du, ich hasse es, wenn meine Aufmerksamkeit für den Film durch irgendein psychologisches Gesetz, dem ich erliege, abgelenkt wird.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 28.08.22 um 07:59:
Das kann ich verstehen, dass dich die Werbeunterbrechungen nerven, mich nervt die Werbung auf Youtube, die man nicht (mehr) überspringen kann.
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